Wie auch sein
Vater wird C. in den Quellen mit wechselnden Nachnamen genannt: sowohl Martin Hess als auch Martin Caldenbach (mit jeweiligen Variationen der Schreibweise). Auf einer von C. geschriebenen Seite im Fahrpforten-Zollbuch von 1514 (im ISG erhalten) setzte C. sein Monogramm MC unter die Datumszeile und gab dort seinen Namen als „Martin Caldennbach“ an. Von der Kunstwissenschaft wird er daher inzwischen als „Martin Caldenbach genannt Hess“ bezeichnet.
Ältester Sohn des Malers
Hans C. gen. Hess aus dessen Ehe mit Katharina, geb. von Bessenbach († 1526).
In dem 1526 verfassten Testament der Mutter ist vermerkt, dass C. auf die Lateinschule, wohl eine der drei Stiftsschulen in Ffm., ging. Für die Ausbildung der Söhne gaben die Eltern über 600 Gulden aus – mit gutem Erfolg: Martins drei jüngere Brüder wurden Priester (Christof), Söldnerhauptmann (Marx) und Sekretär im Dienst der Herren von Königstein (Daniel); der ältere Halbbruder Johannes (aus einer früheren Verbindung des Vaters) war Organist. Wahrscheinlich lernte Martin bei seinem
Vater in Ffm. das Malerhandwerk. In den Jahren um 1500 war er vermutlich auf Wanderschaft. Seine Bekanntschaft mit
Dürer sowie seine Kenntnis von dessen malerischem und druckgraphischem Werk legen den Schluss nahe, dass C. eine Zeitlang in
Dürers Werkstatt in Nürnberg tätig gewesen sein könnte. In den Ffter Quellen wird C. nach heutiger Kenntnis erstmals 1502 erwähnt. In diesem Jahr malte und stiftete sein Vater
Hans C. dem Rat der Stadt ein Bild mit dem „Jüngsten Gericht“ für den Schöffengerichtssaal im Römer, wo
Hans C. selbst als Fürsprech tätig war (Entwurf des Bildes im Besitz des Kupferstichkabinetts in Dresden erhalten). Für dieses Geschenk bekam der Sohn Martin, der sehr wahrscheinlich an der Ausführung des Gemäldes beteiligt war, vom Rat ein stattliches Trinkgeld.
Bereits 1504 bewarb sich C. um ein städtisches Amt, das neben den Honoraren aus dem Malerberuf ein regelmäßiges Einkommen gewährleistet hätte. Seine Bewerbung als einer der vier Visierer, d. h. städtischer Beamter, der für die Kontrolle des Handels mit in Fässern gelieferten Waren zuständig war, wurde offenbar zunächst abgelehnt, vielleicht aufgrund seiner Jugend oder wegen einer noch fehlenden Spezialausbildung. 1507 dann wurde C. zum Visierer gewählt und vereidigt. Dieses Amt hatte er elf Jahre lang, bis zu seinem Tod, inne. Die Zollstube der Visierer, in der sie abwechselnd Dienst leisteten, befand sich auf der Fahrpforte am Main. Hier, in direkter Nähe zum Hafen und zu den Handelsplätzen, führten die Visierer die Zollbücher, in die sie etwa die Einnahmen an Mahlgeld, Weinniederlage, Krangeld, Steinfuhr, Salzgeld, Steuer auf gesalzenen Fisch sowie Aufzeichnungen zu den steuerfreien Deputaten des Klerus und einzelner weltlicher Personen eintrugen; die Fahrpforten-Zollbücher von 1514 bis 1518, die Eintragungen von C.s Hand enthalten, sind im ISG überliefert.
1508 schwor C. den Bürgereid. Im selben Jahr heiratete er Anna, die möglicherweise die Tochter des Malerkollegen
Hans Fyol war. Wahrscheinlich blieb die Ehe kinderlos. Mit seiner Frau trug sich C. 1517 in das Rosenkranzbuch der Dominikaner ein, wo sie unter den Wohltätern des Klosters aufgeführt wurden. Im Frühsommer des Pestjahres 1518 ist C. im Alter von etwa 40 Jahren gestorben. Seine Witwe Anna heiratete bald darauf den Nürnberger Bildhauer Hans Studigel.
Aufmerksam auf C. wurde die kunstgeschichtliche Forschung (
Gwinner, 1862;
Thode, 1900) durch die lobenden Äußerungen
Albrecht Dürers über seinen Malerkollegen.
