Neuerscheinungen vom 10. November 2023

Einleitung: 

Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser,

die Geschichte der Sportstadt Frankfurt ist seit den 1990er Jahren zunehmend in den Blick der historischen Wissenschaft, Forschung und Vermittlung gerückt. So waren in der Buchausgabe der „Frankfurter Biographie“ von 1994/96 zwar schon ein paar, aber doch eher wenige Artikel aus dem Bereich des Sports vertreten. Dem seitdem stark gewachsenen stadt- und kulturhistorischen Interesse am Sport begegnet das Frankfurter Personenlexikon, indem es in loser Folge eine Serie mit Biographien von Sportlerinnen und Sportlern aus der Frankfurter Geschichte veröffentlicht. Kürzlich sind etwa Beiträge über den Tauzieher und Leichtathleten Willy Dörr, den Ruderer Achilles Wild und den Fußballer Richard Kreß neu erschienen. Die Sportreihe des FP setzt nun der aktuelle Artikel des Monats fort, der an einen großen Star am Frankfurter Fußballhimmel erinnert.

Artikel des Monats November 2023:
Don Alfredo mit dem Koks

Er war der Kapitän der Meistermannschaft von Eintracht Frankfurt und einer der Helden von Bern: Alfred Pfaff. Im Alter von zehn Jahren hatte der Rödelheimer Bub mit dem Fußballspielen bei der Eintracht begonnen. Als 16-Jähriger gab er 1943 sein Debüt in deren erster Mannschaft. Nach Kriegsdienst und -gefangenschaft kehrte Pfaff auf kurzen Umwegen 1949 zur Eintracht zurück. In den kommenden zwölf Jahren bestritt der herausragende Techniker insgesamt 301 Spiele (mit 103 Toren) für Eintracht Frankfurt in der damals erstklassigen Oberliga Süd. Zudem wurde der Frankfurter von Trainer Sepp Herberger in die bundesdeutsche Nationalmannschaft geholt, zu deren Kader er bei der Fußballweltmeisterschaft 1954 gehörte. Allerdings kam Pfaff bei diesem Turnier nur einmal zum Einsatz. Normalerweise war seine Spielposition nämlich im Nationalteam schon besetzt – von Fritz Walter.
Legendär wurde Pfaff durch seine größten Erfolge mit Eintracht Frankfurt: den Gewinn der Deutschen Meisterschaft 1959 und die Teilnahme am Endspiel um den Europapokal der Landesmeister 1960. In dieser Zeit bekam der Frankfurter auch sein Markenzeichen und seinen Spitznamen: Nach dem Sieg der Eintracht über die Glasgow Rangers im Europapokal-Halbfinale überreichte der Direktor der gegnerischen Mannschaft seinen Hut – einen Bowler oder auch „Koks“, wie man in Frankfurt sagte – auf einem silbernen Tablett an Pfaff und ernannte den Spielmacher zu „Don Alfredo“, womit er auf den damaligen Real-Madrid-Star Alfredo di Stéfano anspielte. Im Finale gegen Real Madrid musste sich die Eintracht zwar mit 7 : 3 geschlagen geben, aber das Match ging dennoch als „Jahrhundertspiel“ in die Vereins- und in die Fußballgeschichte ein.
Trotz lukrativer internationaler Wechselangebote blieb Alfred Pfaff der Eintracht bis zum Ende seiner aktiven Fußballerkarriere 1961 treu. Auch nach seinem Abschied trafen sich die Eintrachtler noch gerne bei ihm. Denn im Hauptberuf führte Pfaff eine Gaststätte, seit 1956 im damals neu eröffneten „Parkhaus Hauptwache“ in der Frankfurter Innenstadt. Wenn es das Geschäft im Lokal erforderte, soll der Chef früher sogar manchmal seine Teilnahme an Länderspielen abgesagt haben.
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Schluss: 

Eine weitere wichtige Reihe im FP widmet sich in Kooperation mit dem Projekt „Musikstadt Frankfurt“ der Frankfurter Bürgerstiftung den Biographien von Musikerinnen und Musikern. In dem Rahmen erscheint diesmal ein Artikel über den bedeutenden Dirigenten Clemens Krauss, der als Intendant der Oper von 1924 bis 1929 in Frankfurt wirkte und hier den Grundstein für seine spätere internationale Karriere legte, wobei seine Haltung in der Zeit des Nationalsozialismus durchaus kritisch betrachtet wird.

Den Auftrag des Gedenkens an die Opfer der nationalsozialistischen Herrschaft erfüllen drei Artikel der aktuellen Lieferung. Gustav Embden, Pionier der Biochemie und Stoffwechselforschung, war einer der bedeutendsten Wissenschaftler an der Medizinischen Fakultät der neu gegründeten Frankfurter Universität. Zwischen 1923 und 1933 wurde er insgesamt zwölfmal für den Nobelpreis nominiert. Im April 1933 soll Embden von Anhängern des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbunds aus dem von ihm geleiteten Institut für vegetative Physiologie geschleppt und mit einem Schild „Ich bin ein Jude“ durch die Stadt getrieben worden sein. Dass es solche Demütigungen waren, die zu seinem baldigen Tod beitrugen, ist nicht erwiesen, aber wahrscheinlich.
Sophie Ennenbach, eine linke Sozialdemokratin, die sich früh für die Rechte der Frauen engagiert hatte und zeitweise für die SPD in der Stadtverordnetenversammlung saß, verlor sofort nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 ihre Stelle beim städtischen Arbeitsamt. Auch ihre Tochter wurde wegen der „politischen Unzuverlässigkeit“ der Mutter aus städtischen Diensten entlassen. Nach einer Zwischenstation in Chemnitz zogen die beiden Frauen nach Berlin, wo sie sich im Widerstand gegen das NS-Regime engagierten. Über die Tochter Rose Schlösinger, die 1942 von der Gestapo verhaftet und am 5. August 1943 in Plötzensee hingerichtet wurde, erschien in der vorigen Monatslieferung des Frankfurter Personenlexikons ein neuer Artikel.
Ernst E. Hirsch, ein junger Jurist, der gerade in eine glänzende Karriere als Richter am Land- und Amtsgericht sowie als Dozent an der Universität in Frankfurt gestartet war, emigrierte nach dem Berufsverbot durch die Nationalsozialisten 1933 in die Türkei. Dort wurde er zum „Vater des türkischen Handelsrechts“. Pläne, ihn nach 1945 an die Frankfurter Universität zurückzuholen, scheiterten. Als Professor an der Freien Universität Berlin begründete Hirsch das Fach der Rechtssoziologie in der Bundesrepublik mit.

Auch wenn es im FP stets Reihen gibt, die sich zur Geschichte verbinden, und Themen, die uns nicht loslassen, so ist doch jede Biographie einzigartig. Deshalb ist es immer aufs Neue spannend, im Frankfurter Personenlexikon zu lesen, weshalb ich Sie auch heute wieder gern dazu einlade.

Beste Grüße – und bleiben Sie gesund!
Sabine Hock
Chefredakteurin des Frankfurter Personenlexikons

P. S. Die nächste Artikellieferung erscheint am 10. Dezember 2023.