Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser,
der „Frankfurter Schrank“ ist Ihnen sicher ein Begriff. Die ersten dieser repräsentativen barocken Möbelstücke entstanden um 1650 in Frankfurter Schreinerwerkstätten. Besonders bekannt wurden die Sonderformen der Wellen- und der Nasenschränke, von denen gern erzählt wird, dass sie umso kunstfertiger und wertvoller seien, je tiefer die Wellen gehen. Aber wussten Sie auch, dass einer der bedeutendsten deutschen Möbelschreiner des Klassizismus aus Frankfurt kam? Der diesmalige Artikel des Monats stellt den Meister seines Handwerks vor.
Artikel des Monats Juni 2022:
Frankfurter Schreinerkunst vom Feinsten
Er fertigte wahrhaft fürstliche Möbel: Johann Valentin Raab. Als sein Meisterstück zur Aufnahme in die Schreinerzunft machte der gebürtige Frankfurter 1806/07 einen edlen Schreibschrank, der schon deutliche Anklänge an die neueste Mode des Empire nach französischen Vorbildern zeigte. Bald erhielt der frischgebackene Meister einen ersten wichtigen Auftrag: Für die „Toskanazimmer“ im Würzburger Schloss schuf er einen Großteil des eleganten Mobiliars im Empire-Stil – vom Ofenschirm bis zur luxuriösen „Schwanengarnitur“ im Boudoir der künftigen Großherzogin.
Rasch wurde Raab dafür bekannt, dass er seine Arbeiten nicht nur nach modernen Entwürfen, sondern auch in vorzüglicher Ausführung anzufertigen verstand. Selbstverständlich ließ auch die bessere Frankfurter Stadtgesellschaft bei ihrem „Starschreiner“ arbeiten. Raab lieferte etwa Möbel für die Familien von Bethmann und Rothschild ebenso wie für die Fürsten von Thurn und Taxis zur Neuausstattung von deren Frankfurter Palais. Aus dem Palais Thurn und Taxis, in dem ab 1816 die Bundesversammlung tagte, stammt auch ein Satz von vier Stühlen, Staatsmöbel des Hauses Österreich, die einst Raab herstellte und die heute im Historischen Museum zu sehen sind.
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Fast wie die Fürsten lebte früher in Frankfurt die Familie von Barckhaus oder auch Barckhausen, die um 1650, kurz nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges, aus Westfalen an den Main gekommen war. Über ein Jahrhundert lang gehörten die Barckhaus zu den wohlhabendsten und einflussreichsten Bürgern der Stadt. Anfangs wohnten und arbeiteten sie im Haus zur Goldenen Waage, dem prächtigsten Haus in der Altstadt, wo sie ein Tuchhandels- und Wechselgeschäft betrieben. Um 1700 zog Heinrich von Barckhaus d. Ä. in sein neues Palais auf der Zeil, das eines echten Kaisers würdig war: Karl VII. und seine Gemahlin nutzten es von 1742 bis 1744 als Residenz.
Ein anderer, jüngerer Heinrich von Barckhaus wurde 1745 zum Wirklichen Reichshofrat ernannt und war damit einer von zwei Frankfurtern, die je diesen hohen kaiserlichen Titel trugen, auch wenn er das Amt in Wien nie ausgeübt hat. (Der Vorname Heinrich hatte Tradition in der Familie, weshalb die gleichnamigen Familienangehörigen in der Literatur manchmal verwechselt werden.) Der Reichshofrat Heinrich von Barckhaus und seine Ehefrau Catharina Elisabetha sammelten Kunst nach fürstlichem Vorbild. 1749/52 stifteten sie der Stadtbibliothek den Grundstock für das städtische Münzkabinett und ihren Kunstkammerschrank für ein erstes Frankfurter Museum, woraus sich später das Historische Museum entwickelte.
Nicht immer also konnten alle Frankfurter in ihrem Bürgerstolz dem fürstlichen Lebensstil widerstehen. Manchmal fuhren sie eben doch gerne vierspännig aus, wie die Redensart aus dem 19. Jahrhundert treffend meint.
Die Reisezeit hat begonnen, und wenn Sie auch wohl kaum mit der Kutsche losfahren werden, so wünsche ich Ihnen doch einen guten Weg. Vielleicht kehren Sie zwischendurch immer wieder einmal im Frankfurter Personenlexikon ein, in dem Sie bequem durch die Zeiten – in der diesmaligen Lieferung vom 17. bis ins 21. Jahrhundert – wandern können. Das würde mich freuen.
Beste Grüße und Wünsche
Sabine Hock
Chefredakteurin des Frankfurter Personenlexikons
P. S. Die nächste Artikellieferung erscheint am 10. Juli 2022.