Michael Hauck
Fotografie von Alix Puhl (in Privatbesitz).
© Alix Puhl, Ffm.
Hauck, Michael Georg. Bankier. Mäzen. * 22.4.1927 Ffm., † 18.1.2018 Ffm.
H. entstammte einer alteingesessenen Ffter Bankiersfamilie, u. a. mit enger Verwandtschaft zur Familie von Metzler.
Sohn von
Alexander Maximilian Moritz H. (1893-1946) und dessen Ehefrau Anne Marie, geb. Oswalt (1897-1993). H.s Elternhaus war das heutige Gästehaus der Goethe-Universität in der Ditmarstraße 4 in Bockenheim. Zum Freundeskreis der Familie gehörten der Historiker
Ernst Kantorowicz, der Städeldirektor
Ernst Holzinger und
Ernst Beutler, der Direktor des Freien Deutschen Hochstifts. Die Eltern waren distanziert gegenüber den Nationalsozialisten, zumal der Großvater,
Otto H., wegen seiner jüdischen Vorfahren mütterlicherseits 1933 schnell aus seinem Amt als IHK-Präsident gedrängt worden war.
H. absolvierte das Lessing-Gymnasium, wo der Nazi-Gegner
Otto Schumann sein Klassenlehrer war. Noch vor dem Abitur wurde er 1943 zur Flak abkommandiert. Im November 1944 wurde er zur Wehrmacht eingezogen. Bei Kriegsende geriet er zunächst in amerikanische Kriegsgefangenschaft; das Lager in Rennes, wohin er verbracht worden war, wurde dann jedoch an die Franzosen übergeben. Dort erkrankte H. lebensgefährlich an Tuberkulose. 1946 kehrte er für kurze Zeit nach Ffm. zurück, wo er den Tod seines an Krebs erkrankten Vaters erlebte. Dank der Unterstützung von Freunden der Familie, insbesondere dem aus Nazideutschland geflohenen Bankier und Wirtschaftswissenschaftler
L. Albert Hahn, konnte H. zur Ausheilung der Tuberkulose für zwei Jahre in die Schweiz gehen. 1948 Rückkehr nach Ffm., wo er das Abitur nachholte und formell in den Kreis der persönlich haftenden Gesellschafter des väterlichen Bankhauses Georg Hauck & Sohn aufgenommen wurde. Vor der aktiven Teilnahme am Bankgeschäft jedoch durchlief H. zunächst eine mehrjährige Universitäts- und Bankausbildung in Ffm., den USA (Iowa City und dreimonatiges Bankpraktikum in New York), Hamburg, London und Paris. 1956 trat er als Geschäftsführer in das H.’sche Bankhaus ein.
Seither war H. als Bankier tätig. 1959 kam er in den Vorstand der Ffter Wertpapierbörse. Er war Mitbegründer der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Anlageberatung (1960), deren Ehrenmitglied er zuletzt war, und des Instituts für Kapitalmarktforschung (1967; heute: Center for Financial Studies der Universität). Am 13.1.1986 wurde H. zum Vorsitzenden im Vorstand der Ffter Wertpapierbörse gewählt. Dieses Amt wurde damals traditionell in den Kreisen der Ffter Privatbankiers vergeben. In seiner Amtszeit wurden die monumentalen Skulpturen von Bulle und Bär (von Reinhard Dachlauer, 1985) vor dem Börsengebäude aufgestellt. H. gilt als Mitinitiator des Deutschen Aktienindex (DAX, 1988). Am 30.6.1989 trat er aus Verärgerung darüber, dass die Dresdner Bank den Leiter des Wertpapierhandels im Bankhaus Hauck abgeworben hatte und er sich daher diesem Segment wieder intensiver widmen musste, vom Vorsitz des Börsenvorstands zurück. Sein Nachfolger wurde sein Großcousin und heutiger Ffter Ehrenbürger Friedrich von Metzler (* 1943). H.s Interesse an der Börse blieb aber erhalten. Noch im Alter äußerte er sich öffentlich kritisch zur Verlagerung der Ffter Börse nach Eschborn und zur Dominanz des Computerhandels.
Im Alter von 67 Jahren schied H. zum Jahresende 1993 aus dem Kreis der persönlich haftenden Gesellschafter des Bankhauses Georg Hauck & Sohn aus und wechselte in den Aufsichtsrat und den Aktionärsausschuss. Seit dem Zusammenschluss mit dem Münchner Bankhaus H. Aufhäuser 1998 firmiert das Haus als „Hauck & Aufhäuser Privatbankiers“. Geschäftlich widmete sich H. im Alter verstärkt der Immobilienverwaltung und war führend beteiligt an der in diesem Segment tätigen Firma „Printz & Schwenk“ in Ffm.
