Aus einer alteingesessenen Familie des Ffter jüdisch-liberalen Bürgertums. Der Großvater
Jakob A., langjähriger Lehrer am Philanthropin, war ein Vetter des Schriftstellers Berthold A. Auch die Großmutter väterlicherseits, Sara A., geb. Katz, und die Mutter entstammten alten Ffter jüdischen Familien.
Tochter des Ffter Rechtsanwalts Dr.
Ernst A. und seiner Ehefrau, der Malerin Emma A., geb. Kehrmann (1867-1958). Eine Schwester, Ilse, verh. Schmitthoff (1900-1995), Rechtsanwältin. Erna A. war nicht verheiratet und hatte keine Kinder.
A. besuchte die Schillerschule, ein städtisches Realgymnasium für Mädchen, das sie am 14.3.1917 mit der Hochschulreife abschloss. Im Mai 1917 immatrikulierte sie sich an der Philosophischen Fakultät der Ffter Universität. Sie belegte Seminare vor allem bei dem Kunsthistoriker Rudolf Kautzsch, aber auch bei dem Philosophen
Hans Cornelius, dem Klassischen Archäologen Hans Schrader und dem Städeldirektor
Georg Swarzenski. In den Sommersemestern 1918 und 1920 studierte sie Kunstgeschichte an den Universitäten Bonn und München (u. a. bei Heinrich Wölfflin), kehrte aber jeweils nach einem Semester an die Universität Ffm. zurück, wo sie im Wintersemester 1923/24 mit einer Promotion über die deutsche Bildnismalerei im 16. Jahrhundert abschloss.
Zeitgleich zum Hochschulstudium besuchte A. von 1917 bis 1922 die Klasse für freie Malerei bei
Johann Vincenz Cissarz an der Ffter Kunstgewerbeschule. Bis 1926 studierte sie zeitweilig an Kunstakademien in Paris und München. Zurück in Ffm., nahm sie von 1928 bis 1930 Privatunterricht bei
Willi Baumeister, der damals Gebrauchsgrafik und Typografie an der Kunstgewerbeschule unterrichtete. Sowohl
Georg Swarzenski als auch
Fritz Wichert, der Direktor der Kunstgewerbeschule, unterstützten A. dabei, sich als freie Malerin zu etablieren. Schon 1925 hatte sie die erste Einzelausstellung in der Galerie Schames in Ffm.; weiter beteiligte sie sich an zahlreichen Gruppenausstellungen, meist im Ffter Künstlerbund (1928 und 1931), sowie auch an der Ausstellung „Frauen von Frauen dargestellt“ (veranstaltet von der Gemeinschaft deutscher und österreichischer Künstlerinnen und Kunstfreundinnen, GEDOK, 1930). Außerdem hielt sie regelmäßig kunsthistorische Vorträge im Ffter Volksbildungsheim, am Städelschen Kunstinstut und bei jüdischen Kulturorganisationen.
Von den Nationalsozialisten wurde A.s künstlerische und wissenschaftliche Präsenz in der Öffentlichkeit zunehmend eingeschränkt. Sie war von Ausstellungs- und Vortragsverboten betroffen, und die Drucklegung ihrer Dissertation, die wegen Geldmangels der Universität zum Zeitpunkt der Fertigstellung nicht publiziert worden war, wurde verhindert. Daraufhin emigrierte A. im Oktober 1933 mit ihrer Schwester Ilse nach London; die verwitwete Mutter Emma konnte den Töchtern im Januar 1939 noch ins Exil folgen.
