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Wedewer, Hermann

Hermann Wedewer

Hermann Wedewer
Lithografie von Valentin Schertle (1871).

© Institut für Stadtgeschichte, Ffm. (Sign. S7P Nr. 16936).
Wedewer, Hermann Anton Joseph. Prof. Dr. phil. h. c. Pädagoge. Sprachkundler. Paulskirchenabgeordneter. Diese Angaben konnten anhand von Dokumenten zweifelsfrei bestätigt werden.* 14.6.1811 Coesfeld/Westfalen, Diese Angaben konnten anhand von Dokumenten zweifelsfrei bestätigt werden.† 16.4.1871 Ffm.
Ältestes von elf Kindern des Gast- und Landwirts Burchard W. und dessen Ehefrau Anna Maria, geb. Orthaus.
Besuch des Gymnasiums im Geburtsort. Klassenprimus. Starke persönliche Beschäftigung mit dem christlichen Glauben. Ab 1829 Studium der Philologie und Philosophie, zunächst in Münster, vor allem bei Johann Christoph Schlüter (1767-1841), ab Herbst 1830 in Bonn, u. a. bei Friedrich Gottlieb Welcker (1784-1868). 1833 Examen pro facultate docendi (alte Sprachen, Geschichte, Geografie) und Eintritt als Probekandidat in das Coesfelder Gymnasium. Auf Welckers Empfehlung ab Herbst 1833 Erzieher in der Familie des englischen Schriftstellers Walter Savage Landor (1775-1864) in Fiesole bei Florenz. Infolge Ableistung des sechswöchigen Militärdienstes verlor W. seine Beschäftigung. Bei Rückkehr erhielt er jedoch auf Vermittlung des preußischen Gesandtschaftssekretärs in Rom, Rudolf von Sydow (1805-1872), eine neue Erzieherstelle, beim russischen Gesandten in Neapel, Graf Gustav Ernst von Stackelberg (1766-1850); W. begleitete dessen Familie auch zu längeren Aufenthalten nach Rom, Mailand und Paris.
1837 wurde W. als Lehrer an sein altes Gymnasium berufen, nachdem er sich zunehmend den modernen Sprachen gewidmet und auch für diese die Unterrichtsbefähigung erlangt hatte. Im Herbst 1843 warb ihn der Ffter Senat als Inspektor und philologischen Lehrer an die Selektenschule ab, eine katholische höhere Schule mit Progymnasium. 1844 Heirat mit Maria Franziska Hermanna Schmitz (1821-?); aus der Ehe stammten zwei Söhne. Obwohl W. fest in Ffm. Fuß gefasst hatte, wurde er 1848 für seinen Heimatkreis Borken-Coesfeld in die Nationalversammlung gewählt (fraktionslos), aber bereits nach vier Wochen durch Justin von Linde ersetzt.
W. widmete sich dem Ausbau der Selektenschule, war Vorstandsmitglied des Ffter Pestalozzi-Vereins, nahm an zahlreichen Philologenversammlungen teil, verfasste Fachpublikationen und zog damit das Interesse auf sich: 1852 wollte Theodor Brüggemann (1796-1866) – Oberregierungsrat im Kultusministerium, ranghöchster katholischer Schulexperte in der preußischen Verwaltung sowie Mitglied des Herrenhauses und führender Vertreter des politischen Katholizismus – W. für eine erneute Aufgabe in Preußen gewinnen. Auch soll Justin von Linde – inzwischen liechtensteinischer Bundestagsgesandter – versucht haben, W. in den österreichischen Staatsdienst zu ziehen. Zu W.s engerem Freundeskreis zählten Männer verschiedenster Ämter und Anschauungen, so die Historiker Johann Friedrich Böhmer und Johannes Janssen, der Kunsthistoriker Johann David Passavant, der Arzt Karl Passavant, der badische Militärattaché Georg Heinrich Krieg von Hochfelden (1798-1860), der Privatgelehrte Fritz Schlosser wie auch Rudolf von Sydow, nunmehr preußischer Gesandter am Bundestag.
W. wird als bescheidener Mann von „tiefer Frömmigkeit“ mit großen Gottvertrauen beschrieben, für den es keinen unlösbaren Konflikt zwischen Glauben und Wissen gab und der gegenüber Andersgläubigen immer tolerant blieb (Rudolf Eucken). Von 1852 bis 1864 gehörte W. mit kurzen Unterbrechungen dem katholischen Kirchenvorstand an, was ihn aber nicht hinderte, die Selektenschule gegen Eingriffe von Stadtpfarrer Eugen Thissen in den Unterrichtsablauf zu verteidigen. Als weitgereister Mann mit allseitiger Anerkennung, vielfältigen Kontakten und parlamentarischer Erfahrung besaß W. durchaus das Selbstbewusstsein, die pädagogische Autonomie gegen geistliche Autoritäten zu vertreten, mit Unterstützung von Senator August Speltz als Vorsitzendem der katholischen Kirchen- und Schulkommission.