Dürer hatte 1509 das von ihm und seiner Werkstatt gemalte Thomasretabel an den Ffter Patrizier und Kaufmann
Jakob Heller liefern lassen, das in der Dominikanerkirche aufgestellt wurde. In dem regen Briefwechsel zwischen
Heller und
Dürer, der diesen Auftrag begleitete, erwähnte
Dürer C. zweimal: Einmal nennt er „Merten Heß“ als jemanden, der die Qualität des Retabels beurteilen könne [vgl. Rupprich (Hg.): Albrecht Dürer. Schriftl. Nachlass 1 (1956), S. 69, Nr. 16], und in einem anderen Brief lässt er „euern maller Marthin Hessen“ grüßen (vgl. ebd., S. 72f., Nr. 19). Archivalische Vorarbeiten von
Carl Gebhardt (1908/12) und weitere Quellenforschung in Ffm. durch
Walther Karl Zülch (1916/35) brachten Details zur Biographie des Ffter Malers hervor.
Nachdem in der
Dürer-
Heller-Korrespondenz der Ffter Maler Martin Hess erwähnt worden war, suchte man nach Werken dieses Künstlers. Das äußerst qualitätsvolle Bildnis des Ffter Patriziers Jacob von Stralenberg (auch: Stralenberger, Stralenburger; 1470-1516) aus dem Besitz der
Familie von Holzhausen – zunächst als „Holzhausen-Porträt“ benannt – wurde anfangs
Dürer selbst und wenig später einem Schüler des Nürnberger Meisters zugeschrieben. Der Städeldirektor
Heinrich Weizsäcker stellte 1902 die Vermutung auf, dass es sich bei diesem Schüler um den von
Dürer erwähnten Martin Hess handeln könnte, wofür Karl Simon, Direktorialassistent am Historischen Museum, 1926 weitere Anhaltspunkte lieferte.
Der in Ffm. tätige Kunsthistoriker
Walther Karl Zülch veröffentlichte 1916 einen Teil der kleinen ornamentalen Federzeichnungen, Sprüche und freien Texte in den Fahrpforten-Zollbüchern, die C. in seiner Funktion als Visierer angefertigt und teilweise mit seinem Monogramm MC signiert hatte. Archivalisch war zudem sicher tradiert, dass C. den Entwurf für den Holzschnitt mit dem kaiserlichen Doppeladler und dem städtischen Adler in der Ffter „Reformacion“, dem Stadtrecht von 1509, im Auftrag von
Jakob Heller geliefert hat. 1921/22 fand
Zülch einen weiteren Holzschnitt, den C. mit seinem Monogramm versehen hatte: das Widmungsblatt des Werks „Der Swangern frawen vnd hebamme(n) roszgarte(n)“ (1513; u. a. im Gutenberg-Museum in Mainz), des ersten bedeutenden Handbuchs zur Geburtshilfe in deutscher Sprache, verfasst von dem Ffter Stadtarzt
Eucharius Rösslin. Anhand stilistischer Merkmale dieser Werke sowie biographischer Anhaltspunkte wurden C. weitere Gemälde (u. a. durch
Weizsäcker, 1902, Rieffel, 1911, Simon, 1926) und Zeichnungen (u. a. durch Edmund Schilling, Leiter des Graphischen Kabinetts im Städelschen Kunstinstitut) zugeschrieben. Diese Zuschreibungen ebenso wie die ermittelten biographischen Daten wurden von Ursula Hüneke in ihrer Monographie zu C. 1965 überprüft und bewertet.
Zehn Federzeichnungen werden C. zugeschrieben:„Christus am Kreuz mit Maria und Johannes“ (um 1500; im Besitz des Kupferstichkabinetts in Berlin), „Maria und Johannes mit Heiligen am leeren Grab Christi“ (um 1505/10; im Besitz des Museums der bildenden Künste in Leipzig), „Heilige Katharina“ (datiert 1506; im Städel Museum), zwei Zeichnungen in den Fahrpforten-Zollbüchern von 1509 (Visiererwappen) und 1510 (geflügelte Krone; beide ehemals im Stadtarchiv Ffm., verbrannt bei den Luftangriffen 1944), „Zwei Liebespaare zu Pferde“ (um 1510; im Besitz des Kupferstichkabinetts in Berlin), „Sitzendes Paar in einer Landschaft“ (um 1510; im Besitz des Herzog Anton Ulrich-Museums in Braunschweig), der Entwurf für ein Retabel mit Szenen aus der Jakobuslegende (um 1510; im Museum Boijmans Van Beuningen in Rotterdam), „Schutzmantelmadonna“ (um 1505-10; im Nationalmuseum in Stockholm) sowie zuletzt „Der Traum des Paris“ (im Besitz des Städel Museums). Zudem befindet sich auf dem Vorderdeckel eines um 1500 geschriebenen und illustrierten Rüst- und Feuerwerksbuchs, das aus der Ratsbibliothek in die Ffter Stadt- und Universitätsbibliothek gelangte [UB Ffm., Signatur Ms. germ. qu. 14 (Ausst. 48)], ein großes Supralibros mit dem Besitzvermerk „Dis bvch gehort dem rade zv Francfort“ (in Majuskeln) und dem Wappen der Stadt, das als farbige Zeichnung lt.