Als Mitglied einer alteingesessenen Großbürgerfamilie war H. vielfach ehrenamtlich tätig und gesellschaftlich engagiert. Von früh an war es ihm ein Anliegen, die durch die NS-Zeit abgerissenen Kontakte zu jüdischen Ffter Bürgern, die in der Emigration lebten, wieder aufzunehmen. So traf er Fritz Flersheim (1892-1977), den Sohn des Kunstsammlers und Mäzens
Martin Flersheim (1856-1935), in New York, hielt Verbindung zu dem erwähnten Bankier
Albert Hahn, zu dem ehemaligen Ffter Kunsthändler Mario Uzielli in Liestal in der Schweiz und zu
Robert von Hirsch, einem der bedeutendsten Kunstsammler Europas, der seit seiner Emigration aus Ffm. 1933 in Basel lebte. Von 1958 bis 2003 war H. im Verwaltungsausschuss des Freien Deutschen Hochstifts tätig, wo er das Amt eines stellvertretenden Schatzmeisters ausübte. 1959 gehörte H. zu den Wiederbegründern des im Krieg deaktivierten Städelschen Museums-Vereins. Als Wortführer der jungen Generation, der während seines Studiums die lebendige Museumskultur in den USA kennengelernt hatte, setzte er sich bei einem internen Richtungsstreit gegen die älteren Mitglieder im Vorstand erfolgreich für eine gesellschaftlich breite Öffnung des Vereins, der bis dahin eine kleine exklusive Vereinigung von Förderern und Mäzenen gewesen war, ein. H. blieb bis 1989 Mitglied im Vorstand des Städel-Vereins. 1989 gehörte er zu den Gründern der Ffter Bürgerstiftung, deren Kuratorium er seitdem (bis 2005) angehörte. Aus Anlass seines 70. Geburtstags errichtete H. 1997 beim Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft die „Stiftung Michael Hauck“, die insbesondere Wissenschaft, Kunst und Kultur im Raum Ffm. fördert. Über diese Stiftung initiierte H. 2015 gemeinsam mit seinem Schwiegersohn Oliver Puhl (* 1964) die Einrichtung einer Gastprofessur mit dem Schwerpunkt Holocaust-Forschung am Fritz Bauer Institut für die Dauer von fünf Jahren. Privat beschäftigte sich H. mit der Sammlung antiker Tierplastik, worüber er mehrfach in Büchern publizierte.
Mit besonderem Interesse widmete H. sich der Geschichte der Ffter Bürgerfamilien. Er selbst war seit 1967 Mitglied der privaten Vereinigung der Bohnenritter, einem kleinen, illustren Zirkel großbürgerlicher Herren, der der privaten Geselligkeit, der Jagd und der gehobenen Tafelkultur dient. Die Runde der Bohnenritter wurde 1898 von H.s Urgroßvater Albert (von) Metzler gegründet; sowohl der Großvater
Otto H. als auch der Vater Alexander H. hatten ihr angehört. Dank seiner familiären Wurzeln und dem dadurch ererbten Netzwerk bemühte sich H. auch immer wieder um die historiographische Reflexion des Ffter Bürgertums. Dazu suchte er den Austausch mit professionellen Historikern, denen er kleine Forschungsaufträge erteilte, wodurch insbesondere die Biographien seiner beiden in der Stadtgesellschaft bedeutenden Großväter,
Otto H. [vgl. Hansert in: Pohl (Hg.): Bankiers 2008] und
Henry Oswalt (vgl. Wörner/Köster: Henry Oswalt 2013) sowie zuletzt die Geschichte der „Vereinigung von Freunden und Förderern der Johann Wolfgang Goethe-Universität Ffm.“ anlässlich ihres 100. Jubiläums (vgl. Maaser: Stifter werden Freunde 2018) aufgearbeitet wurden. Andererseits bemühte H. sich durch Aufzeichnung und Publikation von eigenen Erinnerungen sowie Sammlung von Dokumenten selbst um das Gedächtnis des liberalen weltoffenen Ffter Bürgertums. Insbesondere seinem frühen Förderer
Albert Hahn setzte er durch die Herausgabe einer in Buchform erschienenen Dokumentation 2009 ein Denkmal. Kurz vor seinem Tod stellte H. dem Historischen Museum die kunsthistorisch bedeutenden Bilder der vornehmen Ffter Weinhändlerfamilie Gogel aus dem 18. Jahrhundert aus seinem Privatbesitz für eine kleine Sonderausstellung zur Verfügung. Eine Tochter der Familie Gogel – Sophie (1817-1896), verheiratet mit Georg H. (1812-1884) – gehörte zu seinen direkten Vorfahren. Während der Laufzeit dieser Ausstellung starb H. im Alter von 90 Jahren in seinem Haus in Ffm.
