Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser,
in dieser Lieferung des Frankfurter Personenlexikons erscheinen einige wichtige Artikel aus der „Frankfurter Biographie“ in vollkommen überarbeiteter und aktualisierter Fassung. An deren chronologisch erster Stelle steht der neueste Artikel des Monats, der uns zurück bis ins 16. Jahrhundert führt, um den einflussreichen und illustren Frankfurter Stadtsyndikus Heinrich Kellner vorzustellen.
Artikel des Monats August 2023:
Gesetzgeber, Geschichtsforscher, Grafikensammler
Er war einer der typischen gelehrten Advokaten und der geschicktesten Diplomaten seiner Zeit: Heinrich Kellner. Der Vater, ein vermögender Handelsherr aus Erfurt, der in das Frankfurter Patriziat eingeheiratet hatte, konnte es sich leisten, seinen jüngsten Sohn (von acht Kindern) zum Studium in die Welt zu schicken. So studierte Heinrich Kellner ab 1554 die Rechtswissenschaften an den Universitäten in Löwen, Leipzig, Orléans, Bourges, Padua und Ferrara bei den berühmtesten Köpfen in Europa, und nebenbei reiste er zur Vervollkommnung seiner Bildung umher, zuletzt durch Italien. Nach seiner Promotion 1563 kehrte der 27-Jährige in seine Geburtsstadt Frankfurt zurück, wo er als Anwalt schnell Karriere machte.
Im Februar 1574 zum Stadtsyndikus ernannt, gehörte Kellner zu den Mitherausgebern der von Johann Fichard verfassten „Frankfurter Reformation“ von 1578 und damit zu den Gesetzgebern der Reichsstadt. Schon bald vertrat er die Stadt auch in diplomatischen Fragen vor dem Kaiser und etwa auf Reichstagen. 1576 erreichte er beim Kaiser in Wien, dass weder ein durch Spekulationsgeschäfte in Misskredit geratener Großkaufmann noch ein kaiserlicher Günstling das begehrte Frankfurter Stadtschultheißenamt erhielt; stattdessen setzte er die Ernennung seines älteren Bruders Johann Kellner zum Stadtschultheißen durch. Später (1585) arbeitete Heinrich Kellner eine Registratur für den städtischen Schriftverkehr aus, so dass er zu den Gründervätern des Stadtarchivs (des heutigen Instituts für Stadtgeschichte) gezählt werden kann.
Neben seinem Beruf verfolgte Kellner breit gefächerte Interessen, erforschte die Geschichte seiner Familie und veröffentlichte 1574 zwei Bücher über Venedig, dessen Verfassung er, der Frankfurter Stadtstaatsbürger, für vorbildlich ansah. Auch sammelte er eifrig Bücher und Grafiken. Zwei der „Klebebände“, in denen er seine Bilder zusammentrug, sind in der jetzigen Frankfurter Universitätsbibliothek überliefert. Dort findet sich außerdem eine ganze Reihe von Büchern aus Kellners ehemaliger Bibliothek. Manchmal hat Kellner selbst etwas hineingeschrieben oder an den Rand gekritzelt. In dem Band „Quadrupedes vivipares“ (Lebendgebärende Vierfüßer) der „Historiae animalium“ (Tierkunde) von Conrad Gessner aus dem Jahr 1551 etwa korrigierte er in einer Randnotiz die Angaben zum Elefanten. Immerhin hatte Kellner einen solchen Vierfüßer anlässlich des Reichstags in Speyer 1570 mit eigenen Augen gesehen.
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Weitere grundlegende Neufassungen von Beiträgen aus der „Frankfurter Biographie“ sind die Artikel über den Bakteriologen Max Neisser, den ersten Direktor des 1909 gegründeten Hygienischen Instituts in Frankfurt, sowie über den Komponisten Joachim Raff und den Dirigenten Ludwig Rottenberg, die zugleich die Musikerreihe im Frankfurter Personenlexikon fortschreiben. Der Artikel über Joachim Raff, Gründungsdirektor der 1878 eröffneten Musikschule „Dr. Hoch’s Konservatorium“, entstand wieder in Kooperation mit dem Projekt „Musikstadt Frankfurt“ der Frankfurter Bürgerstiftung und dessen Leiterin Ulrike Kienzle, die als Verfasserin des Beitrags eng mit der Joachim-Raff-Gesellschaft in Lachen am Zürichsee zusammenarbeitete, um den aktuellsten Forschungsstand bieten zu können. Über Ludwig Rottenberg, der als Erster Kapellmeister für mehr als drei Jahrzehnte ab 1893 das hohe künstlerische Niveau des Frankfurter Opernhauses bestimmte und u. a. vier Opern von Franz Schreker bei ihrer Uraufführung in Frankfurt dirigierte, hat Susanne Schaal-Gotthardt für das FP geschrieben, die Direktorin des Hindemith Instituts in Frankfurt, die bei der Recherche für den Artikel auf wichtige Bestände dieses Instituts – wie den Nachlass Rottenbergs – zurückgreifen konnte. Denn nicht zuletzt war Ludwig Rottenberg der Schwiegervater von Paul Hindemith.
Zu den echten Neuzugängen des Monats August im Frankfurter Personenlexikon zählt u. a. der Silberschmied und Produktdesigner Christian Dell, der als Leuchtengestalter im Neuen Frankfurt bekannt wurde und heute auch als Pionier auf dem Gebiet des Kunststoffdesigns gewürdigt wird. Ebenfalls neu im FP ist der abstrakte Künstler Ernst Weil, ein gebürtiger Frankfurter, dem das Museum Giersch der Goethe-Universität derzeit – noch bis zum 27. August – die umfassende Retrospektive „Spontan und konstruktiv“ widmet.
Dass Sie, liebe Leserinnen und Leser, Ihre Sommerpause auch bei anhaltendem Regenwetter mit dem Frankfurter Personenlexikon kreativ gestalten können, dafür haben die Autorinnen und Autoren im vergangenen Monat mit besonderem Einsatz gesorgt. Allen Artikelschreibenden sei an dieser Stelle einmal ganz herzlich für ihr Engagement zugunsten des Projekts gedankt.
Beste Sommergrüße
Sabine Hock
Chefredakteurin des Frankfurter Personenlexikons
P. S. Die nächste Artikellieferung erscheint am 10. September 2023.