Zülch sehr wahrscheinlich von C. ausgeführt wurde.
Drei Holzschnitte können mit C. in Verbindung gebracht werden: Außer den beiden bereits erwähnten, den Wappenadlern in der Ffter „Reformacion“ von 1509 und dem Widmungsblatt in „Der Swangern frawen vnd hebamme(n) roszgarte(n)“ des
Eucharius Rösslin (1513), die gesichert von ihm stammen, wird C. aus stilistischen Gründen das Titelbild des Mainzer Missale von 1507 mit einer Darstellung des heiligen Martin (in Privatbesitz in New York) zugeschrieben (vgl. Rosen, 1933).
Als Maler war C. als Wand- und Tafelmaler sowie Restaurator tätig. Die gemalte Sonnenuhr an der Südseite des Ffter Brückenturms, die 1502 dort angebracht worden war, wurde bereits 1510 durch C. erneuert und verbessert; fast genau 100 Jahre später wurde die Sonnenuhr von
Philipp Uffenbach erneut wiederhergestellt. Drei Gemälde schuf Martin C. sehr wahrscheinlich als junger Maler gemeinsam mit seinem Vater
Hans: „Heilige Anna Selbdritt mit den heiligen Nikolaus und Martin“ (um 1500; in der Liebfrauenkirche in Ffm.), das Epitaph für die Familie Heller mit der „Beweinung Christi“ (um 1504; als Leihgabe des Franziskanerklosters Paderborn im Erzbischöflichen Diözesanmuseum in Paderborn) sowie das Retabel für die Privatkapelle des Ffter Patriziers
Claus Stalburg und dessen Ehefrau Margarethe, geb. vom Rhein, in deren Familiensitz der Großen Stalburg am Kornmarkt (datiert 1504; im Städel Museum). Fünf weitere Gemälde werden C. zugeschrieben: das erwähnte Bildnis des Ffter Patriziers Jacob von Stralenberg mit Wappentafel (datiert 1506; seit 1923 Bildnis im Besitz des Städelschen Kunstinstituts und Wappendeckel im Besitz des HMF), das „Martyrium der heiligen Erasmus und Veit“ (um 1510; im Besitz des Museums der bildenden Künste in Leipzig), der Dreikönigsaltar (um 1510; im Besitz des Landesmuseums in Mainz, des Städel Museums und ehemals des County Museum of Art in Los Angeles), die Teile eines Jakobusaltars (um 1510/15; im Mainfränkischen Museum in Würzburg als Dauerleihgabe des Bayerischen Nationalmuseums in München und in einer europäischen Privatsammlung) und die „Darbringung Christi im Tempel“ (um 1510/15; im Besitz des HMF). Solange verschiedene Gemälde noch nicht mit C. in Verbindung gebracht werden konnten, wurden für den Maler zunächst die Notnamen „Meister des Holzhausen’schen Bildnisses“ (
Weizsäcker, 1902) und „Meister des Mainzer Dreikönigsbildes [bzw. Dreikönigsaltars]“ (Rieffel, 1911) eingeführt.
C. wohnte in der Kannengießergasse neben dem Haus Nideck, vielleicht in dem Haus zum Heer, das sein Vater
Hans 1492 erworben hatte. Im Nachbarhaus Löwenstein wohnte der Ffter Maler und Bildhauer
Mathis Grün, dem das Allerheiligenretabel aus der Ffter Leonhardskirche sowie das Albansretabel in der evangelischen Kirche in Kirchbrombach/Odenwald zugeschrieben wurden.
Verschiedene biographische Quellen zu C. sind im ISG erhalten.
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Frankfurter Biographie 1 (1994), S. 325,
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