Neuerscheinungen vom 10. Dezember 2019

Einleitung: 

Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser,

Kirchenmusik hat immer einen guten Klang. Gerade jetzt zur Weihnachtszeit wird sie überall gespielt, gesungen und gehört. Im alten Frankfurt beschäftigte der Rat der Stadt eigens einen Kapellmeister oder Konzertdirektor, der für die Musik an den Kirchen zuständig war und auch gleich die passenden Stücke für kirchliche und andere Anlässe zu komponieren oder wenigstens zu arrangieren hatte. Von einem aus der Reihe städtischer Kapellmeister handelt der diesmalige Artikel des Monats.

Artikel des Monats Dezember 2019:
Himmlische Melodien

Er schrieb Schlager für die evangelische Kirche: Georg Christoph Strattner. Wohl auf Fürsprache des Seniors Philipp Jakob Spener, des Begründers des Pietismus, wurde der bisherige badische Hofkapellmeister 1682 an die Barfüßerkirche in Frankfurt berufen. Zu seinen künftigen Aufgaben als städtischer Kapellmeister gehörte die Aufsicht über die Musik in allen Kirchen und am Gymnasium, die Ausbildung von Kapellknaben und die Tätigkeit als Tenorsänger. Während seiner Frankfurter Zeit vertonte Strattner alle 64 Lieder für die 1691 erschienene Neuausgabe des Gesangbuchs von Joachim Neander, dem pietistischen Kirchenlieddichter, dessen Werk wegweisend für den evangelischen Kirchengesang wurde. Die Kirchenlieder von Strattner zeichneten sich durch arienhafte Melodien aus, weshalb sie nicht nur besonders eingängig gewesen, sondern auch als gefühl- und stimmungsvoll angekommen sein mögen. Bis heute ist eines der von ihm in Frankfurt komponierten Lieder im Evangelischen Kirchengesangbuch enthalten: „Himmel, Erde, Luft und Meer“ (EG 504).
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Schluss: 

Der Abschied Strattners von Frankfurt 1692 war allerdings unrühmlich: Infolge einer Ehebruchsaffäre wurde er entlassen und der Stadt verwiesen. Trotz aller Bittgesuche, auch seiner Frau Anna Elisabetha, konnte er seine Wiedereinstellung nicht erreichen, obwohl der Posten des städtischen Kapellmeisters lange unbesetzt blieb. Der Rat der Stadt bewahrte in dieser Angelegenheit seine moralische Haltung. Strattner fand erst zwei Jahre später wieder Arbeit, zunächst als Tenorist in Weimar. Das eigentliche Opfer in der Geschichte dürfte jedoch Elisabeth Erlenbach gewesen sein. Die erhaltene Kriminalakte im Institut für Stadtgeschichte dokumentiert den Tatbestand der „Unzucht“ des Kapellmeisters Strattner und des Musikers Blattenschläger mit der Dienstmagd Elisabeth Erlenbach, die in der Folge von Blattenschläger schwanger geworden war.
Seit einiger Zeit nimmt sich die moderne Sozialgeschichtsschreibung solchen und ähnlichen Fällen aus der städtischen Kriminalhistorie an. Prominentestes Beispiel ist wohl die „Kindsmörderin“ Susanna Margaretha Brandt, das Vorbild für Goethes Gretchen, deren Biographie inzwischen angemessen und vorurteilsfrei dargestellt ist. Vielleicht kann die Geschichtsforschung auch im Falle der Elisabeth Erlenbach, der geradezu erschreckend aktuelle Bezüge aufzuweisen scheint, dem Opfer das Gesicht wiedergeben.

Nach diesem ernsten Exkurs fällt es schwer, hier an der Stelle zum redaktionellen Alltag zurückzufinden. Dennoch sei der Hinweis gestattet, dass der neue Beitrag über Georg Christoph Strattner den chronologischen Auftakt zu einer Artikelreihe im Frankfurter Personenlexikon bildet, die damit zugleich vorläufig abgeschlossen ist. Die von Roman Fischer verfasste Reihe stellt die ansonsten ehrenwerten und auch berühmten Kirchenmusikdirektoren und Kapellmeister der Stadt Frankfurt am Main im 18. Jahrhundert vor: Johann Philipp Telemann, Johann Christoph Bodinus, Johann Balthasar König, Heinrich Valentin Beck, Johann Heinrich Steffan, Johann Christoph Fischer und Johann Conrad Seibert.

Es steht zu vermuten, dass alle der Herren Kapellmeister im Dienste der Stadt Frankfurt am Main auch Weihnachtsmusik komponiert haben, was aber noch genauer zu prüfen wäre. Im Namen des Frankfurter Personenlexikons stimme ich derweil in den so oft vertonten Gruß der himmlischen Heerscharen aus der Weihnachtsgeschichte ein und wünsche uns allen Friede auf Erden.

Mit den allerbesten Grüßen und Wünschen zu den bevorstehenden Festtagen
Ihre Sabine Hock
Chefredakteurin des Frankfurter Personenlexikons

P. S. Die nächste Artikellieferung erscheint am 10. Januar 2020.