Kurt H. wird zu den wichtigsten Vertretern der evangelischen Kirchenmusik des 20. Jahrhunderts gezählt.
Aus einer alteingesessenen Ffter Familie. Jüngstes von vier Kindern des Rechtsanwalts und Notars
Eduard Hermann H. (1871-1933) und dessen Ehefrau Agnes Maria
Emma, geb. Kugler (1878-1970), und somit ein Urenkel von Georg Wilhelm H., Senator und Bürgermeister der Stadt Ffm., und von
Heinrich Hoffmann, dem Verfasser des „Struwwelpeters“. In seiner Ende der 1980er Jahre verfassten „Kleinen Selbstbiographie“ erwähnt H. nicht nur den Einfluss seiner musikalischen Eltern, sondern auch seine Vorfahren Johann Lorenz Albrecht und dessen Schwiegersohn Valentin Göring (1711-1766), die beide als Trompeter in der städtischen Kapelle und damit – dies schien H. wichtig zu sein – Berufsmusiker waren. Nach H.s Bruder, dem Ingenieur und Mathematiker
Karl Adolf H. (1904-1959), sind die „Hessenbergmatrizen“ benannt, eine spezielle Klasse von quadratischen Matrizen, die insbesondere in der numerischen linearen Algebra betrachtet werden.
Kurt H. erhielt ab 1917 ersten Klavierunterricht am Hoch’schen Konservatorium, u. a. bei Irma Gebler und später in Privatstunden bei
Karl Breidenstein. Schon früh schrieb er seine erste Komposition, „Deutscher Reitermarsch“ für Klavier zu vier Händen, verfasst in kindlicher Schrift und versehen mit einem Titelblatt: „Komponiert von Kurt Hessenberg für seine Mutter Emma Hessenberg (nachträglich) zum Verlobungstag am 15. Juli 1918“. H. erinnert sich später an das nur aus Tonika und Dominante bestehende Stück, das mit dem Wechselnotenmotiv des „Radetzky-Marsches“ begonnen habe, „dann aber (leider) ganz anders“ weitergegangen sei.
1927 verließ H. Ffm., um am Landeskonservatorium in Leipzig Klavier und Komposition zu studieren, u. a. bei Robert Teichmüller (Klavier) und Günter Raphael (Harmonie- und Kontrapunktlehre), mit dem ihn bis zu dessen Tod (1960) eine enge Freundschaft verband. Durch regelmäßige Besuche der Motette in der Thomaskirche erschloss sich H. die Musik des 16. und 17. Jahrhunderts und damit – in seinen eigenen Worten – „ein für mich neues Kapitel der Musikgeschichte, das später einmal große Wirkung auf mich ausüben sollte“. Prägend wirkte auf ihn vor allem die Begegnung mit der Musik Bachs. Nach seinem Abschluss als „Staatlich geprüfter Klavierlehrer“ (1931) blieb H. noch in Leipzig, wo im Frühjahr 1933 erstmals ein Werk von ihm (Kammerkonzert für Cembalo und Streichorchester, op. 3) öffentlich aufgeführt wurde.
Im Herbst 1933 kehrte H. nach Ffm. und an das Hoch’sche Konservatorium, nun als Lehrer, zurück. Er gab zunächst Klassenunterricht in Harmonielehre, Kontrapunkt und Gehörbildung, ab 1936 Elementar-Theorieunterricht an Sänger und Orchesterschüler sowie an Studierende der Vorschule. Die Uraufführung seines Streichquartetts Nr. 1 (op. 8) durch das
Lenzewski-Quartett 1934 war die erste Aufführung eines Werks von ihm in Ffm. Im Dezember 1939 heiratete H.
Gisela Luise Volhard (1917-2015), Tochter des Mediziners
Franz Volhard, die im Sommer desselben Jahres die Privatmusiklehrer-Prüfung für das Fach Klavier abgelegt hatte und einige Zeit seine Tonsatzschülerin gewesen war; dem Ehepaar wurden zwischen 1940 und 1954 drei Töchter und zwei Söhne geboren. 1942 wurde H. zum Dozenten an der bereits 1938 aus dem Hoch’schen Konservatorium hervorgegangenen Staatlichen Hochschule für Musik ernannt. Infolge der Zerstörung der Schule und seiner Wohnung bei den Luftangriffen auf Ffm. im Zweiten Weltkrieg floh H. mit seiner kleinen Familie nach Masserberg in Thüringen. Vom Kriegseinsatz wurde er, seit 1942 NSDAP-Mitglied, befreit, da er seit August 1944 als „unverzichtbarer Kulturschaffender“ auf der „Gottbegnadeten-Liste“ von Adolf Hitler stand.
