Stammte aus württembergischer protestantischer Pfarrersfamilie. Sohn des Ffter Bürgers und Handelsmanns Johann
Carl Gottlob E. (1772-1831) und dessen dritter Ehefrau Johanna
Caroline (auch: Carolina) Henriette (auch: Henrietta), geb. Busemann (1799-1820), Tochter eines Ackermanns aus (Adelebsen-)Barterode/Hannover. Eine Halbschwester aus zweiter Ehe des Vaters:
Clementine Paulina (auch: Pauline) Christina (auch: Christine) E. (seit 1846 verh. Geißler, 1812-1855). Verheiratet (seit 1863) mit der in (Birstein-)Fischborn geborenen Müllerstochter Catharina (auch: Katharina) Elisabetha Friederike E., geb. Schäfer (1840-1878), die bei der Eheschließung aus Beyenheim im Großherzogtum Hessen [d. i. wohl (Reichelsheim-)Beienheim/Wetterau] nach Ffm. zog.
Der Vater Carl Gottlob E., Pfarrersohn aus Wolfenhausen/Württemberg, hatte das Ffter Bürgerrecht bereits 1803 auf Heirat mit der Bürgerstochter Johanna
Paulina Hoffmann (1782-1811), seiner ersten Ehefrau, erworben und kam 1806 aus Pforzheim nach Ffm., wo er sich mit einer Spezereihandlung selbstständig machte.
E. wuchs in der Altstadt auf und besuchte die Weißfrauenschule. Deren Gründer und Inspektor, Pfarrer
Anton Kirchner, hatte E. getauft und wurde ihm als Pädagoge (Anhänger
Pestalozzis) wie als Geschichtsschreiber offenbar zum Vorbild. Wie E. in der in seinem „Ffter Sagenbuch“ (1856) erschienenen autobiographischen Erzählung „Das lutherische Meßbüblein“ andeutet, waren seine Kinder- und Jugendjahre nicht leicht. Die Mutter starb im August 1820, als der kleine Karl noch kein Jahr alt war. Der Vater, innerhalb weniger Jahre zum dritten Mal verwitwet, blieb mit den beiden Kindern allein. Er „bekümmerte sich um des Söhnleins Treiben nicht allzuviel“ (Enslin: Ffter Sagenbuch 1856, S. 237), was dem Jungen gewisse Freiheiten ließ, die z. B. das in der Erzählung geschilderte Zwischenspiel als lutherischer Messdiener an St. Leonhard ermöglichten. Der Vater war wohl mit anderen Angelegenheiten beschäftigt: Bereits seit 1822 liefen gegen ihn Untersuchungen wegen betrügerischen Bankrotts. Die Vorgänge sind in den Kriminalakten (ISG, Criminalia 11239) dokumentiert. Carl Gottlob E. wurde schließlich zu anderthalb Jahren Gefängnis verurteilt und war 1826 für mehrere Monate in Haft auf der Konstablerwache, bis ihm aufgrund der Gnadengesuche, die er mit Rücksicht auf seine Kinder immer wieder gestellt hatte, die restliche Arreststrafe am 31.10.1826 erlassen wurde.
Nach dem Tod des Vaters im September 1831 erlitten „Karls Lebensverhältnisse eine totale, gewaltsame Umwandlung“ (Enslin: Ffter Sagenbuch 1856, S. 249). Der Nachlass des Vaters war „höchst unbedeutend“ (ISG, Nachlassakten 1831/3286). Für die verwaisten Kinder wurden Vormünder eingesetzt, für die noch nicht 19-jährige Tochter Clementine der Advokat
Johann Heinrich Bender und der Schlossermeister Johann Ludwig Seybert, für den gerade zwölfjährigen Sohn Karl der Advokat Wilhelm Carl Friedrich Textor und der Schreinermeister Johann Georg Heunisch; die beiden Handwerksmeister waren ein Mitbewohner bzw. ein Nachbar des Hauses Hinter den Predigern Lit. A 65 (später: Dominikanergasse 13), in dem die Familie ihre letzte Wohnung hatte. E. erhielt nach dem Besuch der Weißfrauenschule als evangelischer Volksschule, der in der Regel mit der Konfirmation endete, wohl keine geradlinige Ausbildung. Eigentlich wollte er der Familientradition folgen und Pfarrer werden: „Aber Schicksale, Lebensverhältnisse, Menschen traten der Erfüllung dieses Wunsches stets schroff und andersbestimmend entgegen.“ Ohne Eltern und Ratgeber habe er keinen Weg gefunden, worüber ihm „die rechte Lern-, Strebe- und Schaffenszeit (…) geradezu verloren gegangen“ sei, wie E. eher vage in seiner autobiographischen Erzählung schreibt. Erst relativ spät (mit über 20 Jahren) habe er mit Rat und Tat „von Frankfurt“ die „Hemmnisse“ in seiner geistigen Weiterbildung „bewältigen“ können. (Enslin: Ffter Sagenbuch 1856, S. 252.)
