W.s aus Baden stammender Vater
Hermann W. hatte in Argentinien innerhalb weniger Jahre einen weltweit operierenden Getreidegroßhandel aufgebaut.
W. kam 1907 aus Buenos Aires nach Ffm., wo er zunächst bei seiner Großmutter mütterlicherseits wohnte und seitdem das Goethe-Gymnasium besuchte. Seine Familie folgte ihm 1908 nach. Die Eltern wollten hier eine Erkrankung durch die gerade entscheidend weiterentwickelte Chemotherapie behandeln lassen. Während seiner Schulzeit befreundete sich W. mit
Leo Löwenthal und lernte vermutlich über ihn auch
Theodor W. Adorno und
Siegfried Kracauer kennen. Nach dem Abitur immatrikulierte sich W. 1916 an der staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Ffm. Zusätzlich zu seinem Studium, burschenschaftlichem Engagement und einer Assistententätigkeit beim Vater erreichte er es, trotz argentinischer Staatsangehörigkeit in den letzten beiden Kriegsjahren freiwillig und unentgeltlich auf dem Heeresamt als Büro-Offizier und Wirtschaftsreferent Dienst leisten zu können.
Unter dem Eindruck der Novemberrevolution 1918 wandte sich W. dem Sozialismus zu. Ein Schlüsselerlebnis war die Lektüre des Erfurter Programms der SPD. Spontan stellte er sich dem Arbeiter- und Soldatenrat in Ffm. zur Verfügung und beteiligte sich an der Erstürmung eines Maschinengewehrdepots in der Festhalle. Vom Ffter Polizeipräsidenten
Hugo Sinzheimer, der W. von dessen Tätigkeit im Studentenausschuss kannte, wurde er zum Kommandanten der polizeilichen Streifenwagen ernannt. 1919 verließ W. Ffm., um an der Tübinger Universität bei dem Sozialisierungsexperten Robert Wilbrandt zu promovieren. Er wurde jedoch noch im selben Jahr als einer der führenden Köpfe der sozialistischen Studentenbewegung und Ausländer wegen politischer Tätigkeit aus Württemberg ausgewiesen und musste nach Ffm. zurückkehren. Das Tübinger Jahr hatte prägenden Einfluss auf W.s spätere politische Zielsetzung. Die Promotion führte W. 1920 in Ffm. bei dem Volkswirtschaftler Adolf Weber zum Abschluss. In seiner Dissertation behandelte er ein Modell der Sozialisierung, das versucht, die planmäßige Verwaltung der Produktion und der Verteilung durch den Staat mit der Beteiligung von Produzenten und Konsumenten in Einklang zu bringen.
Ab 1922 verhandelten W. und sein Vater mit dem Preußischen Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung über die Gründung eines Instituts für Sozialforschung; als dessen Träger wurde die „Gesellschaft für Sozialforschung e. V.“ ins Leben gerufen. 1923 finanzierte und organisierte W. die „Erste Marxistische Arbeitswoche”, zu der sich u. a. Karl Korsch,
Friedrich Pollock, Karl August Wittfogel, Richard Sorge,
George Lukács und Konstantin Zetkin im thüringischen Ilmenau trafen. Im Juni 1924 folgte die Eröffnung des der Ffter Universität angegliederten Instituts für Sozialforschung, zu dessen Gründern W. zählte und das er, dank seines beträchtlichen mütterlichen Erbteils, gemeinsam mit dem Vater finanzierte.
Zuvor hatte er sich intensiv mit dem spektakulären Gebäudeentwurf des Architekten
Franz Roeckle beschäftigt. Das 1944 schwer beschädigte Institut lag ursprünglich an der Viktoriaallee (heute: Senckenberganlage)/Ecke Bockenheimer Landstraße, etwa schräg gegenüber dem späteren, 1951 eröffneten Neubau. Als erste wissenschaftliche Forschungseinrichtung Westeuropas setzte sich das Institut mit dem Marxismus auseinander. Gleichzeitig bildete es eine Grundlage für die Arbeit der ebenfalls 1924 gegründeten Marx-Engels-Archivgesellschaft mbH zur Förderung und Herausgabe der Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA), deren Geschäftsführung W. gemeinsam mit
Friedrich Pollock übernahm. Neben kleineren wissenschaftlichen Arbeiten im Rahmen des Institutsprogramms widmete sich W. dem Aufbau der umfangreichen und wertvollen Bibliothek für die Geschichte der Soziologie, der Arbeiterbewegung und des Sozialismus.
