Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser,
wann haben Sie zuletzt einen Schmetterling gesehen?
Als mir neulich ein Zitronenfalter über den Weg flatterte, fielen mir plötzlich dessen Gefährten wieder ein, deren poetische Namen mir aus der Kindheit vertraut sind: das Pfauenauge etwa oder der Schwalbenschwanz und das Landkärtchen. Jeder dieser Namen zaubert sofort Bilder von ebenso wunderbarer wie fragiler Schönheit vor mein geistiges Auge, und ich sehne mich nach den unbeschreiblichen Formen und Farben, die man nie vergisst, wenn man sie einmal geschaut hat.
Wenn auch Sie gern wieder einmal einen Schmetterling in der freien Natur beobachten würden, dann ist jetzt die beste Zeit dafür. Nicht umsonst werden Falter manchmal Sommervögel genannt, ein einst auch in Frankfurt verbreiteter Begriff, wie wir etwa durch Goethes Verwendung des Worts in seinem „Urfaust“ wissen. Wohin die Faszination für Schmetterlinge im besonderen Einzelfall führen kann, erzählt unser diesmaliger Artikel des Monats.
Artikel des Monats: Die Falterfrau
Sie war eine geniale Künstlerin und Naturforscherin: Maria Sibylla Merian. Als Tochter des berühmten Kupferstechers Matthäus Merian 1647 in Frankfurt geboren, erlernte das Mädchen schon früh die Kunst des Blumenmalens. Als Dreizehnjährige begann sie, Seidenraupen zu züchten, deren Metamorphose zum Falter sie staunend beobachtete und aufzeichnete. Trotz ihrer späteren Heirat und der Geburt zweier Töchter setzte Maria Sibylla ihre künstlerische Arbeit ebenso wie ihre naturwissenschaftlichen Studien fort, bildete sich autodidaktisch weiter und brachte ihre Forschungsergebnisse 1679 erstmals in einem von ihr selbst exzellent bebilderten Buch („Der Raupen wunderbare Verwandlung und sonderbare Blumennahrung“) heraus.
Nach der Trennung von ihrem Mann zog Maria Sibylla mit ihrer Mutter und ihren Töchtern in eine urchristliche Kommune auf Schloss Waltha in den Niederlanden, wo sie erstmals präparierte Falter und Pflanzen aus Surinam sah. Deren exotische Schönheit weckte den Wunsch in ihr, irgendwann selbst nach Surinam zu reisen und im tropischen Regenwald zu forschen. Im Frühsommer 1699 ging die 52-Jährige, nur in Begleitung ihrer jüngeren Tochter, an Bord eines holländischen Segelschiffs, das sie in das Land ihrer Träume brachte. Nicht zuletzt aufgrund ihrer Forschungen in Surinam, die sie nach ihrer Rückkehr von dem zweijährigen Tropenabenteuer 1701 in Amsterdam zu einem dreibändigen Werk ausarbeitete, gilt Maria Sibylla Merian als Begründerin der modernen Insektenforschung. In ihren bis heute beeindruckenden Büchern hat „die Merianin“ übrigens nie das Wort „Schmetterling“ verwendet, sondern sie schrieb immer von „Sommervögelein“.
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Anlässlich ihres 300. Todestags in diesem Jahr wird Maria Sibylla Merian allerorten geehrt, auch in ihrer Geburtsstadt Frankfurt, wo ihr u. a. ab Oktober eine große Ausstellung im Städel Museum gewidmet sein wird, und da liegt es nahe, dass jetzt der Artikel über diese prominente Frankfurterin aus der Buchausgabe der „Frankfurter Biographie“ in überarbeiteter, ergänzter und aktualisierter Fassung im Frankfurter Personenlexikon erscheint.
Der außergewöhnlichen Frau lassen die Herren der diesmaligen Monatslieferung sicher gern den Vortritt, auch wenn sie alle sich mit ihren Biographien nicht verstecken müssen. So befinden sich in unserer hochsommerlichen Gesellschaft gleich drei Grafen, die sich in der Mainstadt jedoch gerade durch ihre Bürgernähe auszeichneten: der Diplomat Melchior Friedrich von Schönborn und sein Sohn Rudolf Franz Erwein von Schönborn, zwei kaiserliche Kommissare, die im Frankfurter Verfassungsstreit des frühen 18. Jahrhunderts für die Mitbestimmung der Bürgerschaft eintraten, und der Schriftsteller Anastasius Grün, eigentlich Anton Alexander von Auersperg, der bei seinem Aufenthalt als Abgeordneter der Deutschen Nationalversammlung in Frankfurt im Sommer 1848 mit einem Ehrenfest des Liederkranzes gefeiert wurde und in seinen langen, heute vergessenen Gedichten auch die Stadt am Main besang.
Außer diesen Neuzugängen für das Frankfurter Personenlexikon präsentieren sich etwa der Historiker Johann Friedrich Böhmer, der Begründer der bedeutenden Quellenedition „Regesta Imperii“ zur deutschen Geschichte des Mittelalters, und der Zeichner Albert Hendschel, der Schöpfer des Titelschriftzugs von Stoltzes Wochenzeitschrift „Frankfurter Latern“, in Neufassungen der Artikel aus der Buchausgabe.
Mit solchen Gesellen kann man interessante Sommerwochen verbringen, wenn auch nur virtuell im Frankfurter Personenlexikon, das hiermit gut gestimmt und aufgestellt in sein viertes Jahr im Internet startet.
Falls Sie in dieser Ferienzeit auch „richtig“ verreisen möchten, dann wünsche ich Ihnen einen schönen Urlaub. Glücklicherweise (oder leider?) ist das Reisen kein solch schwieriges, riskantes und insbesondere für eine Frau ungeheuerliches Unternehmen mehr wie zu Zeiten unserer Heldin Maria Sibylla Merian.
Kommen Sie also gesund und gut erholt wieder – nach Hause und zur nächsten Lektüre im Frankfurter Personenlexikon.
Bis dahin grüßt Sie herzlich
Sabine Hock
Chefredakteurin des Frankfurter Personenlexikons
P. S. Die nächste Artikellieferung erscheint am 10. August 2017.