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Chandelle, Dorothea

Unterschrift von Dorothea Chandelle

Unterschrift von Dorothea Chandelle
unter einer Petition an das Haus Thurn und Taxis (1833; in: Fürst Thurn und Taxis Zentralarchiv, Personalakte PA 1155).

© Fürst Thurn und Taxis Zentralarchiv, Regensburg.
Chandelle, Maria Dorothea Walpurgis, gen. Dorothé. Malerin. Diese Angaben konnten anhand von Dokumenten zweifelsfrei bestätigt werden.* 21.7.1784 Ffm., Diese Angaben konnten anhand von Dokumenten zweifelsfrei bestätigt werden.† 17.3.1866 Ffm.
Drittes Kind des wohlhabenden Thurn und Taxis’schen Oberpostamtssekretärs, Pastellmalers und Kunstsammlers Andreas Joseph C. (1743-1820) und dessen Ehefrau, der fränkischen Weinhändlerstochter Anna Rosina, geb. Wiesen (1752-1832). Onkel väterlicherseits: Mattheus (auch: Matthäus) Georg (seit 1816: von) C. (1745-1826), promovierter Theologe, seit 1818 Bischof von Speyer. Urgroßvater: Cornelius Andreas Donett (1683-1748), Bildhauer. Sieben Geschwister: Anna Gertrud Josefa C. (seit 1812 verh. Miot, 1780-1866); Maria Theresia Elisabeth C. (seit 1805 verh. Strauß, 1782-1834); Franz Josef C. (1785-1829), Oberpostamtssekretär in Ffm.; Matheus Georg Nepomucenus C. (1786-1853), Rentamtmann in Aschaffenburg; Josef Anton C. (1787-1831), Oberpostamtssekretär in Ffm.; Andreas Josef C. (1789-1821), Gerichtsaktuar in Aschaffenburg; Juliane Maria Anna Antonetta C. (seit 1815 verh. Perino, 1791-1862).
C. wurde 1784 in Ffm. wahrscheinlich in ihrem Elternhaus in der Alten Mainzer Gasse geboren und im Dom katholisch getauft. Ihre Taufpatin war Maria Anna Dorothea Penco, geb. Wiesen (1748-1814), Schwester der Mutter und Ehefrau des aus Nervi bei Genua stammenden Kaufmanns Johann Lorenz Penco (1739-1816). C. erhielt eine gute schulische Ausbildung, wie all ihre Geschwister, vermutlich durch einen Hauslehrer. Sie war jedoch das einzige der acht Kinder, das eine künstlerische Laufbahn einschlug. Ihre Begabung wurde früh durch den Vater erkannt. Von ihm wurde sie auch in der Pastellmalerei unterrichtet. Frühestes bekanntes Werk: „Mädchen am Bach in italienischer Landschaft“, das sie im Alter von neun Jahren schuf (1793). Ihre künstlerische Neigung dürfte im Elternhaus durch die Umgebung mit der väterlichen Kunstsammlung und den Austausch mit den Kunstfreunden des Vaters, wie z. B. Henrich Sebastian Hüsgen, Christian Georg Schütz d. Ä. und Johann Georg Schütz, gefördert worden sein. Vielleicht genoss Dorothea C. zeitweise Malunterricht bei Mitgliedern der Familie Schütz wie andere Ffter Malerinnen. Eine Ausbildungsreise ihrerseits ist nicht bekannt. C. fertigte im Auftrag Porträts und Heiligenmotive, obwohl sie zeitlebens nie die Berufsbezeichnung Malerin trug. Zudem kopierte sie aus der väterlichen Gemäldesammlung in Pastell. Ihre künstlerische Produktion erlitt einen Einbruch, als sie die Pflege der kranken Eltern übernehmen musste. Als unverheirateter Tochter, die bei den Eltern im Junghof (Lit. E 44) lebte, fiel ihr die Rolle der „helfenden Familienangehörigen“ zu. Ihr Vater starb 1820, ihre Mutter 1832 nach langer häuslicher Pflege. Danach war Dorothea C. selbst als Malerin erwerbsunfähig. Sie erfuhr mehrfache Unterstützung durch das Haus Thurn und Taxis bis zu ihrem Tod 1866. Ab etwa 1850 wohnte sie zusammen mit ihren verwitweten Schwestern Gertrud Miot und Juliane Perino am Garküchenplatz 7. C. machte in ihrer Lebensverzweiflung vier Testamente (1848, 1853, 1862, 1866). Zuletzt war sie nahezu erblindet.
