K.s Sterbedatum, das hier laut der Grabinschrift angegeben ist, richtet sich wahrscheinlich nach dem julianischen Kalender und entspräche dem 25.2.1831 nach dem gregorianischen Kalender.
Sohn des aus dem Odenwald stammenden Konstablers Johannes K. (1719-1760) und dessen zweiter Ehefrau
Cornelia Margaret(h)a Dorothea, geb. Fuchs (1727-1800). K. war das zweite von sechs Kindern aus dieser Ehe; während seine drei jüngeren Brüder (* 1754, 1756 und 1760) als Säuglinge starben, erreichten wohl beide Schwestern (Anna
Catharina, * 1751, und Agnes, * 1757) das Erwachsenenalter.
Geboren im Haus (Großer) Palmbaum, Allerheiligengasse 45/Ecke Judenmauer (an der Stelle des heutigen Hauses Allerheiligenstraße 15; abgerissen für einen 1832 errichteten Neubau). Später Umzug der Familie in die Rittergasse Lit. B 160 (seit 1849/50 K.gasse 30; abgerissen 1879 für den Durchbruch der Neuen Zeil, wobei die Ritter- bzw. K.gasse in der heutigen K.straße aufgegangen ist). Aufstieg des Vaters zur Ordonnanz des Kaiserlichen Rats, Schöffen und Ratsherrn Friedrich Maximilian von Lersner, dessen gleichnamiger Sohn der Taufpate K.s war. 1760 Tod des Vaters durch Unfall. Seit etwa 1771 Freundschaft mit
Goethe. Bis 1772 Schüler des Ffter Gymnasiums. Studium der Rechte in Gießen (Immatrikulation 16.4.1774). Beginn der dichterischen Produktion. Ostern 1776 Preis der
Schröder-
Ackermann’schen Schauspieltruppe für sein im Vorjahr entstandenes Drama „Die Zwillinge“. Juni 1776 Abbruch des Studiums. Dreimonatiger Aufenthalt bei
Goethe in Weimar, wo es zum Bruch zwischen den beiden Freunden kam. Von Oktober 1776 bis Februar 1778 mit der
Seyler’schen Schauspieltruppe als Theaterdichter auf Reisen. 1778 Wechsel zur soldatischen Laufbahn, zunächst beim österreichischen Militär. 1780 Eintritt in den Dienst des russischen Großfürsten Paul als Ordonnanzoffizier. Beginn einer glänzenden Karriere, in deren Verlauf K. in Russland zu höchsten militärischen (1798 Generalmajor, später Generalleutnant, 1801 Direktor des 1. Kadettenkorps in St. Petersburg) und bildungspolitischen Ämtern (1803-17 Kurator der Universität Dorpat) aufstieg.
„Er hatte nicht mit sich selbst, aber außer sich mit der Welt des Herkommens zu kämpfen“, und „alles, was an ihm war, hatte er sich selbst verschafft und geschaffen, so daß man ihm einen Zug von stolzer Unabhängigkeit, der durch sein Betragen durchging, nicht verargte“ (
Goethe). Die Herkunft aus einfachen Verhältnissen und die schwierige materielle Lage, in die die Familie nach dem Tod des Vaters geriet, prägten K.s Kindheit und Jugend und bestimmten seine Entwicklung. Seine – nach K.s eigenen Worten – „gute, redliche, verständige Mutter“ ernährte sich und ihre drei Kinder als Wäscherin und betrieb am Fahrtor einen Handel mit Feuersteinen. Mit Hilfe des Professors Johann Caspar Zinck († 1786) ermöglichte sie ihrem Sohn auf dessen dringenden Wunsch dennoch den Besuch des Gymnasiums: „Noch erinnere ich mich“, so K. in einem Brief an Lenz, „daß sie mein erstes Schulgeld nicht bezahlen konnte und es borgen mußte.“ Bescheidene Verdienstmöglichkeiten boten sich ihm im Chor der Kurrendschüler, der an besonderen Tagen in den Häusern Ffter Bürger geistliche Lieder sang und bei Beerdigungen singend vor dem Leichenwagen herzog, sowie als Kalefaktor (Heizer) am Gymnasium. Später erteilte er jüngeren Schülern Privatunterricht, und das Geldverdienen war wahrscheinlich auch seine Hauptbeschäftigung in der Zeit zwischen Schulabschluss und Studienbeginn. In seine Ffter Jahre fiel die intensive Lektüre der Werke Rousseaus, dessen Ideen seine späteren bildungspolitischen Reformen beeinflussten; außerdem eignete er sich im Selbststudium moderne Fremdsprachen an. Erinnerungen an seine Ffter Gymnasialzeit verarbeitete er in „Der Weltmann und der Dichter“ (Roman, 1798).
