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Neubürger, Ludwig Ferdinand

Ludwig Ferdinand Neubürger
Ludwig Ferdinand Neubürger
Fotografie (aus Neubürger: Gesammelte Werke 1898, Bd. 1, Frontispiz).
© entfällt. Diese Abbildung ist gemeinfrei.
Neubürger, Ludwig Ferdinand. Psd.: Ferdinand Ludwig. Dr. phil. Lehrer. Bühnenschriftsteller. Theaterkritiker. Diese Angaben konnten anhand von Dokumenten zweifelsfrei bestätigt werden.* 27.9.1836 Düsseldorf, Diese Angaben konnten anhand von Dokumenten zweifelsfrei bestätigt werden.† 28.10.1895 Ffm.
Jüngstes Kind des Lehrers Jacob Löb N. (1790-1870) und dessen Ehefrau Johanna, geb. Goldschmidt (1801-1863). Geschwister: Leopold N. (1825-1855), Kaufmann in Amsterdam und zuletzt in London, wo er starb; Emil N. (1826-1907), Lehrer und Schriftsteller; Pauline N. (später verh. Auerbach, 1828-1905); Nathan Theodor N. (1830-1915), Mediziner. Verheiratet (von 1886 bis 1891) mit der Hamburger Kaufmannstochter Margret (auch: Margarethe, Margaret) Auguste N., geb. Heinemann (1859-?). Die Ehe blieb kinderlos und wurde 1891 einvernehmlich geschieden.
Die Familie lebte seit 1838 in Ffm. N. wurde zusammen mit seinen Geschwistern zunächst vom Vater unterrichtet. Anschließend besuchte er das Philanthropin und wurde durch Lazarus Geiger in die klassischen Sprachen eingeführt. Am städtischen Gymnasium, an dem er die Hochschulreife erwarb, galt er als begabter und geistreicher Schüler, dessen Lektüreinteressen weit über das Bildungsangebot der Schule hinausgingen. Seine Lieblingsautoren waren damals die römischen Klassiker und Jean Paul. Dem Altphilologen Johannes Classen, dem seinerzeitigen Rektor des Gymnasiums, fühlte sich N. eng verbunden (vgl. den Dankesbrief in: Ferdinand Neubürger: Gesammelte Werke 1898, Bd. 2, S. 34-39). Noch während der Gymnasialzeit kam es zu einer Begegnung mit Arthur Schopenhauer, den N. in seiner Wohnung in der Schönen Aussicht 17 aufsuchte, um ein Epigramm von Gottfried August Bürger zu kopieren. Kurz nach Schopenhauers Tod 1860 verfasste N. seine „Erinnerungen an Schopenhauer“, worin er sich u. a. ausführlich über das Aussehen und den Charakter des Philosophen äußert sowie eine detaillierte Beschreibung von dessen Wohnzimmereinrichtung gibt. Der Absicht, „nächstens einige Gespräche mit dem eben Verstorbenen mitzutheilen“ (Ferdinand Neubürger: Gesammelte Werke 1898, Bd. 2, S. 64), ist N. anscheinend nicht nachgekommen.
1857 ging N. zum Medizinstudium nach Bonn, wandte sich dann aber der Philosophie zu und hörte bei Franz Peter Knoodt (1811-1889) Vorlesungen über Schopenhauer. Mit dem Vorsatz, Schriftsteller zu werden, immatrikulierte er sich zum Wintersemester 1857 an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien, wo er Literatur und alte Sprachen studierte, u. a. bei dem Altphilologen und Schulreformer Hermann Bonitz (1814-1888). N. schloss das Studium mit der Promotionsbefähigung (Absolutorium) im Dezember 1859 ab; mit der im Laufe des Jahres 1859 in Wien verfassten Dissertation „De mulieribus Romanis“, die er Johannes Classen widmete, wurde er 1861 an der Universität Jena zum Dr. phil. promoviert. Nach dem Studium blieb N. in der Großstadt Wien, deren Schnelllebigkeit und reges Theaterleben ihn beeindruckten, und verdiente sich seinen Lebensunterhalt als Hauslehrer. Von 1859 bis 1865 war er im Hause des Bankiers Moritz von Goldschmidt (1803-1888) tätig. Goldschmidt, der aus Ffm. stammte und mit N. über die mütterliche Linie verwandt war, gehörte als Prokurist zur Leitung des Wiener Bankhauses Rothschild und verkehrte in großbürgerlichen Kreisen. N.s Schüler war der jüngste Sohn der Familie, Adalbert von Goldschmidt (1848-1906), der sich später als Komponist und Schriftsteller einen Namen machte. Schon während der Wiener Jahre widmete sich N. auch dem Schreiben von Theaterstücken. Sein erstes Stück, das historische Drama „Eponina“, in dem es um den Freiheitskampf eines unterdrückten Volkes geht, stellte er 1863 fertig, ohne dass es bald zur Aufführung kam.
Nach achtjährigem Aufenthalt in Wien kehrte N. 1865 nach Ffm. zurück, wo er eine Anstellung als Lehrer am Philanthropin fand und zunächst Französisch in den mittleren und oberen Klassen der Knabenschule unterrichtete. Sein früherer Lehrer, Lazarus Geiger, den er als den „edelsten und wahrsten“ seiner Freunde bezeichnete (vgl. den Nachruf in: Ferdinand Neubürger: Gesammelte Werke 1898, Bd. 2, S. 60), war nunmehr sein Kollege. Nach dessen Tod 1870 finanzierte N. zusammen mit seinem Bruder Theodor N. und anderen Schülern des Sprachforschers eine Porträtbüste von Geiger (geschaffen von Friedrich Schierholz, 1871/72), die in der Ffter Stadtbibliothek aufgestellt wurde. Neben seinem Brotberuf als Realschullehrer war N. über Jahrzehnte als Theaterkritiker tätig. Schon in Wien hatte er 1865 für den „Lloyd“ seine erste Rezension verfasst; später schrieb er regelmäßig für die FZ, das Ffter Intelligenzblatt, die Didaskalia und andere Organe.
