Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser,
zu Beginn des Jahres wurden drei Straßen und ein Platz im Frankfurter Gallusviertel benannt. Dort, auf dem früheren Industriegelände von „Telefonbau und Normalzeit“, entsteht gerade das Wohnquartier „Westville“. Es soll voraussichtlich Mitte 2025 fertig sein. Schon jetzt heißt eine der neuen Straßen, die durch die Siedlung führen werden, „Meta-Gadesmann-Straße“. Wer Meta Gadesmann war und warum die nach ihr benannte Straße genau am richtigen Platz ist, lässt sich im aktuellen Artikel des Monats nachlesen.
Artikel des Monats Mai 2022:
Mutige Frau an der Konzernspitze
Sie galt in den späten 1920er Jahren als einzige Frau in Deutschland, die an der Spitze eines großen Industriekonzerns stand: Meta Gadesmann. Ihre Karriere hatte die gelernte Buchhalterin beim Kaufmännischen Verband für weibliche Angestellte begonnen, in dem sie sich, bald in leitender Funktion, für die Gleichstellung und Anerkennung von Frauen in kaufmännischen Berufen engagierte. Im Rahmen ihrer Verbandsarbeit wechselte die 32-Jährige im Dezember 1913 von Düsseldorf nach Frankfurt. Hier nahm sie im Kriegsjahr 1916 eine Stelle in der Verwaltung bei der „Deutschen Privat-Telefon-Gesellschaft H. Fuld & Co.“ an. In dem von dem Unternehmer Harry Fuld gegründeten und stetig ausgebauten Konzern stieg Meta Gadesmann schnell in die Geschäftsführung auf. Von einigen der entstehenden Tochtergesellschaften übernahm sie die kaufmännische Leitung. Aufgrund ihrer Position als Direktionsmitglied in einem Großkonzern dürfte sie um 1925 zu den Spitzenverdienerinnen in Frankfurt gezählt haben. Als Fuld 1932 starb, gehörte Gadesmann als dessen langjährige enge Mitarbeiterin zu den Testamentsvollstreckenden, die die Zukunft des Konzerns gestalten sollten.
Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wurde das Unternehmen, ab 1935 unter dem Namen „Telefonbau und Normalzeit“, „arisiert“. Währenddessen transferierten Meta Gadesmann und andere Aufsichtsratsmitglieder heimlich Gewinne an den Devisenstellen und dem Finanzamt vorbei in die Schweiz, von wo aus die Gelder geflohenen jüdischen Mitaktionären und Vorstandsmitgliedern in den ausländischen Tochtergesellschaften zugutekamen. Nach der Aufdeckung des illegalen Geldtransfers durch die NS-Behörden wurde Meta Gadesmann 1937 verhaftet und schließlich 1940 wegen Devisenvergehens verurteilt. Nach dem Zweiten Weltkrieg widmete sie sich dem Wiederaufbau des Unternehmens „Telefonbau und Normalzeit“ in Frankfurt.
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Wieder einmal liegt in dieser Mailieferung der Schwerpunkt auf Frankfurter Biographien aus dem spannenden 20. Jahrhundert. Die Artikel über den Mediziner Karl Altmann, die Kauffrau Meta Gadesmann, den Kunsthistoriker Hans Rose und den Paläobotaniker Richard Kräusel können auch exemplarisch als vier verschiedene Lebensläufe in der NS-Zeit und deren Folge gelesen werden.
Momentan lädt allerdings die strahlende Maisonne eher dazu ein, hinaus in die Welt zu gehen. Ich würde mich freuen, wenn Sie dem Frankfurter Personenlexikon dennoch gewogen blieben und nach Ihrer Rückkehr wieder einmal online vorbeischauen würden.
Beste Grüße und Wünsche
Sabine Hock
Chefredakteurin des Frankfurter Personenlexikons
P. S. Die nächste Artikellieferung erscheint am 10. Juni 2022.