Der Kunsthistoriker Lothar Brieger (1879-1949) zählte Andreas Joseph C. und dessen Tochter zu den hervorragendsten Ffter Pastellmalern: Dorothea C. sei „eine sehr fertige Pastellmalerin mit einer dem Vater fremden Neigung zur Allegorie“ gewesen. Das „Bildnis einer jungen Frau“ (1801), das aus dem Nachlass von Adolph von Holzhausen 1923 an das Städel Museum gelangte (Inventar-Nr. 1708), zeigt C.s früh entwickelte Könnerschaft im Porträt. 1809 schenkte Fürstprimas Carl Theodor von Dalberg ein Bild von ihr an das „Museum“ („Die Flehende“, heute im HMF, Inventar-Nr. B0365). Vielleicht als Dank für diesen Auftrag schuf C. 1809 ein Porträt Dalbergs (versteigert im Ffter Kunsthandel 1963). Im Jahr 1811 folgten „Johannes der Evangelist“ (HMF, Inventar-Nr. C100772) und ein Porträt des aufklärerischen Pfarrers Ernst Xaver Turin (1738-1810; Dom- und Diözesanmuseum Mainz, Inventar-Nr. M 15546). Aus dem Bereich der Mythologie malte C. 1817 „Danae“ (HMF, Inventar-Nr. C100773). 1820 entstanden die Porträts des Offiziers Johann Wilhelm Busch (1789-1877; HMF, Inventar-Nr. B0753) und seiner Frau Anna Maria Josepha, geb. von Müller (1799-1866; HMF, Inventar-Nr. B0754). Zur Herbstmesse 1827 war das Gemälde „Heilige Familie“ von C. im Katharinenkloster ausgestellt. Letztes bekanntes Werk von C. ist das Porträt des (mit der Malerin verwandten) Ffter Stadtgärtners Sebastian Rinz von 1844, das als Geschenk von Rosa Weber, einer Nachfahrin von Rinz, 1903 an das HMF kam (Inventar-Nr. B0950). Weitere Familienporträts sind in Privatbesitz.
C.s Cousin mütterlicherseits war der Ffter Jurist Johann Theodor Wiesen (1794-1875). Er organisierte 1833 und 1843 die Versteigerungen aus dem Kunstnachlass von Andreas Joseph C. zugunsten von dessen verwaisten Enkeln.
C.s Nichte Anna Rosina Elisabeth Strauß (1810-1864) heiratete 1827 den Straßenbauingenieur Georg Heinrich May (1790-1853), der zusammen mit seinem Vater, dem Hofkonditor Carl Joseph May (1747-1822), die Aschaffenburger Korkmodelle antiker Bauten verfertigte.
Eine andere Nichte von C., Christina Dorothea Perino (1817-1867), heiratete Franz Joseph Rinz (1818-1861), den jüngsten Sohn des Stadtgärtners Sebastian Rinz. Christina Dorotheas Bruder Johann German Perino (1828-1881) wurde zunächst (1841-45) am Städelschen Institut unter Jakob Becker zum Maler ausgebildet und war später als kaufmännischer Direktor der Cristallerie Wadgassen (seit 1883: Cristallerie Villeroy & Boch) zur Glasherstellung tätig.
C.s Nichte und Patentochter Anna Dorothea Walpurgis Theresia C. (1829-1897), Tochter des Bruders Josef Anton C., heiratete 1851 den Kupferstecher und Kunsthändler Georg Ludwig Kohlbacher (1826-1894), der von 1855 bis 1889 Inspektor des Ffter Kunstvereins war. Deren Tochter Anna Gertrude Kohlbacher (1857-1884) wiederum heiratete später (1879) den Landwirt Richard Joseph Friedrich Forsboom (1847-1918), dessen Vater Joseph Anton Wolfgang Forsboom (1817-1871) im Jahr 1866 der letzte Jüngere Bürgermeister der Freien Stadt Ffm. gewesen war.
Von C. sind eigenhändige Einträge in die Stammbücher ihrer Freundin Maria Franziska Clara Walpurgis Carli (seit 1802 verh. Krätzer, 1772-1821), einer Bankierstochter aus der Alten Mainzer Gasse, von 1801 (HMF, Inventar-Nr. St140) und ihres Bruders Matheus Georg C. von 1805 (HMF, Inventar-Nr. St31) überliefert.
Einzelne Werke von C. waren in jüngeren Ausstellungen in Ffm. und Umgebung zu sehen: „Die Flehende“ (1809) in der Ausstellung „Sklavin oder Bürgerin? Französische Revolution und Neue Weiblichkeit 1760-1830“ des HMF 1989 sowie das Bildnis der Anna Maria Josepha Busch (1820) in der Ausstellung „Frauen an der Staffelei“ bei der Ffter Sparkasse 1994 und der Museumsgesellschaft Kronberg 1995.