Letztlich absolvierte E. eine Ausbildung am Lehrerseminar in Esslingen. Danach kehrte er nach Ffm. zurück, zunächst als „Candidat des Lehrstandes“ (lt. Adr. 1841), bevor er dann über 30 Jahre lang als Lehrer an verschiedenen städtischen Schulen tätig war. Seit 1843 unterrichtete E. an der Weißfrauenschule, einer evangelischen Volks- bzw. (ab 1857) Bürgerschule, an der er die IV. (und damit unterste) Mädchenklasse als Hauptlehrer übernahm. Im Mai 1848 wurde er zum ordentlichen Lehrer befördert. Kurzzeitig (1851-52) war er zudem an der Musterschule beschäftigt. Als „ordentlicher Lehrer an den hiesigen evangelischen Volksschulen“ wurde E. am 2.11.1855 in das Ffter Bürgerrecht aufgenommen. Um diese Zeit betätigte er sich auch als zweiter Beisitzer in der Verwaltung der „Wittwen-Casse der Volksschullehrer“ (lt. Adr. 1855). 1860 wechselte E. an die St. Catharinenschule, wo er wiederum als Hauptlehrer eine Mädchenklasse leitete, jetzt die II. und damit eine höhere Klasse als früher an der Weißfrauenschule. Im Zuge einer Ffter Schulreform kam E. im November 1872 an die neu eröffnete Städtische Mädchenschule (Liebfrauenschule), die aus der bisherigen St. Catharinenschule hervorgegangen war. Aufgrund eines mehrjährigen Leidens, das seinen Gesundheitszustand immer bedenklicher werden ließ, konnte er jedoch ab Ostern 1873 nur wenige Unterrichtsstunden übernehmen. E. starb 1875 im Alter von 56 Jahren in seiner letzten Wohnung im Bornwiesenweg 5 im Nordend.
Verfasser von zahlreichen Gedichten, Liedern, Geschichten, Fabeln und Rätseln für Kinder und Jugendliche, veröffentlicht in Sammelbänden, u. a. „Gedichte für die Jugend“ (1846), „Unterhaltungen zwischen Eltern und Kindern in Räthselgesprächen“ (2 Bde., 1850), „Lebensfrühling. Gedichte für die Jugend“ (2., erw. Aufl. der „Gedichte für die Jugend“ 1851, 3. Aufl. 1859), „Neckräthselbuch. Räthselfragen und Volksräthsel zur Lust und Lehr’ für das reifende, begreifende Jugend-Alter von 10 bis 1000 Jahren“ (1854, 2. Aufl. 1856), „Lichtbilder aus dem Kindesleben. Erzählungen für die Jugend von sechs bis zehn Jahren“ (1855, 2. Aufl. 1858), „Lieder eines Kindes. Gedichte für die Jugend“ (1855), „Fromm und frei“ (Gedichte, 1856), „Moosblüthen. Poetische Erzählungen, Parabeln und Fabeln für die Jugend“ (herausgegeben „zum Besten des Ffter Pestalozzi-Vereins“, 1857), „Lustige Geschichten für Kinder von sieben bis zehn Jahren. Belehrend und erheiternd“ (1866, 2. Aufl. 1871) und „Großes Räthselbuch. Für die reifere Jugend“ (1872).
Vor allem die Kindergedichte von E. waren einst weitverbreitet, wozu nicht zuletzt deren frühzeitige und vielfache Vertonungen beitrugen.
Benedict Widmann, ein Ffter Lehrer und damit Kollege von E., vertonte zunächst 33 Gedichte aus dem Band „Lebensfrühling“, erschienen in einem Heft mit dem Untertitel „Kinderlieder von Karl Enslin, für Schule und Haus ein-, zwei- und dreistimmig componiert von
Benedict Widmann“ (1853), dem er ein zweites Heft mit „Jugendliedern“ aus demselben Buch folgen ließ (1858). Außerdem gab
Widmann unter dem Titel „Liederquelle“ insgesamt 100 „Gedichte für die Jugend“ von E. in vier Heften heraus (1854), für deren Melodien er „Original-Kompositionen“ bei verschiedenen Komponisten angefragt hatte, aber auch „Volksweisen“ verwendete. Weitere Vertonungen von Kindergedichten E.s stammen etwa von Friedrich Silcher, Carl Loewe („Der Abendstern“, „Das Sandkorn“, „Der Schwimmer“, „Schlittschuhlauf“ und „Der Schmied“ in „Lieder aus der Jugendzeit und Kinderlieder“, 1899) und
Max Reger („Herzenstausch“ in „Schlichte Weisen“, op. 76 Bd. I Nr. 5, EA 1904).