An seine eigenen Werke stellte N. stets die höchsten künstlerischen Ansprüche und „arbeitete daran nur, wenn er sich in Stimmung fühlte“ (Emil Neubürger in: Ferdinand Neubürger: Gesammelte Werke 1898, Bd. 1, S. 12), sodass er nur wenige Theaterstücke vollendete und nur drei zu seinen Lebzeiten auf die Bühne kamen. 1876 wurde das Revolutionsdrama „Die Marquise von Pommeraye (nach einer Erzählung Diderot’s)“ in Stuttgart und Ffm. aufgeführt. Das Trauerspiel „Laroche“ (1882), inspiriert durch Ludwig Börnes Erzählung „Der Roman“, spielt in der Zeit der napoleonischen Herrschaft in Deutschland und war an zehn deutschen Bühnen, u. a. am Residenz-Theater in Berlin, erfolgreich. Schließlich wurde das bereits 1863 entstandene Revolutionsdrama „Eponina“ unter dem neuen Titel „Das Gastmahl des Pontius“ 1887 in Ffm. uraufgeführt. Vorbild für dessen Hauptfigur ist die Girondistin Madame Roland.
N. galt als eine genialische Künstlernatur, die ein eher unkonventionelles und ungebundenes Leben führte. Er war großzügig und wandte sich vielen Menschen zu, die er, ungeachtet ihrer sozialen Herkunft, selbstlos förderte. In praktischen Dingen des Alltags war er jedoch wenig zuverlässig. Am Philanthropin gewährte man dem exzentrischen Kollegen große Freiheiten, was für seine unorthodoxen, wenn auch bei den Schülern beliebten Unterrichtsmethoden ebenso galt wie für seine häufigen Abwesenheiten infolge seiner Tätigkeit als Bühnenautor. Von seinem Freund, dem Ffter Rechtsanwalt und Schriftsteller Ludwig Braunfels, ist ein Gedicht über N.s legendäre Unpünktlichkeit überliefert. Aus gesundheitlichen Gründen verließ N. 1882 das Philanthropin und ging mit einer auskömmlichen Rente in den Ruhestand. Er widmete sich weiterhin seinem Werk und wohnte nach seiner gescheiterten Ehe ab 1890 bis zu seinem Tod bei seiner verwitweten Schwester Pauline Auerbach in der Friedberger Anlage 5. Zuvor hatte er in Ffm. mehrfach den Wohnsitz gewechselt; von 1873 bis 1886 war er in der Hochstraße 14 gemeldet, wo der Bruder Theodor N. seine Arztpraxis hatte.
N. wurde am 30.10.1895 auf dem Jüdischen Friedhof Rat-Beil-Straße bestattet (Block 42, Reihe 1, Grab 5). Sein Begräbnis „gestaltete sich zu einer Kundgebung großartiger Teilnahme aus allen Kreisen der Bevölkerung“ (so der Nachruf). Trauerreden hielten u. a. Hermann Baerwald für das Philanthropin, Otto Hörth (1842-1935) für die FZ und Ernst Auerbach.
Drei Jahre nach N.s Tod wurden seine „Gesammelten Werke“ von seinem Bruder Emil N. in zwei Bänden herausgegeben (1898). Außer den Bühnentexten der oben genannten Dramen enthält der erste Band zwei Theaterstücke aus dem Nachlass: die Komödie „Im Carneval“, in der sich N. in einer Figur selbst porträtierte, und das Märchenstück „Der kleine Kadi“, das posthum, am 16.3.1896, in Ffm. uraufgeführt wurde. Der zweite Band der Werkausgabe umfasst Briefe aus N.s Wiener Zeit an Familie und Freunde, Tagebuchblätter sowie eine Auswahl von Aufsätzen und Kritiken aus N.s journalistischem Schaffen, insbesondere Theaterkritiken von Ffter Aufführungen, u. a. von mehreren Gastspielen mit der Schauspielerin Marie Seebach (1829-1897), wenn auch ohne Angaben zu Erscheinungsort und -datum der Besprechungen.
Porträtbüste (von Gustav Herold, 1899; wohl kriegszerstört 1944) in der alten Stadtbibliothek am Obermaintor.

Artikel aus: Frankfurter Personenlexikon, verfasst von Gudrun Jäger.

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Internet: Hessische Biografie, Kooperationsprojekt des Instituts für Personengeschichte in Bensheim und des Hessischen Instituts für Landesgeschichte in Marburg zur Erstellung einer umfassenden personengeschichtlichen Dokumentation des Landes Hessen. https://www.lagis-hessen.de/pnd/1038011582Hess. Biografie, 3.9.2024.

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Empfohlene Zitierweise: Jäger, Gudrun: Neubürger, Ludwig Ferdinand. In: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe), https://frankfurter-personenlexikon.de/node/7472

Stand des Artikels: 5.9.2024
Erstmals erschienen in Monatslieferung: 09.2024.