Unter fünf Geschwistern, von denen drei früh starben, war S. das jüngste Kind des Ffter Gastwirts Friedrich Christian S. (1783-1833), der aus dem Waldecker Land 1800 nach Ffm. gekommen war und 1808 die Ffterin Anna Maria Rottmann (1789-1868) geheiratet hatte.
S. besuchte die Katharinenschule, dann das städtische Gymnasium und erhielt Privatunterricht, u. a. bei
Goethes Vetter
Friedrich Karl Ludwig Textor. In seinem Elternhaus, dem Gasthaus „Zum Rebstock“, im Schatten des Domturms hinter dem Alten Markt – schon um 1830 eine Zuflucht für „Demagogen“ und exilierte Polen – kam er schon als Jugendlicher mit den liberalen und demokratischen Strömungen des vormärzlichen Deutschland in Berührung. Gemeinsam mit seinem Vater besuchte S. 1832 das Hambacher Fest und lernte dort
Ludwig Börne persönlich kennen, der für ihn zum literarischen Vorbild als Freiheitsdichter werden sollte. Einige der Revolutionäre, die am 3.4.1833 mit dem Sturm auf die Ffter Wachen das Fanal zur Demokratisierung Deutschlands setzen wollten, gingen im „Rebstock“ ein und aus. S.s Schwester
Annette geriet wegen beabsichtigter Gefangenenbefreiung ins Visier der Untersuchungsbehörden und musste 1835 eine vierwöchige Haftstrafe im Rententurm absitzen.
Zunächst zum Kaufmann bestimmt, aber schon als Heranwachsender dichterisch veranlagt, so dass sogar Marianne von Willemer den Poeten in ihm stärkte, wurde S. erst nach dem Tod des Vaters frei in seinen Entschlüssen. 1838 besuchte er Paris und Lyon, wo er zum Stiftungsfest des dortigen deutschen Gesangvereins das „Bundeslied der Deutschen in Lyon“ dichtete, das
Mendelssohn vertont hat. Ein erstes Bändchen „Gedichte“ erschien 1841, das den Ffter Kaufmann
Marquard Georg Seufferheld so für S. einnahm, dass er ihn zu seinem Hauslehrer machte und 1843/44 auf Bildungsreise nach Thüringen und an die
Fröbel’schen Anstalten in Blankenburg und Keilhau schickte. Zeitweilig war S. als Vorleser bei dem Ffter Bankier
Amschel Mayer von Rothschild tätig. Gelegenheitsgedichte und Auftragsarbeiten für die gehobene Ffter Gesellschaft machten S. als Autor bekannt. Interessiert verfolgte S. die revolutionären Ereignisse 1848 und die Arbeit der Ffter Nationalversammlung, von deren Entscheidung für ein kleindeutsches Kaiserreich er enttäuscht war. Im Juni 1849 folgte er seinem Freund, dem Zeichner
Ernst Schalck, der sich als „Kriegsberichterstatter“ Freischärlern in der Pfalz angeschlossen hatte. Ergebnis der Zusammenarbeit waren die „Skizzen aus der Pfalz“ (1849), zu denen S. die Texte beisteuerte. 1849 veröffentlichte S. im Selbstverlag ein schmales Bändchen seiner „Freiheitslieder“ und konzentrierte sich fortan ganz auf die schreibende Tätigkeit.
Ab 1852 brachte S. in zwangloser Folge seine „Krebbelzeitungen“ heraus (44 Nummern bis 1879), in denen er (teils unter Spezialtiteln) das Zeitgeschehen glossierte, Großereignisse wie das Schillerfest 1859 oder das Bundesschießen 1862 humorvoll begleitete und Feste wie Fastnacht, den Wäldchestag, Ostern und Weihnachten auf seine Weise würdigte. Eine Spezialität S.s waren ab 1851 Maskenballplakate und Leporellos (bis zu 343 x 21 cm groß) zur Ffter Fastnacht.
