Vorläufer und Nachfolger der „Frankfurter Biographie“

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Als die 1906 gegründete Frankfurter Historische Kommission das Projekt einer „Frankfurter Biographie“ (FB) begann, konnte sie auf frühere frankfurtspezifische biographische Sammelwerke zurückgreifen. Schon 1861 gab Eduard Heyden unter dem Titel „Gallerie berühmter und merkwürdiger Frankfurter“ eine erste Sammlung von annähernd 100 Lebensläufen heraus. Zwanzig Jahre danach erschienen Robert Schrotzenbergers „Francofurtensia. Aufzeichnungen zur Geschichte von Frankfurt am Main“ (1881), eine Mischung von Sachinformationen und Kurzbiographien, die bereits 1884 eine zweite, ergänzte Auflage erlebten. Später, in den 1920er Jahren, entstand aus der Zettelsammlung zu biographischem Schrifttum des Frankfurter Bibliothekars Arthur Richel ein Katalog der „Literatur zur Familien- und Personengeschichte“ der Frankfurter Stadtbibliothek (1929), ein bis heute unentbehrliches Nachschlagewerk all der Frankfurter und Frankfurterinnen, die bis 1928 irgendwie und irgendwo literarisch Berücksichtigung gefunden hatten. Anregend für die Wideraufnahme des Plans einer „Frankfurter Biographie“ ab 1960 dürften die von Waldemar Kramer und Franz Lerner herausgegebenen „Bilder zur Frankfurter Geschichte“ (1950) mit 453 – teils biographischen – Artikeln gewirkt haben.

Neben diesen allgemeinen stadthistorischen Werken mit biographischen Bezügen erschienen biographische Sammelwerke, die sich mit bestimmten Personengruppen in der Stadtgeschichte und -gesellschaft befassten. Dabei standen zunächst die Frankfurter Künstler besonders im Blickpunkt. Zuerst veröffentlichte Henrich Sebastian Hüsgen bereits 1780 seine „Nachrichten von Franckfurter Künstlern und Kunst-Sachen“. Ihm folgte Friedrich Gwinner mit seinem 1862 erschienenen und 1867 ergänzten Band „Kunst und Künstler in Frankfurt am Main vom 13. Jahrhundert bis zur Eröffnung des Städel’schen Kunstinstituts“ (Neudruck 1975) mit insgesamt etwa 800 Artikeln. Weitere Frankfurter Künstlerbiographien brachten etwa die Werke von Albert Dessoff („Biographisches Lexikon der Frankfurter Künstler im 19. Jahrhundert“, 1909) und Walther Karl Zülch („Frankfurter Künstler 1223-1700“, 1935, Neudruck 1967). In den 1980er Jahren erschien ein aktuelles Handbuch „Die bildenden Künstler in Frankfurt am Main“ (bearb. v. Kurt Lotz u. Rudi Seitz, 1982, Neuaufl. 1989), und in einem Katalog von 1994 stellte Inge Eichler Frankfurter „Frauen an der Staffelei“ vor. Mit Frankfurter Bildhauern befasst sich der Katalog „Von Köpfen und Körpern“ des Museums Giersch (2006).