Artikel aus: Frankfurter Personenlexikon, verfasst von Andreas Hohm.

Lexika: Dessoff, Albert: Kunst und Künstler in Ffm. im 19. Jahrhundert. 2. Bd.: Biographisches Lexikon der Ffter Künstler im 19. Jahrhundert. Ffm. 1909.Dessoff, S. 25. | Gwinner, Philipp Friedrich: Kunst und Künstler in Ffm. vom 13. Jahrhundert bis zur Eröffnung des Städel’schen Kunstinstituts. Ffm. 1862. Ergänzungsbd. Ffm. 1867.Gwinner, S. 388f. | Thieme, Ulrich/Becker, Felix: Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. 37 Bde. Leipzig 1907-50.Thieme/Becker 6 (1912), S. 360.
Literatur:
                        
Brieger, Lothar: Das Pastell. Seine Geschichte und seine Meister. Berlin [1921].Brieger: Das Pastell 1921, S. 257f. | Eichler, Inge: Frauen an der Staffelei. Ein vernachlässigtes Kapitel Ffter Kunstgeschichte. Katalog zur Ausstellung im Kundenzentrum der Ffter Sparkasse. Ffm. 1994.Eichler: Künstlerinnen 1994, S. 53. | Ffter Blätter für Familiengeschichte. Hg. v. Karl Kiefer. 7 Jahrgänge. Ffm. 1908-14.Stammbaum der Familie Chandelle. In: Ffter Bll. f. Familiengesch. 5 (1912), H. 3, S. 47. | Ffter Sammler und Stifter. Eine Dauerausstellung des HMF (...). Ffm. 2012. (Schriften des HMF 32).Cilleßen, Wolfgang P.: Wechselseitiger Ideenvertrieb. Carl Theodor von Dalberg (1744-1817) und das „Ffter Museum“. In: Ffter Sammler u. Stifter 2012, S. 119-137, hier S. 120, 122, 125f. | Gambichler, Dagmar: Malerinnen und Kupferstecherinnen des Rhein-Main-Gebietes von 1780 bis 1850. Ausbildung und künstlerisches Schaffen zwischen Profession und Dilettantismus. Phil. Diss. Mainz 2000.Gambichler: Malerinnen u. Kupferstecherinnen d. Rhein-Main-Gebietes 2000, S. 49, 116, 354-356, 729-731. | Kunst in Hessen und am Mittelrhein. Hg.: Hessisches Landesmuseum Darmstadt (u. anfangs: Staatliche Kunstsammlungen Kassel). 37 Jahrgänge. Darmstadt 1961/62 (1962)-1996/97 (1998). Neue Folge. Bisher 12 Jahrgänge. Darmstadt 2005-19.Hohm, Andreas: Andreas Joseph Chandelle (1743-1820). Leben und Werk. In: Kunst in Hessen u. am Mittelrhein NF 9 (2016), S. 69-87. | Mitteilungen aus dem Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg. Hg. v. Hans-Bernd Spies. Bisher 10 Bde. sowie Sonder- und Beihefte. Aschaffenburg 1983-2013.Hohm, Andreas: Dorothea Chandelle (1784-1866). Eine vergessene Ffter Pastellmalerin der Dalbergzeit. Biografie und Werkverzeichnis. In: Mitt. aus d. Stadt- u. Stiftsarchiv Aschaffenburg 12 (2019), S. 31-57. | Mitteilungen aus dem Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg. Hg. v. Hans-Bernd Spies. Bisher 10 Bde. sowie Sonder- und Beihefte. Aschaffenburg 1983-2013.Hohm, Andreas: Neue Funde zu den Pastellmalern Andreas Joseph Chandelle (1743-1820) und Dorothea Chandelle (1784-1866) und ihren familiären Beziehungen zu Mainz und Aschaffenburg. In: Mitt. aus d. Stadt- u. Stiftsarchiv Aschaffenburg 15 (2022), S. 55-74. | Mitteilungen