Gemeinsam mit dem Maler und Karikaturisten
Ernst Schalck gründete S. 1860 nach dem Vorbild des Berliner „Kladderadatsch“ die politisch-satirische Wochenzeitschrift „Ffter Latern“ (S. als Texter,
Schalck,
Albert Hendschel u. a., für die „Deutsche Latern“ 1870 auch
Wilhelm Busch, als Zeichner). Sie erreichte mit ihren beliebten Hampelmanniaden (Verkörperung des Ffter Kleinbürgers) und den Dialogen zwischen „Millerche“ und „Berjerkapitän“ (nach Volkstheaterfiguren von
Carl Malss) bald schon hohe Auflagen, wurde zeitweilig als preußenfeindlich verboten, existierte aber (unter wechselndem Namen) bis 1893. Über 30 Jahre hinweg hat S. die politischen, gesellschaftlichen und sozialen Zustände seiner Zeit kritisch kommentiert. Als Mann aus dem Volke hat er sich für die Belange der Kleinen Leute eingesetzt. S.s Feindbild Nr. 1 war
Otto von Bismarck, dessen Werdegang vom Gesandten am Deutschen Bundestag bis zum Reichskanzler er satirisch begleitete. Themen wie den Kulturkampf und die Sozialistenverfolgung haben S. ebenso beschäftigt wie die Einführung immer neuer Steuern, die zunehmende Militarisierung oder das Verhältnis Deutschlands zu seinen europäischen Nachbarn. Wegen seiner preußen- und
bismarckfeindlichen Äußerungen zog es S. 1866 vor, sich vor dem zu erwartenden preußischen Einmarsch in Ffm. für drei Monate ins süddeutsche und Schweizer Exil zu verabschieden. Die „Ffter Latern“ blieb nach seiner Rückkehr im Oktober 1866 für fünf Jahre verboten. S. behalf sich mit immer neuen Zeitungsgründungen, von denen es nur „Der wahre Jacob“ (1867-71), in dem er seiner Trauer über die Annexion Fft.s durch Preußen freien Lauf ließ, auf eine nennenswerte Zahl von Ausgaben brachte. Andere Zeitungstitel jener Jahre waren die „Ffter Pechfackel“ (1867) und die „Ffter Wüste-Demagogen-Zeitung“ (1869). Ab 1872 erschien die „Ffter Latern“ wieder regelmäßig, nun als Wochenblatt unter alleiniger Verantwortung von S. bis zu dessen Tod 1891; das Blatt wurde von seinen Nachfahren zunächst fortgesetzt und 1893 eingestellt.
Sein Eintreten für die nationale Einheit Deutschlands und seine Forderungen nach Demokratie sowie republikanischer Staatsführung im Deutschen Bund und im Deutschen Reich brachten S. immer wieder in Konflikte mit den Zensurbehörden. Mehrfach wurde er wegen „Preßvergehens“, Majestäts- und
Bismarck-Beleidigung zu Haftstrafen und empfindlichen Geldbußen verurteilt. Einer Gefängnisstrafe konnte er sich aber erfolgreich entziehen. Als Journalist und Satiriker hat sich S. bewusst keiner Partei angeschlossen. Er bezeichnete sich selbst einmal als „rrrrosenroth“ und sympathisierte mit der Deutschen Volkspartei des Liberalen
Leopold Sonnemann, für den er auch Wahlkampfunterstützung leistete. Obwohl S.s journalistisches Werk um ein Vielfaches umfangreicher ist als sein mundartliches Schaffen, überlagert der Ruf des Lokalpoeten bis heute die Wahrnehmung S.s als kritischen Chronisten des 19. Jahrhunderts. Seine bekanntesten Verse: „Es is kää Stadt uff der weite Welt,/ die so merr wie mei Frankfort gefällt./ Un es will merr net in mein Kopp enei:/ Wie kann nor e Mensch net von Frankfort sei!“ werden bis heute gern zitiert. Seine gefühlsbetonten, patriotisch-volksnahen, humorvollen, dabei gedankenreichen und sprachlich vollendeten Dichtungen machten S. zum populärsten und nach
Goethe berühmtesten Ffter. So stellte Bundespräsident
Theodor Heuss 1959 in der Paulskirche fest: „Immer wenn ich hier war, spürte ich beides: Weite einer Weltgesinnung und Nähe eines Heimatgefühls,
Goethe und Friedrich Stoltze.“
1856 Mitbegründer des 1. Ffter Karneval-Vereins „Die Bittern“. Seit 1868 Mitglied der Ffter Gesellschaft der Vogelfreunde. 1870 Ehrenmitglied des Ffter Vereins in New York. 1879 Ehrenmitglied und Meister des Freien Deutschen Hochstifts. 1880 Ehrenmitglied der Ffter Turngemeinde für die Verdienste um das V. Allgemeine Deutsche Turnfest. 1881 Ehrenmitglied des Neeb’schen Männerchors. 1883 Ehrenmitglied des Ffter Journalisten- und Schriftstellervereins.