Nach den Künstlern haben auch andere Personengruppen biographische Sammelbetrachtung gefunden. Einige der wichtigsten einschlägigen Werke seien hier exemplarisch in weitgehend chronologischer Folge genannt. Die „Geschichte der Handelskammer zu Frankfurt am Main“ von 1908 enthält einen Anhang mit Kurzbiographien ihrer Mitglieder. Ein „Frankfurter Gelehrten-Handbuch“ gab E. Bergmann 1930 heraus. Der zweite Teil des Standardwerks „Siebenhundert Jahre Heilkunde in Frankfurt am Main“ von Wilhelm Kallmorgen (1936) besteht aus einem alphabetischen „Verzeichnis der Ärzte und Naturforscher“. „Die Frankfurterin“ rückte erstmals 1946 durch Alfons Paquet und Josefine Rumpf-Fleck mit 86 Bildern und Kurzbiographien ins prosopographische Blickfeld.
Die wichtige „Bibliographie zur Geschichte der Frankfurter Juden 1781-1945“, die auch einen bibliographischen Teil zu Personen beinhaltet, erschien 1978. „Komponisten in Frankfurt am Main“ präsentierte Hartmut Schaefer in zwei Folgen einer Ausstellung der Stadt- und Universitätsbibliothek mit den entsprechenden Begleitbroschüren 1979/81. „Die evangelischen Pfarrer von Frankfurt am Main“ sammelten Jürgen Telschow und Elisabeth Reiter (1980). Das von Paul Arnsberg nachgelassene, von Hans-Otto Schembs herausgegebene Werk „Die Geschichte der Frankfurter Juden seit der Französischen Revolution“ (1983) hat ein biographisches Lexikon zum dritten Band. Die grundlegende Arbeit über die „Sozialistische Arbeiterbewegung in Frankfurt am Main 1878-1895“ von Volker Eichler (1983) verfügt über einen biographischen Anhang. Ein zeitgenössisches Literaturlexikon lieferte Peter Hahn 1987 mit dem von ihm herausgegebenen Buch „Literatur in Frankfurt“.
Mit den Lebensläufen von Frankfurter Juristen beschäftigten sich etwa die Publikationen von Bernhard Diestelkamp/Michael Stolleis („Juristen an der Universität Frankfurt am Main“, 1989), Barbara Dölemeyer („Frankfurter Juristen im 17. und 18. Jahrhundert“, 1993) und Barbara Dölemeyer/Simone Ladwig-Winters („Kurzbiographien der Anwälte jüdischer Herkunft im Oberlandesgerichtsbezirk Frankfurt am Main“ (2004). Der Band „Verstand und Schicksal“ von Jens Ulrich Heine (1990) umfasst 161 Kurzbiographien von Vorstandsmitgliedern der IG Farbenindustrie AG von 1925 bis 1945. Ein Lexikon der „Architekten und ihrer Bautätigkeit in Frankfurt am Main in der Zeit von 1870 bis 1950“ wurde von Thomas Zeller erstellt (2004). Seit 2005 erscheint die Webseite „Frankfurter Frauenzimmer“ des Historischen Museums.
Unter dem Titel „Die Opfer der Diktatur“ veröffentlichte Michael Bermejo 2006 eine fundierte Dokumentation mit 92 Biographien von in der NS-Zeit verfolgten Frankfurter Stadtverordneten und Magistratsmitgliedern. Der frühere Frankfurter Kulturdezernent Hilmar Hoffmann, der auch schon über „Die großen Frankfurter“ (2004) und „Frankfurts starke Frauen“ (2006) geschrieben hatte, wandte sich 2008 „Frankfurts Stardirigenten“ zu. Den „Frankfurter Stadtoberhäuptern“ vom 14. Jahrhundert bis 1946 war 2012 ein Aufsatzband in der Reihe „Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst“ gewidmet. Daran schloss sich ein Buch von Hilmar Hoffmann über „Frankfurts Oberbürgermeister 1945-1995“ an (2012). Ein wiederum in der Reihe „Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst“ erschienener Band brachte 2016 rund 150 Kurzbiographien der „Akteure des Neuen Frankfurt“. In derselben Reihe kamen 2017 „Frankfurter Frauengeschichte(n)“ heraus.

Aus Leserkreisen erreichen uns immer wieder Anfragen zu Straßenbenennungen nach und Grabstätten von bekannten Persönlichkeiten. Ein Büchlein zu Frankfurter Straßennamen brachte Kurt Wahlig bereits 1963 (2. Aufl. 1981) heraus. Es wird ergänzt durch die Broschüre „Nach Frauen benannt“ von Birgit Kasper/Steffi Schubert (2013) über 127 Straßen in Frankfurt am Main, die Frauennamen tragen. Ein erster „Wegweiser zu den Grabstätten bekannter Persönlichkeiten auf Frankfurter Friedhöfen“ mit entsprechenden Kurzbiographien, bearbeitet von Johannes Kintzel und Paul Bierwirth, erschien 1954 (Neuauflagen 1966, 1985 und 1994). Standardliteratur zu den Frankfurter Friedhöfen sind heute die Bände der Denkmaltopographie über den Hauptfriedhof (1999) und die Stadtteilfriedhöfe (2007) sowie die Dokumentation über den Petersfriedhof (2007). Über die Frankfurter Friedhöfe und ihre Geschichte sind auch detaillierte Informationen auf den privaten Internetseiten von Harald Fester verfügbar.

Die „Frankfurter Biographie“, obwohl sie die erste umfassende personenbezogene Stadtgeschichte für Frankfurt war, hatte also auf einigen Vorarbeiten aufbauen können. Umgekehrt inspirierte sie seit ihrem Erscheinen 1994/96 andere Projekte und Veröffentlichungen. In der Nachfolge der FB wirkt heute das Frankfurter Personenlexikon aufgrund seines zeitgemäßen Charakters als Onlinelexikon in einem konstruktiven Kreislauf als Anreger und als Nutzer der biographischen Forschung und Literatur zur Frankfurter Geschichte – immer wieder neu.

Sabine Hock
unter Verwendung einer Textpassage von Wolfgang Klötzer aus dem Vorwort der „Frankfurter Biographie“ in: Frankfurter Biographie 1 (1994), S. 5f.

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