In London baute sich Erna A. erneut eine zweifache berufliche Existenz als Künstlerin und Kunsthistorikerin auf. Sie lebte zunächst von Auftragsmalerei und unterrichtete auf Honorarbasis in verschiedenen Colleges. Ab 1934 nahm sie an zahlreichen Gruppenausstellungen teil, u. a. an den Jahresausstellungen des „Women’s International Art Club“ (WIAC) und der auf jüdische Künstler spezialisierten „Ben Uri Gallery“ (1935-47), an den beiden Ausstellungen von Exilkünstlern der Parsons’ Gallery („German Jewish Artists’ Work“, 1936) und der New Burlington Galleries („Exhibition of 20th Century German Art“, 1938) sowie an Ausstellungen in der Royal Academy of Arts (1943) und der Leicester Gallery (1944). Während des Zweiten Weltkriegs diente A. als freiwillige Helferin im britischen Zivilschutz, dem „Women’s Voluntary Service“. Bei dem Angriff der deutschen Luftwaffe auf die City of London am 29./30.12.1940 wurde das Atelier der Künstlerin zerstört; dadurch ging der Großteil ihrer Arbeiten aus der Zeit vor der Emigration verloren. Um einen in Großbritannien anerkannten akademischen Abschluss zu erhalten, begann A. 1945 ein zweites kunsthistorisches Studium am Courtauld Institute of Art der Universität London, das sie mit einer Promotion unter Henry M. Hake, dem Direktor der National Portrait Gallery, 1949 abschloss. 1946 nahm sie die britische Staatsbürgerschaft an.
In der Folgezeit widmete sich A. zunehmend der wissenschaftlichen Tätigkeit als Kunsthistorikerin und stellte 1955 die freie Malerei ganz ein. Sie publizierte mehrere Bücher zur englischen Porträtmalerei der Tudor-Ära und schrieb regelmäßig für verschiedene Kunstzeitschriften, u. a. im Burlington Magazine. Ihren Lebensunterhalt bestritt sie als „visiting lecturer“ am London Polytechnical Institute, wo sie von 1947 bis 1975 unterrichtete. Eine späte wissenschaftliche Anerkennung als Kunsthistorikerin erfuhr A. ab 1970 durch Gastdozenturen und Vorträge in den Vereinigten Staaten, wohin sie u. a. von der National Gallery of Art in Washington D. C., dem Metropolitan Museum New York und dem Minneapolis Institute of Arts eingeladen wurde.
In ihrem künstlerischen Schaffen bevorzugte A. – neben dem Aquarell – die Technik der Ölmalerei. Hauptthemen ihrer Werke waren Porträts, Stillleben sowie Landschaften im postimpressionistischen Stil. Nach einer Gedächtnisausstellung für die Malerin im „Ffter Kunstkabinett
Hanna Bekker vom Rath” (1981/82) kaufte das HMF vier Ölgemälde („Frauenbildnis in Schwarz”, 1932; „Herbstblumen”, 1937; „Weihnachtsstern”, 1941; „Frühlingsblumen”, 1938) und vier Aquarelle („Tulpen”, 1930; „Pyrenäenblick”, 1933; „Anemonen”, 1936; „Hofeingang”, 1939) an. Außerdem befinden sich Bilder von A. im Besitz des Jewish Museum London sowie in privaten Sammlungen in Deutschland, Großbritannien und den USA.
Kunsthistorische Schriften: „Die deutsche Bildnismalerei im 16. Jahrhundert in Franken, Schwaben und Bayern” (Diss., Ffm. 1925; nicht im Druck erschienen), „The English Patronage of Art from 1520-1590” (Thesis, London 1949), „Tudor Artists. A study of painters in the royal service and of portraiture on illuminated documents from accession of Henry VIII to the death of Elisabeth I” (1954), „Nicholas Hilliard” (1961), „Paintings and Sculpture at Hatfield House” (Katalog, zus. mit Charles Kingsley Adams, 1971) sowie zahlreiche Aufsätze in Kunstzeitschriften.
Auf dem Grabmal des Vaters
Ernst A. auf dem Jüdischen Friedhof Rat-Beil-Straße in Ffm. erinnert eine nachträglich angebrachte Gedenkwidmung an Erna A. und ihre Mutter Emma.
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