Seit 1945 zurück in Ffm., unterrichtete H. zunächst als Privatlehrer, bis er 1947 seine Lehrtätigkeit an der Musikhochschule (seit 1960: Hochschule für Musik und Darstellende Kunst) wiederaufnehmen konnte. Von 1953 bis zur Emeritierung 1973 lehrte er dort als Professor. Zu seinen Schülern zählten
Hans Zender, Rolf Riehm und
Peter Cahn; H. selbst erwähnt Reinhold Finkbeiner, Wolfgang Wiemer, Gottfried Neubert, Frank Michael, Jürgen Blume und Armin Schoof.
Seit Geburt Mitglied der Niederländischen Gemeinde Augsburger Confession. Gründungs- und Vorstandsmitglied der
Heinrich-Hoffmann-Gesellschaft sowie Förderer des Struwwelpeter-Museums in Ffm.
H. hielt, wie er einmal programmatisch äußerte, „die Möglichkeiten der Tonalität noch nicht für erschöpft“. Sein Stil ist klassizistisch und wird durch Kontrapunktik, rhythmische Prägnanz und Formdisziplin geprägt. Als H.s berühmtestes Werk galt das „Konzert Nr. 1 für Orchester“ (ursprünglich „Concerto grosso“, op. 18) von 1938. Zu einem großen Erfolg des Komponisten wurde seine „Struwwelpeter“-Kantate (op. 49) für Kinderchor und Ensemble unter Vertonung des legendären Bilderbuchs von seinem Urgroßvater
Heinrich Hoffmann (1949, UA: Ffm., 1951, UA der lateinischen Fassung: Ffm., 1958), die sein bis heute meistaufgeführtes Werk ist. Nach eigener Aussage wollte H. nicht den „Weg des Experimentierens mit dem Material“ beschreiten. Die Kontinuität sei ihm in seinem Schaffen wichtiger gewesen. Dennoch verwandte er eine eigene, moderne Tonsprache, die – schlicht und eindringlich und selten „gefällig“ – immer den vertonten Text in den Vordergrund stellt.
Weitere Kompositionen (in Auswahl): „Struwwelpeter-Suite“ (Fassungen für Klavier, op. 7a, 1932, und für kleines Orchester, op. 7, 1933), eine Oper („Der gestreifte Gast“ nach Werner Bergengruen, op. 75, ab 1960/61, UA der Ouvertüre: Ffm., 1988), vier Sinfonien (u. a. Symphonie Nr. 3, op. 62, im Auftrag des HR, UA: Ffm., 1955), Konzerte (u. a. Konzert Nr. 2, op. 70, zur 150-Jahr-Feier der Ffter Museums-Gesellschaft, UA: Ffm., 1958), Kammer- und insbesondere Kirchenmusik, u. a. zahlreiche geistliche Chorwerke, Oratorien und Kompositionen für Orgel. Vor allem mit geistlichen Chorwerken wie der vielfach aufgeführten Motette „O Herr, mach mich zum Werkzeug deines Friedens“ (op. 37 Nr. 1, 1946) traf H. im Nachkriegs-Deutschland den Nerv der Zeit und prägte auch die Ffter Kirchenmusiktradition. Bedeutende Dirigenten, u. a.
Hans Rosbaud,
Wilhelm Furtwängler und Georg Solti, haben Werke von H. uraufgeführt.
1940 Nationaler Musikpreis für Komposition für das „Concerto grosso“. 1951 Robert-Schumann-Preis für klassische Musik der Stadt Düsseldorf für die Kantate „Vom Wesen und Vergehen“. 1973 Goetheplakette der Stadt Ffm. Seit 1978 Ehrenmitglied des Landesverbands evangelischer Kirchenchöre. 1979 Goethe-Plakette des Landes Hessen. Seit 1988 Ehrenmitglied der Hessischen Kantorei. 1989 Bundesverdienstkreuz I. Klasse.
Beigesetzt in der Familiengrabstätte auf dem Ffter Hauptfriedhof (Gewann G 450).
Nachlass, darunter 150 Manuskripte von Kompositionen aus seinem umfangreichen Werk, in der UB Ffm.
Zum 100. Geburtstag 2008 fanden eine Ausstellung in der UB Ffm. sowie Konzerte u. a. in Berlin, Stuttgart, Mainz, Wuppertal, Paderborn und vor allem in Ffm. statt. Bei einer dieser Veranstaltungen spielte u. a. die Tochter Cornelia H. (* 1954), ebenfalls Musikerin bzw. Musiktherapeutin, einige Klavierwerke von H., und die Tochter Monika H. (* 1940), Schauspielerin, las aus seiner Biographie.
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