W. hat in zahlreichen Schulprogrammen über seine Tätigkeit als Leiter der Selektenschule berichtet, seine pädagogischen Anschauungen dargelegt sowie sprach- und literaturgeschichtliche Abhandlungen veröffentlicht. Der Pädagoge trat für die Konfessionsschule ein und verteidigte Antike und Religion als zentrale Bildungsmittel höherer Schulen, wobei erstere aus der „Höhe des Christenthums“ betrachtet werden müsse, das „die guten Keine der heidnischen Cultur in sich aufgenommen und für die Nachwelt bewahrt“ sowie der heidnischen Weltsicht das überweltliche, auf das jenseitige Leben weisende Prinzip hinzugefügt habe. In der Sprache sah W. nicht nur die unmittelbarste Offenbarung des menschlichen Geistes als Voraussetzung aller übrigen Geistestätigkeiten, sondern auch ihren göttlichen Ursprung und ihre Durchdringung mit christlichem Geist.
W. starb hochgeehrt und erhielt Nachrufe bis in die „Historisch-politischen Blätter“. Die Philosophische Fakultät der Universität Würzburg ehrte ihn zum 25. Amtsjubiläum 1868 mit dem Doktordiplom, nachdem ihm der Senat der Stadt Ffm. schon vorher den Titel Professor verliehen hatte.
W. veröffentlichte u. a. die Monographien „Homer, Virgil, Tasso, oder Das befreite Jerusalem in seinem Verhältniß zur Ilias, Odyssee und Aeneis“ (1843), „Die Erziehung vom katholischen christlichen Standpunkte betrachtet, nebst Vorschlägen zur Umbildung und Erweiterung der Selectenschule zu Ffm.“ (1852), „Zur Sprachwissenschaft“ (1861), „Die Litteratur und die christliche Jugendbildung“ (1868) und „Das Christenthum und die neuere Sprachwissenschaft“ (1870) sowie zahlreiche Aufsätze in den Programmen der Selektenschule, etwa „Der deutsche Sprachunterricht nach seiner Wichtigkeit und Bedeutung für Realschule und Gymnasium“ (1842), „Über den Sprachunterricht an Gelehrtenschulen, mit besonderer Hinsicht auf die Stellung des französischen Unterrichts zum Lateinischen“ (1846), „Über die leitenden Grundsätze des Sprachunterrichts an Schulen, mit besonderer Berücksichtigung der englischen Sprache“ (1849), „Über die Wichtigkeit und Bedeutung der Sprache für das tiefere Verständnis des Volkscharakters“ (1859), „Über die Bedeutung des Stils für die Charakteristik der Völker“ (1860), „Über Ursprung und Wesen der Sprache“ (1863) und „Das Christenthum und die Sprache“ (1867); außerdem übersetzte er „Die wichtigsten Religionswahrheiten faßlich erklärt und begründet für die Jugend“ von Jacob Balmes (aus dem Spanischen, 1863).
Der Sohn Hermann Joseph W. (1852-1922) besuchte das Ffter Gymnasium und studierte dann (1872-75) Philosophie, Geschichte und Theologie in Münster, abgeschlossen mit der Promotion zum Dr. theol. Nach der Priesterweihe 1876 ließ er sich in Wiesbaden nieder, wo er bis zu seiner Pensionierung 1920 als Religionslehrer an beiden Gymnasien unterrichtete, seit 1898 mit dem Titel Professor versehen. Hermann W. junior war auf theologischem Gebiet schriftstellerisch, journalistisch und wissenschaftlich tätig. Er veröffentlichte u. a. den Erlebnisbericht über eine „Eine Reise nach dem Orient“ (1877, Nachdr. 2004) und eine Abhandlung über „Johannes Dietenberger 1475-1537“ (1888, Nachdr. 1967). Außerdem besaß er eine große Kunstsammlung, die er in Ausstellungen zeigte; die Sammlung wurde nach seinem Tod durch Versteigerungen (um 1925/26) aufgelöst.

