Aus begüterter Altfrankfurter Familie. Sohn des Rechtsanwalts
Emil B. und dessen Ehefrau Wilhelmine Margaretha Christine
Emilie, geb. Hoch (1856-1911).
Abitur am Ffter Goethe-Gymnasium. Studium in Leipzig (1901-02), München (1902/03), Berlin (1903), Leipzig (1903/04), Berlin (1904-05) und Heidelberg (1905-06), unterbrochen von längeren Studienreisen nach Oberitalien (1903) und London (1904, 1906) sowie nach Wien, Budapest, Venedig, Florenz, Rom und Neapel (September bis Dezember 1904). 1907 Abschluss des Studiums mit der Promotion bei
Henry Thode in Heidelberg („Die venezianische Frühzeit des Sebastiano del Piombo 1485-1510“, Phil. Diss., 1907). Seit 1.9.1907 Volontär-Assistent am Städelschen Kunstinstitut in Ffm. Nach Spannungen mit dem Städeldirektor
Georg Swarzenski wurde B. zum 31.12.1912 entlassen. Daraufhin Reisen durch Europa und mehrjähriger Aufenthalt in Italien, wo er in Rom lebte. Beginn der Tätigkeit als freier Kunstschriftsteller, u. a. wohl schon bald als Korrespondent und Kunstkritiker der FZ. In den Zwanzigerjahren intensivierte B., nach Ffm. zurückgekehrt, seine kulturjournalistische Tätigkeit für die FZ; er unterrichtete zudem 1921/22 Kunstgeschichte an der Ffter Schauspielschule und hielt zeitweise (um 1927) wöchentliche Vorträge zur Kunstgeschichte an der Ffter Kunstgewerbeschule. 1927 Habilitation in Ffm. Von 1927 bis 1937 lehrte B. als Privatdozent am Kunstgeschichtlichen Seminar der Ffter Universität, wo er insbesondere Vorlesungen zur italienischen Kunst des Mittelalters, der Renaissance und des Barock hielt sowie Übungen zu entsprechenden Themen und zur regionalen Kunst leitete. 1937 wurde ihm die Ernennung zum außerordentlichen Professor verweigert, und kurz darauf wurde er als „politisch unzuverlässig“ von der Universität entlassen. Den Anlass dafür lieferte, so rückblickend Albert Erich Brinckmann (1881-1958), der seinerzeitige Ordinarius am Kunstgeschichtlichen Institut, eine „aufgebauschte Lappalie“.
Auch während seiner Lehrtätigkeit hatte B. weiterhin als Kunstreferent für die FZ geschrieben und seine kritische Haltung gegenüber der Kunstauffassung und -politik des NS-Regimes nur wenig zwischen den Zeilen verborgen. So hatte er im Juli 1937 über die erste „Große Deutsche Kunstausstellung“ in München „mit kaum verhohlener Ironie, Distanz und Ablehnung“ berichtet: „Mit unüberhörbarem Hohn beschrieb er, Bosheit an Bosheit reihend, die Bilder, deren größerer Teil von Hitler selbst ausgewählt worden war.“ (Günther Gillessen: FZ im Dritten Reich 1986, S. 333.) Als bei einer Beschlagnahmungsaktion auf Geheiß der Reichskunstkammer im Dezember 1937 u. a. das „Bildnis des Dr. Gachet“ von Vincent van Gogh heimlich aus dem Städel entfernt wurde, erfuhr
Benno Reifenberg durch B. davon und erinnerte in der FZ vom 9.12.1937 an das Gemälde. Der Artikel, der an exponierter Stelle im Blatt – auf der dritten Seite im politischen Teil – erschien, machte auf das Verschwinden des prominenten und beliebten Bildes aus dem Städel aufmerksam, ohne die Tatsache der Beschlagnahmung ausdrücklich erwähnen zu können. Sechs Wochen später wurde
Reifenberg nach Berlin ins Propagandaministerium bestellt. Von wem er erfahren habe, dass das Bild entfernt worden sei, wollte Alfred-Ingemar Berndt, der Leiter der dortigen Presseabteilung, wissen. Offenbar vermutete man eine Verschwörung gegen die Kunstpolitik des NS-Regimes. Doch
Reifenberg verweigerte die Auskunft unter Hinweis auf seine Pflicht zur Verschwiegenheit. Im Februar 1938, etwa eine Woche nach seiner Rückkehr nach Ffm., wurde
Reifenberg in der Redaktion der FZ von der Gestapo verhaftet und in „Schutzhaft“ im Untersuchungsgefängnis in der Hammelsgasse gebracht. Noch am selben Tag offenbarte B., dass er
Reifenbergs Informant gewesen sei; vom Verschwinden des Bildes hatte B. wiederum von einem Museumsdiener gehört. Daraufhin kam
Reifenberg am folgenden Morgen, nach 24-stündiger Haft, frei. Ebenfalls 1937 wurde das Bild „Mädchen mit Fächer“ von Max Pechstein (1912), das B. der Städtischen Galerie im Städel 1915 gestiftet hatte, als „entartet“ beschlagnahmt; es ist seither verschollen.