S. hinterließ eine Fülle von hochdeutschen und mundartlichen Dichtungen, die gesammelt im Ffter Verlag von
Heinrich Keller erschienen und zahlreiche Auflagen erlebten: „Gedichte in hochdeutscher Mundart“ (1862), „Gedichte in Ffter Mundart“ (2 Bände, 1865/71), „Gedichte in Ffter und hochdeutscher Mundart“ (1871), „Novellen und Erzählungen in Ffter Mundart“ (2 Bände, 1880/85), „Gesammelte Werke“ (5 Bände, 1892ff.), „Vermischte Schriften“ (1896), „Ausgewählte Gedichte und Erzählungen in Ffter Mundart“ (1912), „Werke in Ffter Mundart“ (Verlag
Waldemar Kramer, 1953), „Die schönsten Dichtungen in Ffter Mundart“ (Verlag
Waldemar Kramer, 5 Bände, 1997/98) und Einzelveröffentlichungen, darunter die Kinder-Komödie „Kaspers lustige Streiche“ (1852), die gegen den nassauischen Publizisten
Karl Braun gerichtete Streitschrift „Schwarz-Weiß & Braun nebst Verwandtes“ (1868), „Deutsche Lieblings-Märchen“ (mundartliche Umdichtungen, um 1880), Festspiele und Prologe zu besonderen Ereignissen wie dem 100. Geburtstag des Ffter Stadttheaters 1882. Viele seiner fft.erischen Gedichte und Erzählungen (wie „Die Blutblas“, „Die explodiert Sposau“, „Das Gänsi“, „Die Kapp“, „
Parre Kännche“, „Verrzeh Döchter“ und „Von Fft.s Macht und Größe“) sind bis heute in Ffm. populär und werden gern rezitiert.
Ölporträt (von
Johann Heinrich Hasselhorst, 1886) als Dauerleihgabe des ISG im S.-Museum der Ffter Sparkasse. Porträtzeichnung (von F. W. Bernstein) in Privatbesitz. Gipsbüste (von
Friedrich Schierholz, 1892) im Besitz des Städel. Gipsbüste (
Gustav Herold zugeschrieben) im HMF. Porträtbüste (von
Gustav Herold, 1893; kriegszerstört 1944) im Treppenhaus der alten Stadtbibliothek. Reliefbüste (um 1904) unter den Vertretern der heimischen Künste an der Westfassade vom Südbau des Neuen Rathauses in der Buchgasse.
Mit Ausnahme von Reisen nach Frankreich, Thüringen und in die Schweiz, regelmäßigen Kuraufenthalten in Königstein sowie gelegentlichen Besuchen bei schwäbischen Dichterkollegen wie Theobald Kerner in Weinsberg blieb Ffm. immer Lebensmittelpunkt von S. Im Laufe seines Lebens ist er 24-mal innerhalb der Stadt umgezogen. An sein Elternhaus, das Gasthaus „Zum Rebstock“ (Im Rebstock Lit. L 87, später Kruggasse 4; beim Durchbruch der Braubachstraße 1904 niedergelegt), erinnert heute eine Gedenkplakette (von Alexander Kraumann, 1934) am Haus am Dom (ehem. Hauptzollamt), Domstraße 3/Ecke Braubachstraße. Nach der Aufgabe des Gasthauses (1837) wohnte S. mit der verwitweten Mutter zunächst in der Schnurgasse, dann in der Löbersgasse 1 in Bornheim, nach seiner Rückkehr aus Thüringen (1845) in der Schäfergasse 18, endlich allein in einer Dachwohnung wahrscheinlich in der Meisengasse 26/Ecke Tollgasse nahe der Kastenhospitalgasse (später Börsenstraße), dann in der Großen Friedberger Straße, nach seiner Heirat (1849) zuerst in der Großen Bockenheimer Gasse (am Bockenheimer Tor), Papageigasse und Klostergasse 6 (wo 1852 die erste Krebbelzeitung erschien), dann in einem von
Nikolaus Hadermann gemieteten Gartenhaus auf dem Röderberg II 14 (später 188; seit 1892 dort Gedenktafel; nicht erhalten), aber bald schon wieder in Innenstadtnähe: 1854 allein in der Fahrgasse 48, dann mit der Familie 1859 in der Großen Bockenheimer Gasse 8, nach dem Kuraufenhalt in Königstein bis 1860 zunächst bei einem Freund in der Schäfergasse 8, seit 1861 in der Schaumainstraße 10 in Sachsenhausen, seit 1862 im Bornwiesenweg 97b, seit 1863 in der Kleinen Pfingstweidstraße 3 und seit 1864 im Sandweg 62. Nach seiner Rückkehr aus dem Exil 1866 fand er Wohnung in dem Zickwolff’schen Landhaus auf dem Mühlberg, Ecke Offenbacher Landstraße 8/Hühnerweg (später Hühnerweg 20), wechselte aber schon nach Jahresfrist (1868) in den oberen Bäckerweg und 1869 in die Unterlindau 6. Schließlich zog er, möglicherweise nach zwei weiteren Zwischenstationen, in das zunächst von
Leopold Sonnemann, dann (seit 1890) von
Wilhelm Carl von Rothschild gemietete Gartenhäuschen im Grüneburgweg 128 („S.-Häusi“; für eine Zufahrt zum IG-Gebäude 1930 niedergelegt), wo er seit 1873 endlich sesshaft wurde und 1891 gestorben ist.