Heute sind die meisten Werke von E. vergessen. Eine Ausnahme ist seine Fassung des volkstümlichen Lieds „Guter Mond, du gehst so stille“, eigentlich ein Liebeslied, das er vollkommen zum christlich-erbaulichen Andachtslied umdichtete. Die neue Textfassung erschien unter dem Titel „An den Mond“ erstmals in E.s Gedichtband „Lebensfrühling“ (1851), war in der Vertonung im ersten Heft der von
Benedict Widmann herausgegebenen Liededition zum „Lebensfrühling“ (1853) enthalten und verbreitete sich schnell als Kinderlied. In der Version von E. wurde „Guter Mond, du gehst so stille“ auch von
Engelbert Humperdinck für Singstimme und Klavier vertont (1909).
Noch bekannt und beliebt ist vor allem aber das von E. verfasste Weihnachtslied „Kling, Glöckchen, klingelingeling“. E. schrieb den Text um 1850 unter dem Titel „Christkindchens Einlaß“. Zusammen mit einer Reihe von ungedruckten Kindergedichten überließ er ihn
Benedict Widmann zur Verwendung in der Sammlung „Liederquelle“, in deren zweitem Heft das Lied 1854 erstmals erschien, und zwar in einer Vertonung von
Wilhelm Speyer, die nicht der heute bekannten Melodie entspricht. Wenig später nahm E. das Gedicht auch in seinen eigenen Band „Lieder eines Kindes“ (1855) auf. Der Komponist der heutigen, nahezu volkstümlich gewordenen Melodie ist nicht überliefert; gelegentlich wird
Benedict Widmann als deren Schöpfer genannt, was jedoch auf einer Verwechslung beruhen dürfte. Eine weitere Version des Liedes komponierte Carl Reinecke („Christkindchens Einlaß“ op. 138 Nr. 2, 1875).
Von anderer nachhaltiger Wirkung war das von E. herausgegebene „Ffter Sagenbuch. Sagen und sagenhafte Geschichten aus Ffm.“ (1856, erw. Neuausgabe 1861). Es war bei seinem Erscheinen 1856 eine der beiden ersten Sagensammlungen für Ffm., zusammen mit dem „Sagenbuch der freien Reichsstadt Ffm.“ von
Georg Joseph Listmann, das im selben Jahr herauskam. Nach dem Vorbild der „Deutschen Sagen“ (2 Bde., 1816/18) von den Brüdern Grimm versammelte E. in seinem Buch insgesamt 75 Ffter Sagen, deren inhaltlicher Bogen sich von der Gründung der Stadt durch Karl den Großen bis zu dem eigenen Erlebnis des kleinen Karl als „lutherisches Meßbüblein“ spannt. Der Autor schöpfte dafür aus älteren Quellen, die er im Anhang nennt, wobei ihm die Chronisten
Lersner und
Kirchner als Hauptgewährsleute dienten. Von der Form her entsprechen E.s Texte jedoch weniger der „klassischen“ Vorstellung von Sagen. E. schrieb seine Sagenfassungen, anders als
Listmann in seinem vollständig gereimten Sagenbuch, zwar in Prosa, vermischte sie aber mit historischen Quellen und Artikeln, Liedern und Gedichten, Anekdoten und Plaudereien, eben bis hin zu der erwähnten autobiographischen Erzählung. Gelegentlich durchwob er sie mit einem aus heutiger Sicht etwas befremdlich erscheinenden Humor: „Manchen Text hat er [d. i. Karl Enslin] sich durch eine seltsame Art der Ironie selbst etwas verdorben.“ (Bode: Ffter Sagenschatz 1978, S. 273.) In seinem Nachwort betont E., dass er dennoch „das
Sagenhafte als den prinzipiellen rothen Faden“ seiner Sammlung festgehalten habe: „Der urkundliche oder traditionelle
Kern der Sage ist nirgends geändert; das Moderne dieses Buchs beruht nur in der sprachlichen Darstellung.“ (Enslin: Ffter Sagenbuch 1856, S. 288.) Während jene seinerzeit moderne sprachliche Darstellung inzwischen veraltet ist, hat das „Ffter Sagenbuch“ als Stoffsammlung historische Bedeutung erlangt. Seine Inhalte prägten über Generationen hinweg den Heimatkundeunterricht an Ffter Schulen.
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Frankfurter Biographie 1 (1994), S. 187,
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