Neuerscheinungen vom 10. April 2025

Einleitung: 

Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser,

vor 500 Jahren war die Welt nicht in Ordnung. Im April 1525, auf dem Höhepunkt des Bauernkriegs, kam es in Frankfurt zum Zunftaufstand. Am Ostermontag, den 17. April, erhob sich eine Gruppe reformatorisch gesinnter Handwerker gegen das patrizische Stadtregiment und den altgläubigen Klerus. In dieser bisher nicht gekannten Situation brauchten Bürgermeister und Rat jede Hand in der Stadtverwaltung. Auch der Ratsschreiber, von dem der diesmalige Artikel des Monats handelt, stand jetzt mitten im stadtpolitischen Geschehen.

Artikel des Monats April 2025:
Protokollant eines Aufstands

Er führte Buch für den Rat der Stadt: Johann Marsteller. Der Baccalaureus beider Rechte, der an den Universitäten in Frankfurt an der Oder und Heidelberg studiert hatte, hatte seit 1520 das Amt des Ratsschreibers und Secretarius in seiner Heimatstadt Frankfurt am Main inne. In dieser Funktion war er, zusammen mit dem ihm vorgesetzten Stadtschreiber, etwa für die Führung der Bürgermeisterbücher zuständig. Darin wurden sämtliche Gegenstände, die in den Ratssitzungen behandelt wurden, protokolliert. Während des Bauernkriegs wurde Marsteller, wohl nicht zuletzt aufgrund seiner juristischen Vorbildung, die ihm einst ein Stipendium des Rats ermöglicht hatte, mehrfach in diplomatischer Mission für die Reichsstadt Frankfurt zu verschiedenen Fürsten geschickt. Unmittelbar im Jahr 1525 schrieb er sein „Aufruhrbuch“, eine Chronik des Frankfurter Zunftaufstands aus der Sicht des Rats.
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Schluss: 

Vermutlich verfasste Johann Marsteller seine Chronik im offiziellen Auftrag des Rats, sozusagen als Handbuch, mit dem sich die Stadtregierung künftig im Fall der Fälle wappnen könnte. Nach Ausbruch des Zunftaufstands hatte es nämlich für den Rat der Stadt zunächst nicht so gut ausgesehen. Die Aufständischen wählten einen 61er-Ausschuss, in dem – anders als im Rat – alle Formationen der Bürgerschaft bis hinunter zu den Sackträgern und Unzünftigen vertreten waren. Dieser Ausschuss arbeitete unverzüglich die „46 Artikel“ aus, einen Katalog von reformatorischen, aber auch bürgerrechtlichen und sozialpolitischen Forderungen, den der Rat der Stadt unter dem Druck der Ereignisse am 22. April 1525 akzeptieren musste. Erst angesichts der drohenden Gefahren der Plünderung durch näherrückende Bauernheere und Besetzung durch auswärtige Truppen gelang es dem Älteren Bürgermeister Hamman von Holzhausen und seinem Nachfolger Philipp Fürstenberger, zwischen Rat und aufständischen Zünften zu vermitteln. Ab der zweiten Maihälfte 1525 war der diplomatisch geschickt vorgehende Rat zwar wieder Herr der Lage, blieb aber noch an die „46 Artikel“ gebunden. Mit der endgültigen Niederschlagung der Bauernkriegsbewegung musste sich dann auch die Stadt Frankfurt einem Ultimatum der siegreichen Fürsten beugen. Am 2. Juli 1525 sagte der Rat den Fürsten die Abschaffung der „46 Artikel“ zu, und die Zünfte mussten das Original des ihnen ausgehändigten Artikelbriefs herausgeben. Der Frankfurter Zunftaufstand war gescheitert. Doch bereits im Juni 1525 war der Rat der Stadt einer Hauptforderung der Aufständischen entgegengekommen: Zwei evangelische Prädikanten, Dionysius Melander und Johannes Bernhard gen. Algesheimer, wurden nach Frankfurt berufen und fest angestellt. Diese Maßnahme machte die Stadtregierung im Zuge der politischen Restauration nicht rückgängig. Damit war die Voraussetzung dafür geschaffen, dass sich allmählich ein evangelisches Kirchenwesen in Frankfurt entwickeln konnte.
Von den außergewöhnlichen Ereignissen des Jahres 1525 sind neben Marstellers „Aufruhrbuch“ übrigens zwei weitere zeitgenössische Schilderungen bekannt, im Tagebuch des Kanonikers Wolfgang Königstein von der Seite des Klerus und in der Chronik der Katharina Weiss vom Limpurg aus der Sicht der (ebenfalls katholischen) Patrizierin. Aus den Kreisen der aufständischen Zünfte dagegen ist wohl kein Zeitzeugenbericht überliefert.

Weitere Neuzugänge im Frankfurter Personenlexikon sind in diesem Monat etwa die Artikel über den Forschungsreisenden Johannes Elbert, der im Auftrag des Frankfurter Vereins für Geographie und Statistik 1909/10 eine Expedition auf die Sundainseln unternahm, und über den Galeristen Klaus Franck, der in seiner „Zimmergalerie Franck“ 1952 die Künstlergruppe Quadriga herausbrachte, sowie die tragische Geschichte der Lyrikerin Helene Berberich, verw. Fontheim.

Aus aktuellem Anlass lassen sich auch ältere Artikel im Frankfurter Personenlexikon neu lesen. Traditionell im FP vertreten ist der Jurist Hugo Sinzheimer, der Vater des deutschen Arbeitsrechts, dessen 150. Geburtstag am 12. April 2025 das nach ihm benannte Frankfurter Institut mit einer Jubiläumsveranstaltung begeht. Sinzheimer, seit 1919 als Honorarprofessor für Arbeitsrecht und Rechtssoziologie an der Frankfurter Universität und 1921 Mitbegründer der Akademie der Arbeit, musste 1933 aus dem nationalsozialistischen Deutschland fliehen. Im Exil in den Niederlanden tauchte er nach dem deutschen Einmarsch unter. Wenige Monate nach der Befreiung 1945 starb Hugo Sinzheimer an Unterernährung und Entkräftung infolge des Lebens in der Illegalität.

Auf einen Gedenktag sei noch besonders hingewiesen: Kürzlich, am 8. April 2025, wäre der Historiker und Frankfurter Stadtarchivdirektor Wolfgang Klötzer 100 Jahre alt geworden. Das Frankfurter Personenlexikon hat seinem Gründungsherausgeber schon vor längerer Zeit einen ausführlichen Artikel gewidmet.

Zu guter Letzt möchte ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, ruhige und friedliche Feiertage wünschen, anders als zu Ostern vor 500 Jahren ganz ohne Aufruhr – im Großen wie im Kleinen.

Herzlichst
Ihre Sabine Hock
Chefredakteurin des Frankfurter Personenlexikons

P. S. Die nächste Artikellieferung erscheint am 10. Mai 2025.