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Plaut, Rudolf

Rudolf Plaut

Rudolf Plaut
Fotografie.

© unbekannt. Der/die Fotograf/-in ist auf der Bildvorlage nicht genannt. Die Vorlage trägt auch keine anderen Copyrightangaben.
Plaut, Ruben, gen. Rudolf (auch: Rudolph). Dr. phil. Rabbiner. Diese Angaben konnten anhand von Dokumenten zweifelsfrei bestätigt werden.* 31.1.1843 (Hünfeld-)Mackenzell bei Fulda, Diese Angaben konnten anhand von Dokumenten zweifelsfrei bestätigt werden.† 3.12.1914 Ffm.
Aus hessischer jüdischer Familie. Sohn des Viehhändlers und Haarkäufers Heinemann P. (1801/03-1889) und dessen Ehefrau Sara, geb. König (1810-1863). Der Vater war zugleich Religionslehrer, Vorbeter und Schächter (Schochet) am Ort. Verheiratet (seit 1869) mit Rosalie, gen. Rosa, P., geb. Glans (1851-1901). Mindestens elf Kinder (acht Töchter und drei Söhne); weitere drei Kinder sollen vor Übersiedlung der Familie nach Ffm. 1882 verstorben sein. Vater von Theodor P. Großvater von Richard Plant.
Rabbinische Ausbildung in Ffm., Hamburg und Mainz. Studium der Philosophie und orientalischen Sprachen in Leipzig. 1867 Promotion in Leipzig mit einer Arbeit über „Flavius Josephus und die Bibel“. Seit 1868 Rabbiner, zunächst in Schwersenz/Posen, von 1872 bis 1882 in Karlsbad. Louise von Rothschild, die in Karlsbad zur Kur weilte, soll ihn dort als hervorragenden Kanzelredner „entdeckt“ und nach Ffm. empfohlen haben. Seit 1882 wirkte P. als zweiter (liberaler) Rabbiner der Israelitischen Gemeinde an der Hauptsynagoge in Ffm., zunächst neben Nehemias Brüll, der zwar ein bedeutender Gelehrter war, aber bisher kaum Kontakt zur Gemeinde gefunden hatte. Als Seelsorger sollte P. die fehlende Publikumsnähe herstellen, was ihm auch gelang: Er war in Ffm. und in der Gemeinde sehr beliebt. Mit der Baronin Rothschild und ihrer Familie blieb er auch in Ffm. besonders verbunden. Wegen einer Augenerkrankung, die zur vollständigen Erblindung führte, wurde P. 1902 pensioniert. Sein Nachfolger als Rabbiner wurde Caesar Seligmann, der zwölf Jahre später – wie auch Bürgermeister Luppe – am Grab P.s sprach.
Mitglied im „Comité der Gesellschaft zur Erforschung jüdischer Kunst-Denkmäler“ (1897) und in der Loge zur aufgehenden Morgenröthe.
Zahlreiche Trauerreden von P. sind im Druck erschienen, u. a. anlässlich der Trauergottesdienste für die Kaiser Wilhelm I. und Friedrich III. in der Hauptsynagoge (beide 1888) sowie zum Gedächtnis für Hannah Louise von Rothschild (1892), Louise von Rothschild (1894) und Theodor Stern (1900). Auch übersetzte P. die Schrift „Me-ḥayil el ḥayil. Zur Belehrung und Erbauung für Schule und Haus“ (1892) von Clementine von Rothschild (1845-1865), zu deren Erinnerung die Mutter Louise von Rothschild das Clementine-Mädchen-Spital (heute: Clementine Kinderhospital) stiftete.
Von den drei bekannten Söhnen aus der Ehe von Rudolf und Rosa P. wurden zwei Mediziner, der Gastroenterologe Theodor P. (1874-1938), der nach dem Novemberpogrom 1938 unter ungeklärten Umständen ums Leben kam, und der Pathologe und Krebsforscher Alfred P. (1888-1962), der bereits 1919 in die USA übersiedelte. Der mittlere Sohn Georg P. (1883-1950) war promovierter Chemiker, wandte sich aber 1908 dem Musiktheater zu, zunächst als Kapellmeister, Regisseur und Dramaturg, und führte den Bühnennamen Georg Pauly, den er 1926 auch offiziell annahm. Er war u. a. Spielleiter und Dramaturg an der Opernbühne des Stadttheaters Breslau (1917-22), stellvertretender Intendant, Oberspielleiter und Dramaturg an der Städtischen Oper Berlin (1823-28) und Intendant des Stadttheaters Saarbrücken (1929-33); seit den 1920er Jahren war als Gastregisseur an renommierten Opernbühnen im Ausland tätig. 1935 emigrierte Georg Pauly nach Buenos Aires, von wo aus er seine Tätigkeit als Opernregisseur und -dirigent in Süd- und Mittelamerika erfolgreich fortsetzte; zuletzt war er Oberspielleiter am Nationaltheater und Dozent für Theaterwissenschaft an der Universität in La Plata. Sein Sohn aus der Ehe mit der Pianistin Hermine Pauly-Correns (1887-1973) war der Musikwissenschaftler und Geiger Reinhard Georg Pauly (1920-2019), der seit seiner Emigration aus Berlin 1937 in den USA lebte und arbeitete.
Zwei der acht namentlich nachgewiesenen Töchter von Rudolf und Rosa P., Adele (1876-1886) und Paula (1882-1903), starben früh. Die älteste Tochter, Frida (seit 1895 verh. Mechanik, 1873-1942), kam im Konzentrationslager Theresienstadt ums Leben. Die fünf anderen Töchter überlebten die NS-Zeit in der Emigration: Ella (seit 1900 verh. Baer, seit 1915 in 2. Ehe verh. Werner, 1880-1964) in den USA, Flora (seit 1900 verh. Gut, 1881-1964) in Schweden, Alice (verh. Kortschak, 1884-1972) in Honolulu, Hedwig (seit 1910 verh. Simon, 1885-1949) in den USA und Martha (seit 1914 verh. Schulz, 1887-1977) in England. Alice Kortschak war ihrem Mann, dem Violinisten Hugo Kortschak (1884-1957), schon um 1908 in die USA gefolgt; aus der Ehe stammte u. a. der Biologe Hugo Peter Kortschak (1911-1983), der auf dem Gebiet der Pflanzenphysiologie arbeitete und erstmals die C4-Photosynthese biochemisch untersuchte und beschrieb (1957). Martha Schulz, die mit dem Rechtswissenschaftler und -historiker Fritz Heinrich Schulz (1879-1957) verheiratet war, hatte zusammen mit dem jüngsten Bruder Alfred P. studiert und war ebenfalls promovierte Medizinerin.