Publikationen: „Die Bedeutung der Versicherungswirtschaft für den Kapitalmarkt“ (1988), „Kompost. Veröffentlichungen und Vorträge aus vier Jahrzehnten“ (1997), „Spurenlese. Georg Hauck & Sohn 1796-1996. Von der Verflechtung einer Bank, ihrer Partner und einer Familie mit der Stadt Ffm.“ von Verita Mohr (als Herausgeber und Bildredakteur, 1996), „Enten, Hirsche und Elefanten. Ein Haus für alte Tiere. Antike Tierdarstellungen aus 4 Jahrtausenden“ (2000), „…und alle meine Pferde. Aus meiner Antikensammlung“ (vermutlich 2000), „Igel, Rinder & Bären. Neue Bewohner im Haus für alte Tiere. Antike Tierdarstellungen aus 4 Jahrtausenden“ (2003), „
Albert Hahn. Ein verstoßener Sohn Fft.ts. Bankier und Wissenschaftler. Eine Dokumentation“ (als Herausgeber, 2009), „Zuhaus und anderswo“ (2014) und „Ffter Allerlei. Erlebtes und Erlerntes aus neun Jahrzehnten“ (2017).
1992 Bundesverdienstkreuz I. Klasse. 1997 Hessischer Verdienstorden. 1998 Ehrenplakette der Stadt Ffm.
Literatur:
Gerchow, Jan/Kölsch, Gerhard: Von Bürgern und Bankiers. Gemälde der Ffter Familien Gogel und Hauck. Ffm. [2017]. (Kabinettstück des HMF 8).Gerchow/Kölsch: Von Bürgern u. Bankiers. Gogel u. Hauck 2017, S. 29. |
Hansert, Andreas: Geschichte des Städelschen Museums-Vereins Ffm. Hg. vom Vorstand des Städelschen Museums-Vereins. Ffm. 1994.Hansert: Städelscher Museums-Verein 1994, S. 112f., 115, 127f. |
Mohr, Verita: Spurenlese. Georg Hauck & Sohn 1796-1996. Von der Verflechtung einer Bank, ihrer Partner und einer Familie mit der Stadt Ffm. Ffm. 1996.Mohr: Georg Hauck & Sohn 1996, S. 192-194. |
Seng, Joachim: Goethe-Enthusiasmus und Bürgersinn. Das Freie Deutsche Hochstift – Ffter Goethe-Museum 1881-1960. Göttingen 2009.Seng: Freies Deutsches Hochstift 2009, S. 349, 569, 573f. |
UniReport. Johann Wolfgang Goethe-Universität Ffm. [Späterer Untertitel: Goethe-Universität Ffm.] Bisher 51 Jahrgänge. Ffm. 1968-2018.Jaspers, Ulrike: Ein „Ffter Allerlei“ der besonderen Art. Was den früheren Bankier Michael Hauck mit der Goethe-Universität verbindet. In: UniReport 50 (2017), Nr. 3, 1.6.2017, S. 24 (online abgerufen unter: https://aktuelles.uni-frankfurt.de/menschen/was-den-frueheren-bankier-michael-hauck-mit-der-goethe-universitaet-verbindet, 10.3.2018). |
Wer ist’s? Titel auch: Degener’s Wer ist’s? Titel ab 1923: Wer ist wer? Wechselnde Untertitel: Zeitgenossenlexikon. / Unsere Zeitgenossen. / Das deutsche Who’s who. Leipzig, ab 1928 Berlin 1905-93.Wer ist wer? 1992/93, S. 512. |
Wörner, Birgit: Ffter Bankiers, Kaufleute und Industrielle. Werte, Lebensstil und Lebenspraxis 1870 bis 1930. Wiesbaden/Ffm. [2011]. („Mäzene, Stifter, Stadtkultur“, Schriften der Ffter Bürgerstiftung und der Ernst Max von Grunelius-Stiftung, hg. v. Clemens Greve, Bd. 9).Wörner: Ffter Bankiers, Kaufleute u. Industrielle 2011, S. 34.
Quellen:
ISG, Dokumentationsmappe in der Sammlung S2 (mit Kleinschriften, Zeitungsausschnitten und Nekrologen zu einzelnen Personen und Familien).ISG, S2/11.294. |
ISG, Sammlung Manuskripte, 1864-heute; erschlossen über Archivdatenbank.Hansert, Andreas: Die Ffter Bohnenritter seit 1898. Privatdruck in 24 handgefertigten Exemplaren, vorgelegt zum Bohnenessen im Haus von Bohnenkönig Gert Becker, 10.1.2015. ISG, Sammlung Manuskripte, S6a/654. (Einsichtnahme nur mit Genehmigung des Depositars möglich.)