1929 zog W. nach Berlin. Neben verschiedenen mäzenatischen Tätigkeiten ermöglichte er dort Erwin Piscator die zweite Gründung der Piscator-Bühne. Um die Publikation linker theoretischer Literatur zu fördern, gründete W. noch 1929 die Soziologische Verlagsanstalt, in der u. a. die Werke von Franz Mehring herausgegeben wurden. Er unterstützte den Maler George Grosz und den Malik-Verlag.
Aufgrund des Wahlerfolgs der Nationalsozialisten in Ffm. traf W. 1931 Vorbereitungen, eine Zweigstelle des Instituts für Sozialforschung in Genf zu gründen. Noch im selben Jahr übersiedelte er vorrangig aus geschäftlichen Gründen nach Argentinien. Ab 1932 beriet W. die dortige Regierung in Wirtschaftsangelegenheiten und war an der Ausarbeitung der Steuergesetzgebung für Argentinien beteiligt. Er hielt Vorlesungen am College of Superior Studies über Rationalisierungs- und Steuerfragen und war Mitbegründer der Pestalozzi-Schule in Buenos Aires. 1935 jedoch hatten die Widerstände gegen seine politische Tätigkeit in Argentinien so gefährliche Züge angenommen, dass W. sich gezwungen sah, in die Vereinigten Staaten zu emigrieren. In New York traf er erneut mit
Max Horkheimer und
Theodor W. Adorno sowie Erich Fromm,
Herbert Marcuse und anderen Mitarbeitern des 1933 von Nationalsozialisten beschlagnahmten Instituts für Sozialforschung zusammen, das seinerseits tatsächlich zunächst in Genf, ab 1934 an der Columbia University in der Emigration arbeitete und nunmehr als International Institute of Social Research breite wissenschaftliche Anerkennung erwarb. W., der auch während seiner Abwesenheit das Institut mit einem großen Teil seines Vermögens unterstützt hatte, wirkte dort in den folgenden Jahren zuerst als „guest member”, nach seiner endgültigen Wohnsitznahme in New York 1941 als Vollmitglied. 1945 nahm er die US-amerikanische Staatsbürgerschaft an und ließ sich in Kalifornien nieder. Er führte zwar gemeinsam mit
Friedrich Pollock 1946 noch die ersten Verhandlungen über die Rückkehr des Instituts nach Ffm., schloss jedoch eine Rückkehr für sich selbst aus.
In Kalifornien erwarb sich W. in den folgenden Jahren einen Ruf als Sachverständiger der Demokratischen Partei für Fragen des öffentlichen Haushalts und als Fachkolumnist für Steuerfragen. Nach Ffm. kam er zweimal kurz zurück, 1951 als Besucher zur Einweihung des neuen Gebäudes des Instituts für Sozialforschung und 1969 als Durchreisender auf dem Weg nach Ramstein/Rheinland-Pfalz, wo er bis 1973 Kurse am Education Center der US-amerikanischen Luftwaffe zu politischen, sozialwissenschaftlichen und steuerrechtlichen Themen hielt. Bei seiner Ankunft auf dem Ffter Flughafen 1969 zollte er in einem Interview den damaligen Studentenunruhen Respekt. 1975 starb W. während der Niederschrift seiner „Erinnerungen” in Delaware.
Veröffentlichungen zu gesellschafts- und finanzpolitischen Themen. Hauptwerk: „The Argentine Riddle” (1944).
Das zweiteilige Typoskript seiner fragmentarisch gebliebenen „Erinnerungen”, die unter dem Titel „Aus der Art geschlagen” beim Fischer Verlag in Ffm. erscheinen sollten, ist im ISG überliefert.
1963 Ehrenplakette der Stadt Ffm. und Ehrenmitgliedschaft im Institut für Sozialforschung.
Gemälde „Porträt eines jungen Mannes” („Porträt Dr. Felix Weil”; von George Grosz, 1926) im Los Angeles County Museum of Art. Porträtrelief (von David Fahrner, 1951) im Foyer des Instituts für Sozialforschung in Ffm.
Frankfurter Biographie 2 (1996), S. 541-543,
).