Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser,
an heißen Tagen mag man keine schwere Kost. In einem Sommer wie diesem würden nicht nur Kinder am liebsten nichts als Eis essen. Das war schon im alten Frankfurt genauso wie in der heutigen Mainmetropole. Früher, vor der uns längst selbstverständlich gewordenen Elektrifizierung der Alltagswelt, war der Genuss von „Gefrorenem“ allerdings noch ein ziemlich exklusives Vergnügen.
Artikel des Monats: Eiszeiten
Sein Kindheitsparadies lag mitten in der Innenstadt: August Bütschli. Dessen Vater, der aus der Schweiz stammende „Glacier“ August Bütschli senior, führte zusammen mit seiner Frau Luise seit 1864 die beliebte Eiskonditorei Roeder auf dem Goetheplatz fort. Dort traf sich die bürgerliche Gesellschaft gern, um vorne im Salon „e Gläsche Eis un e Hippche“ zu genießen und dabei zu plaudern. Hinterm Haus, in der (heute verschwundenen) Töpfengasse, standen derweil die Dienstmänner an, um in gut gekühlten Kübeln die bestellten Leckereien zum Dessert für ihre Herrschaft abzuholen. Und an heißen Sommertagen boomte natürlich der Straßenverkauf vom „Eis-Roeder“, wofür der geschäftstüchtige Konditor eigens einen gusseisernen Pavillon auf dem Goetheplatz hatte aufstellen lassen. Den Alltag der Firma und Familie schildert August Bütschli junior in seinen „Goetheplatz-Erinnerungen“, die ganz und gar nicht kühl, sondern warmherzig und humorvoll geschrieben sind.
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Ein „Hippche“, so ist es im „Frankfurter Wörterbuch“ unter dem Stichwort „Hippe“ nachzulesen, ist übrigens ein hauchdünner, runder und zusammengerollter Oblatenkuchen von etwa zehn bis zwölf Zentimetern Durchmesser bzw. Länge, der damals statt einer Waffel zum Eis gereicht wurde.
Andere Geheimnisse der Eiskonditorei in früheren Zeiten erfahren Sie im Frankfurter Personenlexikon allerdings nicht. Sie gehören nicht in biographische Lexikonartikel. Außerdem hätte uns der alte Bütschli seine „mündlich überlieferten, streng gehüteten“ Eisrezepte sicher nicht verraten. Der Sohn August Bütschli erzählt in seinen Erinnerungen, wie der Chef höchstselbst früh an jedem Morgen in seinem „Laboratorium“ das Eis „anmachte“. Für die folgende, oft schwere und anstrengende Arbeit in der „Eisküche“ waren in der Sommersaison gleich mehrere Burschen nötig.
Der eigentliche Schatz, der das Speiseeis – ganz ohne elektrischen Strom – zum Frieren brachte, lag jedoch im Keller des Hauses am Goetheplatz 14. Dort hatte der Konditor Johann Sigismund Roeder, der Gründer des Geschäfts, bereits 1821 eine Eisgrube errichten lassen. In dem tiefen Eiskeller, der 2.000 Zentner fasste, wurde im Winter das Natureis eingelagert, das von Bauern aus Rödelheim von den Wiesen abgetragen und fuhrenweise in Kutschen angeliefert wurde. Im Keller setzten ein paar Bornheimer Arbeiter das Eis kunstgerecht so zusammen, dass die Schollen zu einer kompakten Masse froren. In einem schlechten – also zu warmen – Winter konnte die Eisversorgung zur „Lebensfrage“ werden, die dem Chef „oft schweres Kopfweh machte“, wie sein Sohn schreibt. Wenn allzu früh im Sommer allmählich der schlammige Grund des Eiskellers sichtbar wurde, musste August Bütschli sen. um sein Geschäft und seine Existenz bangen…
Ich würde mich freuen, wenn ich Sie mit all diesen Geschichten vom Eis ein bisschen unterhalten und ablenken konnte. Dann haben Sie nun vielleicht auch einen kühlen Kopf, um sich die anderen Artikel der aktuellen Monatslieferung anzusehen. In der Liste der Neuerscheinungen werden Sie wieder einige Artikel über bedeutende Persönlichkeiten aus der Stadt- und der Universitätsgeschichte finden, etwa über den Oberbürgermeister Walter Möller und den Historiker Friedrich Hermann Schubert, die beide nach ihrem frühen Tod ziemlich aus dem Blick geraten sind. Völlig zu Unrecht, wie ich meine.
Aber bilden Sie sich Ihr eigenes Urteil beim Blättern und Lesen im Frankfurter Personenlexikon. Dazu lade ich Sie wieder herzlich ein.
Mit wunderschönen Sommergrüßen
Sabine Hock
Chefredakteurin des Frankfurter Personenlexikons
P. S. Die nächste Artikellieferung erscheint am 10. September 2015.