Artikel aus: Frankfurter Personenlexikon, verfasst von Tobias Picard.
Artikel in: Frankfurter Biographie 2 (1996), S. 536f., verfasst von: Birgit Weyel.

Lexika: Allgemeine Deutsche Biographie. Hg. durch die Historische Commission bei der Königlichen Akademie der Wissenschaften. 56 Bde. München/Leipzig 1875-1912.Rudolf Jung in: ADB 41 (1896), S. 415f. | Koch, Rainer (Hg.): Die Ffter Nationalversammlung 1848/49. Ein Handlexikon der Abgeordneten der deutschen verfassungsgebenden Reichs-Versammlung. Bearb. v. Patricia Stahl unter Mitwirkung von Roland Hoede, Leoni Krämer, Dieter Skala im Auftr. der Arbeitsgruppe Paulskirche. Kelkheim 1989.Koch: FNV, S. 419. | Renkhoff, Otto: Nassauische Biographie. Kurzbiographien aus 13 Jahrhunderten. Wiesbaden 1985, 2., überarb. Aufl. 1992. (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Nassau XXXIX).Über den Sohn Hermann Wedewer (1852-1922): NB 1985, S. 420, Nr. 2407; 1992, S. 852, Nr. 4647. | Richel, Arthur: Katalog der Abteilung Fft. [der Ffter Stadtbibliothek]. Bd. 2: Literatur zur Familien- und Personengeschichte. Ffm. 1929.Richel, S. 629. | Schrotzenberger, Robert: Francofurtensia. Aufzeichnungen zur Geschichte von Ffm. 2., vermehrte u. verbesserte Aufl. Ffm. 1884.Schrotzenberger, S. 269.
Literatur:
                        
Das Museum. Belletristisches Beiblatt zur „Ffter Presse“. Ffm. 1871-80.Eucken, Rudolf: Professor Dr. Wedewer †. In: Das Museum 1871, Nr. 95 (25. April), S. 3. | Finger, Friedrich August: Ausgewählte pädagogische Schriften. 2 Bde. Ffm. 1887.Finger, Friedrich August: Zum Andenken an Hermann Wedewer. Vortrag in der Jahressitzung der Ffter Allgemeinen Lehrerversammlung, 13. Januar 1872. Abdruck in: Finger: Pädagogische Schriften 2 (1887), S. 333-341. | Historisch-politische Blätter für das katholische Deutschland. 171 Bände. München 1838-1923.Janssen, Johannes: Aus dem Leben eines katholischen Schulmanns und Gelehrten. In: Hist.-polit. Blätter für das kath. Deutschland 71 (1873), S. 81-100, 200-217 und 363-383 (mit Auszügen aus autobiographischen Notizen).
Quellen: ISG, Kirchen- bzw. Standesbücher: Heiratsbücher, Ffm., 1533-1848 bzw. 1849-1939.Eintrag der Heirat mit Maria Franziska Hermanna Schmitz, Coesfeld, 17.9.1844: ISG, Kirchen- bzw. Standesbücher: Heiratsbuch 32 (1843-45), S. 327, Nr. 216a. | ISG, Dokumentationsmappe in der Sammlung S2 (mit Kleinschriften, Zeitungsausschnitten und Nekrologen zu einzelnen Personen und Familien).ISG, S2/12.843. | [Einladung] zu den öffentlichen Prüfungen in der Selecten-Schule (...). Ffm. 1843/44 (1844)-1867/68 (1868). Fortgesetzt u. d. T.: Jahresbericht der Selektenschule zu Ffm. Ffm. 1869-93. Fortgesetzt u. d. T.: Programm der Selekten-Schule zu Ffm. Ffm. 1894-1906. Fortgesetzt u. d. T.: Jahresbericht der Selektenschule zu Ffm. Ffm. 1907/08 (1908)-1921 [1922?]. Fortgesetzt u. d. T.: Bericht / Selektenschule, ehemalige Domstiftsschule / über das Schuljahr (...). Ffm. 1924/25 (1925)-1928/29 (1929). Fortgesetzt u. d. T.: Jahrbuch der Selektenschule, ehemalige Domstiftsschule Ffm. Ffm. 1929-37.Becker, Jacob: Zur Erinnerung an Hermann Anton Joseph Wedewer. In: Jb. Selektenschule 1872, S. 3-14; vgl. auch S. 26.
Internet: Parlamentarierportal (BIOPARL), Biographien deutscher Parlamentarier 1848 bis heute, Online-Datenbank von GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften, Köln. http://zhsf.gesis.org/fnv_db/fnv_db.php
Hinweis: Eintrag zu Hermann Wedewer (über die Suchliste aufrufbar).
BIOPARL, 5.8.2020.


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Empfohlene Zitierweise: Picard, Tobias: Wedewer, Hermann. In: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe), https://frankfurter-personenlexikon.de/node/1685

Stand des Artikels: 7.8.2020
Erstmals erschienen in Monatslieferung: 08.2020.