aus dem Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg. Hg. v. Hans-Bernd Spies. Bisher 10 Bde. sowie Sonder- und Beihefte. Aschaffenburg 1983-2013.Hohm, Andreas: Ein Aschaffenburger Apotheker und sein Schwiegersohn, der Korkmodellbauer: Professor Anselm Franz Strauß (1780-1830) und der Kgl. Bayerische Baurat Georg Heinrich May (1790-1853) – zwei komplexe Lebensläufe. In: Mitt. aus d. Stadt- u. Stiftsarchiv Aschaffenburg 16 (2024), S. 17-56. | Pfeiffer, Heribert: Wadgassen. Fast Vergessenes aus einem Glasmacherdorf. Wadgassen 2008.Pfeiffer: Wadgassen 2008, S. 11, 27-29. | Schmidt-Linsenhoff, Viktoria (Hg.): Sklavin oder Bürgerin? Französische Revolution und Neue Weiblichkeit 1760-1830. [Katalog zur Ausstellung des HMF.] Marburg 1989. (Kleine Schriften des HMF 44).Schmidt-Linsenhoff (Hg.): Sklavin oder Bürgerin? 1989, S. 675. | Wertvolle Bücher – Autographen, Graphik – Handzeichnungen, Gemälde – Antiquitäten. Auktion 14.-16. März 1963 [durch] Buch- und Kunstantiquariat H. O. Hauenstein. Ffm. 1963. (H. O. Hauenstein, Buch- und Kunstantiquariat, Auktion 48/49).Versteigerungskat. Hauenstein 1963, S. 146, Lot 2060.
Quellen: Fürst Thurn und Taxis Zentralarchiv, Regensburg.Fürst Thurn und Taxis Zentralarchiv, Personalakte PA 1155. | ISG, Bestand Nachlassakten (Best. H.15.15), 1813-1920; erschlossen über Archivdatenbank.ISG, Nachlassakten 1832/3.492 (Chandelle, Anna Rosina, geb. Wiesen, Witwe von Andreas Joseph Chandelle). | ISG, Bestand Nachlassakten (Best. H.15.15), 1813-1920; erschlossen über Archivdatenbank.ISG, Nachlassakten 1866/70 (Chandelle, Maria Dorothea Walpurgis). | Städelsches Kunstinstitut, Archiv, Ffm.Städelsches Kunstinstitut, Archiv, Schüler-Verzeichnisse des Städelschen Kunstinstituts, Bd. 3, S. 507.
Internet: Ffter Frauenzimmer, Hg.: Historisches Museum Fft., Redaktion: Ursula Kern, Ffm. http://frankfurterfrauenzimmer.de/cp10-detail.html?bio=bf
Hinweis: Artikel über Maria Dorothea Walpurgis Chandelle von Andreas Hohm, 2015.
Ffter Frauenzimmer, 3.10.2024.
| Jeffares, Neil: Dictionary of pastellists before 1800, London 2006 (Onlineausgabe). http://www.pastellists.com/Articles/ChandelleD.pdfJeffares: Dictionary of pastellists before 1800, 3.10.2024. | Städel Museum, Ffm. https://sammlung.staedelmuseum.de/de/person/chandelle-dorothea
Hinweis: Eintrag zu Dorothea Chandelle in der digitalen Sammlung.
Städel, 3.10.2024.
| Wikipedia, Die freie Enzyklopädie, Hg.: Wikimedia Foundation Inc., San Francisco/Kalifornien (USA). https://de.wikipedia.org/wiki/Dorothea_ChandelleWikipedia, 3.10.2024.

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Empfohlene Zitierweise: Hohm, Andreas: Chandelle, Dorothea. In: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe), https://frankfurter-personenlexikon.de/node/4770

Stand des Artikels: 6.10.2024
Erstmals erschienen in Monatslieferung: 10.2024.