Artikel aus: Frankfurter Personenlexikon, verfasst von Sabine Hock.

Lexika: Bibliographie zur Geschichte der Ffter Juden 1781-1945. Hg. v. der Kommission zur Erforschung der Geschichte der Ffter Juden. Bearb. v. Hans-Otto Schembs mit Verwendung der Vorarbeiten von Ernst Loewy u. Rosel Andernacht. Ffm. 1978.Bibliogr. z. Gesch. d. Ffter Juden, S. 557. | Richel, Arthur: Katalog der Abteilung Fft. [der Ffter Stadtbibliothek]. Bd. 2: Literatur zur Familien- und Personengeschichte. Ffm. 1929.Richel, S. 444. | Schrotzenberger, Robert: Francofurtensia. Aufzeichnungen zur Geschichte von Ffm. 2., vermehrte u. verbesserte Aufl. Ffm. 1884.Schrotzenberger, S. 287.
Literatur:
                        
Arnsberg, Paul: Die Geschichte der Ffter Juden seit der Französischen Revolution. Hg. v. Kuratorium für Jüdische Geschichte e. V., Ffm. Bearb. u. vollendet durch Hans-Otto Schembs. 3 Bde. Darmstadt 1983.Arnsberg: Gesch. d. Ffter Juden 1983, Bd. III, S. 347f. | Arnsberg, Paul: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang – Untergang – Neubeginn. Hg. v. Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Hessen Ffm. 3 Bde. Ffm. 1971-73.Arnsberg: Jüd. Gemeinden in Hessen 1971-73, Bd. 1 (1971), S. 405; Bd. 3 (1973), S. 99. | Arnsberg, Paul: Neunhundert Jahre „Muttergemeinde in Israel“. Ffm. 1074-1974. Chronik der Rabbiner. Ffm. 1974.Arnsberg: Neunhundert Jahre „Muttergemeinde in Israel“ 1974, S. 112, 117 (m. Abb. auf S. 115).
Quellen: Ffter Zeitung und Handelsblatt. Ffter Handelszeitung. Neue Ffter Zeitung. Ffm. (1856) 1866-1943.Nachruf in: FZ, Nr. 336, 4.12.1914, Zweites Morgenblatt, S. 3. | ISG, Einwohnermeldekartei („Nullkartei“), ca. 1870-1930.ISG, Nullkartei. | ISG, Dokumentationsmappe in der Sammlung S2 (mit Kleinschriften, Zeitungsausschnitten und Nekrologen zu einzelnen Personen und Familien).ISG, S2/4.319 (Familie Plaut). | ISG, Dokumentationsmappe in der Sammlung S2 (mit Kleinschriften, Zeitungsausschnitten und Nekrologen zu einzelnen Personen und Familien).ISG, S2/18.905 (Georg Pauly, bis 1926: Plaut).
Internet: BHR Biographisches Portal der Rabbiner (auf der Grundlage des Biographischen Handbuchs der Rabbiner), Salomon Ludwig Steinheim-Institut für deutsch-jüdische Geschichte an der Universität Duisburg-Essen, Essen. http://www.steinheim-institut.de/cgi-bin/bhr?id=1400BHR Biographisches Portal d. Rabbiner, 23.7.2024. | Hessische Biografie, Kooperationsprojekt des Instituts für Personengeschichte in Bensheim und des Hessischen Instituts für Landesgeschichte in Marburg zur Erstellung einer umfassenden personengeschichtlichen Dokumentation des Landes Hessen. https://www.lagis-hessen.de/pnd/139667415Hess. Biografie, 8.5.2021.

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Empfohlene Zitierweise: Hock, Sabine: Plaut, Rudolf. In: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe), https://frankfurter-personenlexikon.de/node/8483

Stand des Artikels: 10.5.2021
Erstmals erschienen in Monatslieferung: 05.2021.