T., einer der prominentesten Architekten des Späthistorismus, verbrachte wichtige Lehrjahre in Ffm. Nach dem Besuch des Stuttgarter Polytechnikums trat er am 2.11.1874 in das Ffter Architektenbüro
Mylius &
Bluntschli ein, wo er zunächst mit der Entwurfsbearbeitung und Bauleitung für zwei Villen in Offenbach betraut wurde, in Zusammenarbeit mit
Ludwig Neher, der die Bauleitung aufgrund von T.s achtwöchigem Militärdienst im Frühjahr 1875 zeitweise allein übernahm (Villa Wecker, 1875/76, kriegszerstört 1943, wiederaufgebaut 1946, abgebrochen 1972; Villa von Cosel, 1875/76, abgebrochen 1904/05). Offenbar erkannten und nutzten seine Dienstherrn bald T.s außergewöhnliche Begabung für die dekorative Kunst in der Architektur, sowohl bei der Anfertigung von Entwürfen wie auch bei der Ausführung von Innenausstattungen. So zog
Bluntschli ihn im Sommer 1875 zur Ausmalung des Salons im Clementine-Mädchen-Spital (eröffnet 15.11.1875; modernisiert ab 1930, kriegszerstört) heran. Bei der Ausführung des Hotels „Ffter Hof“ durch das Büro
Mylius &
Bluntschli (1874-76) wurde T. mit der Ausarbeitung der Pläne zur Innenarchitektur und insbesondere mit der Dekoration des Großen Speisesaals befasst (Ausmalung der Restaurationsräume nach Umbauten 1900/01, Kriegszerstörung 1944 und Wiederaufbau bis 1953 nicht erhalten). Ein kolorierter perspektivischer Schnitt, den T. für den Wettbewerbsbeitrag von
Mylius &
Bluntschli zum Bau des Hamburger Rathauses anfertigte (1. Preis, 1876; nicht ausgeführt), fand wiederholt lobende Erwähnung in der zeitgenössischen Presse, was spätere Biographen als „Grundlage seines Ruhmes“ (Albert Hofmann) sahen. In Ffm. knüpfte T. auch wichtige Kontakte zu anderen Architekten (
Paul Wallot,
Hermann Ritter) und potenziellen Bauherrn, darunter
Philipp Holzmann. Im Januar 1877 brach er zu einer ausgedehnten Studienreise nach Italien, Griechenland und England auf.
Nach seiner Rückkehr nach Ffm. (1878) war T. ab Anfang 1879 hier als selbstständiger Architekt tätig. Bald erhielt er den Auftrag für die Anfertigung der Entwürfe und die Leitung der künstlerischen Ausführung zur Innendekoration des im Bau befindlichen neuen Opernhauses (Architekt:
Richard Lucae, 1873-80), eigentlich zusammen mit dem Maler Johann Matthäus Keuffel (1841-1912), der sich jedoch der Aufgabe nicht gewachsen zeigte, so dass sämtliche Entwürfe von T. eigenhändig angefertigt wurden. Letztlich war T. für die gesamte Innendekoration des Opernhauses verantwortlich, abgesehen von den Großbildern, die von
Edward von Steinle geschaffen wurden. Somit kam dem damals erst 27-jährigen Architekten eine „weitaus größere Bedeutung (...) für das Bildprogramm der Ffter Oper“ zu als früher angenommen, wie Christiane Wolf Di Cecca in ihrer Baumonographie des Opernhauses 1997 anhand der sämtlich erhaltenen Entwürfe von T. nachwies. Die dekorative Innenausstattung des Opernhauses ging infolge von Kriegszerstörung 1944 und Wiederaufbau als Alte Oper 1981 verloren; lediglich im Hauptfoyer (heute Restaurant) wurde die Dekoration teilrekonstruierend nachempfunden, u. a. eine Lünette mit dem Porträt des Architekten
Richard Lucae, die im Original von T. stammte. Mit einem weiteren Großauftrag war T. für die gesamte Innendekoration des Festsaals im Gesellschaftshaus des Palmengartens verantwortlich, wobei hier die großen Deckengemälde von
Eugen Klimsch angefertigt wurden (1879/80; völlig umgestaltet durch
Ludwig Neher, 1898; Original einer Türeinfassung als Gestaltungsbeispiel von T. bei der Restaurierung des Saals freigelegt und erhalten, 2009-12). Zudem entwarf T. ebenfalls 1879 die Friese für die Villa des befreundeten Bauunternehmers
Philipp Holzmann (vermutlich Villa Holzmann am Untermainkai 70, ein barockes Landhaus, das
Holzmann 1878 als Wohnhaus für sich erworben hatte und durch den Architekten
Heinrich Theodor Schmidt bis 1879 umbauen ließ; abgerissen für den Bau des Gewerkschaftshauses 1930/31). Im Oktober 1879 wurde T. als außerordentlicher Professor an die Königliche Technische Hochschule nach München berufen, wo er im April 1880 seine Antrittsvorlesung hielt. Bis mindestens Ende 1880 pendelte er jedoch zwischen München und Ffm., um seine Ffter Aufträge noch abzuschließen. Erst dann zog er endgültig nach München, wo er seitdem lebte und wirkte.
Spätere Bauten u. a.: Rheinbrücke (heute: Theodor-Heuss-Brücke) in Mainz (mit Bernhard Bilfinger, 1882-85; gesprengt 1945, wiedererrichtet 1948-50), Justizpalast in München (1887-97) und Kurhaus Wiesbaden (1905-07). Auch beteiligte T. sich an den Wettbewerben für das Empfangsgebäude des Ffter Hauptbahnhofs (1880; nicht ausgeführt) und für das Berliner Reichstagsgebäude (1. Preis, 1882; nicht ausgeführt). Sein umfangreichstes, allerdings nicht in allen Teilen realisiertes Bauprojekt führte T. wiederum in Ffm. aus. Als einen der größten zeitgenössischen Hallenbauten errichtete er von 1906 bis 1909 die Festhalle auf dem Ffter Messegelände. In der 11.000 Personen fassenden Halle mit ihrer gewaltigen, stählernen Dachkonstruktion überwiegt schon deutlich die funktionale Gestaltung gegenüber der historisierenden Ausstaffierung. Der ursprünglich geplante „Musikflügel“ mit weiteren Konzertsälen sowie ein Turm an der Nordostecke der Halle wurden nicht ausgeführt. Die im Zweiten Weltkrieg ausgebrannte Festhalle wurde 1949/50 leicht vereinfacht wiederhergestellt und im Zuge einer Sanierung von 2004 bis 2007 denkmalgerecht rekonstruiert.
Seit 1891 Mitglied der Preußischen Akademie der Künste in Berlin.
Nachlassbestände im Architekturmuseum der TU München und in der Bayerischen Staatsbibliothek in München.
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Frankfurter Biographie 2 (1996), S. 469f.,
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