Bestimmend für seinen weiteren Lebensweg war die Freundschaft mit
Goethe, mit dessen Hilfe K. 1774 das Jurastudium in Gießen beginnen konnte, und diese Freundschaft war auch der Grund, warum er seine Ferien regelmäßig in Ffm. verbrachte. Der Kreis der – später so genannten – Stürmer und Dränger um den jungen
Goethe traf sich allsonnabendlich in der Wohnung der Familie K. in der Rittergasse. Zu dieser „Sozietät“ gehörten außer
Goethe und K. der Advokat und Schriftsteller
Heinrich Leopold Wagner, der Komponist Philipp Christoph Kayser,
Goethes Jugendfreunde Johann Adam Horn und
Johann Jakob Riese sowie die Brüder
Hieronymus Peter und
Johann Georg Schlosser; K.s jüngere Schwester Agnes (seit 1783 verh. Authäus; 1757-1815) soll die gefeierte Schönheit des Kreises gewesen sein. K. verehrte außerdem die Mutter Goethes sehr, und seine Äußerung, er habe „manche Stunde bei ihr auf den Stuhl genagelt zugebracht und Märchen gehört“, gab Anlass zu der von manchen Biographen geäußerten vagen Vermutung, die Familie K. habe, bevor sie in die Allerheiligengasse zog, in einem Nebenbau des Goethe’schen Hauses gewohnt, der 1755 abgerissen wurde. Diese Mutmaßungen wurden gestützt durch ein Gedicht
Goethes, das dieser mit einem Bild seines Vaterhauses 1826 an K. sandte und das mit den Worten beginnt: „An diesem Brunnen hast auch du gespielt.“ Die daraus gezogene Schlussfolgerung,
Goethe und K. seien im selben Haus geboren, scheint wohl weniger ein Faktum als vielmehr ein Beispiel für Mythenbildung zu sein.
Um die Jahreswende 1774/75 schrieb K. in Ffm. innerhalb von vier Tagen das bürgerliche Drama „Das leidende Weib“. Vorbild für die Figur der Julie soll eine Ffter Geliebte K.s gewesen sein. Nach der Veröffentlichung erschien in Offenbach und Ffm. anonym ein Pasquill, in dem K.s moralische Integrität in Zweifel gezogen wurde. Diese Vorwürfe wies K. im August 1775 in den „Ffter gelehrten Anzeigen“ von sich.
Im Mai 1775 lernte K. in seiner Vaterstadt die Grafen Stolberg kennen, wodurch er mit den Dichtern des Göttinger Hainbunds in Verbindung trat; gemeinsam mit seinem Freund Ernst Schleiermacher bereitete er dem Dichter J. M. R. Lenz einen genialischen Empfang auf dem Weg durch Ffm. nach Weimar, indem sie im Wertherkostüm vor seinem Wagen herritten: „Sie machten in Frankfurth groß Auffsehens, ieder Kerl blieb stehen und gaft sie an.“
Seine Reisen mit der
Seyler’schen Schauspieltruppe führten K. auch nach Ffm., wo am 2.6.1777 sein Drama „Sturm und Drang“, das der literarischen Bewegung den Namen gab, gespielt wurde – vor leerem Haus. In einer ausführlichen und positiven Rezension der Aufführung rügte
H. L. Wagner das Publikum, das einem mittlerweile preisgekrönten und zumindest in literarischen Kreisen bekannten Dichter aus Ffm. mit Unverständnis und Desinteresse begegnete. „Meine Lage ist hier von Seiten meiner Mutter erschrecklich, ich lebe einsam und (...) in fatalem Humor“: K., der selbst mit
Seyler recht nobel im „Schwanen“ logierte und dem es eine „unendliche Freude“ machte, seine Familie zu unterstützen, fand die Diskrepanz zur materiellen Lage seiner Mutter und somit den ganzen Aufenthalt in Ffm. bedrückend. Dies könnte mit ein Grund sein, warum er sich (möglicherweise auch schon früher) in seiner Vaterstadt um eine städtische Anstellung bewarb, was allerdings abgewiesen wurde. (Ob sein Faust-Roman von 1791, eine Satire auf seine Heimatstadt, als später Racheakt zu verstehen ist, mag dahingestellt bleiben.) Fraglich ist, ob dem jungen und ehrgeizigen Dichter an einer solchen Stelle wirklich etwas gelegen war, schließlich hatte er 1776 an einen Freund geschrieben: „Wenigstens sollen sie mich in Ffm. nicht in Tiegel kriegen. Und das schwör ich dir auch!“ In jener Zeit hat K. ein Drama nach dem anderen verfasst, insgesamt neun Stücke bis 1777, die ihn als bedeutendsten Dramatiker des Sturm und Drang neben Lenz ausweisen.
Goethe, mit dem sich die Freundschaft ab 1811 erneuerte, porträtierte K. in „Dichtung und Wahrheit“ (III,14) und formulierte am treffendsten die weitere Entwicklung des einstigen Originalgenies K., der „ohne Biegsamkeit (welches ohnedem die Tugend der geborenen Reichsbürger niemals gewesen), aber desto tüchtiger, fester und redlicher sich zu bedeutenden Posten erhob (...), dabei aber niemals seine alten Freunde, noch den Weg, den er zurückgelegt, vergaß“.
Porträt von
Goethes Hand (Kreidezeichnung, 1775) im Besitz des Freien Deutschen Hochstifts.
K.s eigentlicher Nachlass gilt als verschollen. Manuskripte, Korrespondenz und andere Dokumente in der Handschriften-Sammlung des Freien Deutschen Hochstifts.
K.straße in der Innenstadt. K.schule, eine berufliche Schule für Wirtschaft, Verwaltung, Gesundheit und Soziales, im Nordend.
Frankfurter Biographie 1 (1994), S. 400f.,
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