Für die FZ war B. als freier Mitarbeiter des Feuilletons bis zur Einstellung des Blattes am 31.8.1943 tätig. Danach lieferte er Artikel zu kulturellen Themen für verschiedene deutsche Zeitungen und Zeitschriften, u. a. für den Ffter Anzeiger, der als letztes Blatt der Societätsdruckerei bis März 1945 erschien; nach Zeitzeugenaussagen sollen vorherige Journalisten der FZ – wie B. – zur Mitarbeit an solchen parteinahen „Durchhalteblättern“ dienstverpflichtet worden sein. Nach Zerstörung seiner Wohnung (Friedberger Anlage 17, I. Stock) mit seiner Sammlung und Bibliothek bei den Luftangriffen auf Ffm. im März 1944 übersiedelte B. nach Freiburg, wo er aufgrund verwandtschaftlicher Beziehungen eine Unterkunft fand. Zusammen mit Bernhard Guttmann, Robert Haerdter,
Albert Oeser und insbesondere
Benno Reifenberg gehörte er dort zu den Gründern und Herausgebern der Halbmonatsschrift „Die Gegenwart“, die erstmals am 24.12.1945 erschien. Für die ersten Nummern des Blattes schrieb B. auch regelmäßig, bis zu seinem Tod im Mai 1946, Beiträge.
Schriften (in Auswahl): „Die neue städtische Galerie in Ffm.“ (Aufsatz, 1909), „Städelsches Kunstinstitut: Rembrandt“ (Museumsführer für den Ausschuss für Volksvorlesungen unter Bezug auf die Erwerbung von Rembrandts Gemälde „Die Blendung Simsons“ aus der Sammlung Schönborn-Buchheim 1905 für das Städel, 1910), „Das literarische Porträt des Giovanni Cimabue. Ein Beitrag zur Geschichte der Kunstgeschichte“ (1917), „Das Leben des Vittorio Alfieri aus Asti, von ihm selbst geschrieben“ (als Herausgeber, 1924), „Andreas Schlüter“ (1925), „Giovanni Lorenzo Bernini“ (1926), „Das ewige Antlitz. Eine Sammlung von Totenmasken“ (mit Geleitwort von
Georg Kolbe, 1927, engl. 1929), „Das Selbstbildnis vom 15. bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts“ (1927), „Caravaggio-Studien“ (1928), „Michelangelos Madonna an der Treppe“ (1933) und „Giambattista Bodoni“ (Druck eines „Vortrags im Graphischen Bunde Ffm.“, 1941). In den Vierzigerjahren wurde B. von dem Mäzen
Georg Hartmann für kleinere Projekte im Rahmen von dessen Programm bibliophiler Drucke, u. a. für das Geleitwort zu dem von der Bauerschen Gießerei herausgebrachten Band „Alte Kunst, lebendig. Bildwerke einer Privatsammlung“ (von Hubert Wilm und Alfred Ehrhardt, 1942), und mit der Abfassung der Broschüre „Die Städelsche Kunstschule 1817-1942. Ein geschichtlicher Umriß“ (Privatdruck der Bauerschen Gießerei anlässlich der Erhebung der Städelschule zur Staatlichen Hochschule für Bildende Künste, 1942) beauftragt; auch gehörte B. zu den Widmungsempfängern des von
Hartmann herausgebrachten Privatdrucks der „Apokalypse“ von
Max Beckmann (1943). Im Feuilleton der FZ veröffentlichte B. gelegentlich auch Erzählungen, teilweise mit autobiographischen Bezügen (etwa „Die kleine Emilie“ [über die Mutter], 29.10.1939, „Gespräch unterm Christbaum“, 24.12.1939, und „Anton Bürger“, 11.9.1941); im September 1944 enthielten die von Max Geisenheyner (1884-1960) herausgegebenen „Krakauer Monatshefte“ B.s Betrachtung „Gedenke zu leben“, die, höchstwahrscheinlich aufgrund eigener Erlebnisse und Erfahrungen, das Leben in und die Flucht aus einer von schweren Luftangriffen während des Krieges erschütterten und schließlich zerstörten Stadt schildert. In der Halbmonatsschrift „Die Gegenwart“ erschienen 1945/46 folgende Beiträge von B.: „Requiem“ (u. a. über die Zerstörung Fft.s.; 24.12.1945), „Genius loci“ (u. a. über die Heimatstadt Ffm.; 24.1.1946), „Nach der Lektüre von Hebbels ‚Nibelungen’. Ein Beitrag zum deutschen Schulunterricht“ (24.2.1946), „Schri Kunst schri“ (über die Kunst im Nationalsozialismus und einen möglichen Neubeginn; 24.3.1946), „Begegnung mit Max Liebermann“ (24.4.1946), „Sixtina“ (als Anhang zum Nachruf; 24.5.1946) und „König Lear. Randbemerkungen zu Shakespeares Trauerspiel“ (aus dem Nachlass; 24.9.1946).
B.s Lebenswerk, eine Biographie von Michelangelo, wovon lediglich das Vorwort in der FZ erschienen ist („Auftakt zu einer Michelangelo-Biographie“, 21.2.1939), und eine Aufsatzsammlung mit einer Einleitung von Ernst Theodor Sehrt (1911-1983) blieben ungedruckt, sind aber als Typoskript im Nachlass (in Privatbesitz) erhalten.
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Frankfurter Biographie 1 (1994), S. 58,
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