Ehrengrab der Stadt Ffm. auf dem Ffter Hauptfriedhof (Gewann J 306).
S. war seit 1849 verheiratet mit der Ffterin Marie (eigentl.: Anna Maria), gen.
Mary, S., geb. Messenzehl (1826-1884), die ihm insgesamt elf Kinder schenkte. Sieben Kinder, darunter die drei Söhne Heinrich (Landwirt, 1848-1872), Hermann (Kunstgärtner, 1860-1899) und Friedrich (Student der Mathematik, 1861-1880), erreichten das Erwachsenenalter. Besonders nahe standen ihm die vier Töchter
Lyda (1850-1930),
Laura (1855-1945), Molly (1856-1910, seit 1886 verheiratet mit Franz Schreiber von der Kleinen Presse) und Alice (1858-1926), die den häufig kränkelnden Vater bei der Arbeit an der „Ffter Latern“ unterstützten. Der Dichter
Adolf S. entstammte der Verbindung S.s mit seiner Jugendfreundin Maria
Christina Retting (dichterisch von S. besungen als: Lyda Christina; 1816-1843). Zu S.s elf Enkeln gehörten der Ingenieur und Stadtverordnete Friedrich S. (1869-1964) und Lydia Lerner-S. (1873-1954), die mit dem Polarforscher
Theodor Lerner verheiratet war.
Nachlass (Manuskripte, Notizen, über 650 Briefe an und von S., fast 600 Bücher aus der häuslichen Bibliothek, das private Fotoalbum und einzelne persönliche Gegenstände) in der UB Ffm. (Sammlung Fft. / Handschriftenabteilung). Sämtliche Briefe von und an S. aus dem Bestand sind seit 2016 digitalisiert und im Internet verfügbar.
Seit 1978 S.-Museum der Ffter Sparkasse (bis 2014 im Schönborner Hof, Töngesgasse 34-36; von 2014 bis 2018 im Kundenzentrum der Ffter Sparkasse, Neue Mainzer Straße 49; seit der offiziellen Eröffnung am 23.10.2018 in den Häusern Weißer Bock, Markt 7, und Goldene Waage in der neuen Altstadt, dort ab 9.5.2019 allgemein für Besucher zugänglich). In der Dauerausstellung des Museums sind u. a. Originale aus dem Nachlass zu sehen, etwa Mobiliar aus dem Haushalt der Familie S.; außerdem lässt sich an einem Touchscreen in der „Ffter Latern“ blättern und an einem Medientisch das historische Fft. zu S.s Zeiten und in S.s Worten erleben, und eine Hörstation informiert über Persönlichkeiten aus dem Kreis des Schriftstellers.
Zum 200. Geburtstag S.s 2016 Jubiläumsprogramm unter Federführung des S.-Museums mit einem Festakt im Kaisersaal, einer Ausstellung im S.-Museum, einem Kompositionswettbewerb zur Vertonung von S.-Texten, der Aufführung einer „S.-Revue“ durch die Fliegende Volksbühne, Lesungen, Stadtführungen, Vorträgen und vielen weiteren Veranstaltungen.
S.ruhe („S.plätzi“; seit 1860) im Billtal bei Königstein. S.straße (seit 1891) in der östlichen Innenstadt. S.schneise (seit 1931) im Stadtwald zwischen Oberschweinstiege und Goetheturm. Die Friedrich-S.-Schule, seit 1934 eine Hauptschule in der Innenstadt, ging 2010 in der neu entstandenen Ludwig-Börne-Schule auf. Der S.-Preis, ursprünglich gestiftet von dem Ffter Juwelier Johannes Lueg (1978) und vergeben von den „Freunden Fft.s“ (1978-2016), seit 2018 gestiftet von den Stiftungen Giersch und Ffter Sparkasse, wird in der Regel alle zwei Jahre an „Bürger, die sich um die Pflege des kulturellen Erbes in Ffm. besonders verdient gemacht haben“, verliehen. Der Laternen-Preis für künstlerisches und literarisches Schaffen im Sinne S.s wurde von 1985 bis 2001 von der Vereinigung der Freunde und Förderer des S.-Museums vergeben. Hausfassade mit dem Zitat „Es will merr net in mein Kopp enei/ wie kann nor e Mensch net von Frankfort sei“ an der Ecke Reuterweg/Wolfsgangstraße.
Denkmalbrunnen (nach einem Entwurf von
Friedrich Schierholz, ausgeführt von
Fritz Klimsch, 1895) ursprünglich und seit 2017 wieder auf dem Hühnermarkt in der Altstadt, zwischenzeitlich (nach Restaurierung von Edwin Hüller) von 1981 bis 2016 auf dem Friedrich-S.-Platz (seit 1992) hinter der Katharinenkirche.
Frankfurter Biographie 2 (1996), S. 442-445,
).