Nach ersten Engagements in Hannover (1921-22), Halberstadt (1922-24), Bad Oeynhausen (Sommer 1924 und 1925), Münster (1924-26) und Recklinghausen (1926) wurde L. von Direktor
Arthur Hellmer an das Neue Theater in Ffm. verpflichtet. Er trat sein Engagement hier im Herbst 1926 an. Sein Ffter Debüt, vermutlich in Lonsdales Komödie „Reiner Tisch“ (16.10.1926) oder spätestens in Galsworthys Schauspiel „Flucht“ (4.12.1926), ging weitgehend unbemerkt über die Bühne. Da er in seinen ersten Ffter Wochen und Monaten fast gar nicht besetzt wurde, suchte er sich anderweitige Beschäftigung, u. a. als Conférencier bei Modenschauen. Um endlich wieder spielen zu können, sprach L. schließlich bei
Hellmer vor, der ihm anbot, ihn aus dem Vertrag zu entlassen. Stattdessen machte der Schauspieler den Vorschlag, die kleine Rolle des Tanzmeisters in der musikalischen Komödie „Der Garten Eden“ (Regie:
Max Ophüls, 25.12.1926) zu übernehmen. Bei der Premiere erhielt er für seinen kurzen Auftritt fünfmal Szenenapplaus. Das war der Durchbruch für L. in Ffm. Künftig wurde er regelmäßig besetzt, und Direktor
Hellmer nahm sogar eigens für ihn Stücke auf den Spielplan.
Meist verkörperte L. etwa Diener, Kellner, Sekretäre oder eben Tanzmeister (auch mit eigener Choreografie), eher nebensächliche Typen, die er auf seine komische Weise in den Mittelpunkt rückte. Im Rollenfach als Komiker kultivierte L. in Ffm. seinen eigenen Stil, den er bewusst anhand seiner physischen Eigenschaften und Möglichkeiten (Näseln, Schlaksigkeit, Beweglichkeit, Geschwindigkeit) entwickelt hatte. Er präsentierte „nervöse Groteskkomik“ (
Bernhard Diebold), wie „ein aufgezogener Mechanismus, der exakt abschnurrt, von affenartiger Behendigkeit, voll equilibristischer Einfälle“ (
Rudolf Geck), oft mit einem Hang zur Übertreibung. Doch der Schauspieler ging noch einen Schritt weiter, „fügte dem Rollenbild des gecken Laffen ein Moment des Zwiespältigen, Sinistren hinzu“ (Aurich/Jacobsen: Theo Lingen 2010, S. 62) und übernahm bald auch Verbrecherrollen. So zeigte er als Losch in der Uraufführung von Rehfischs Zeitstück „Der Frauenarzt“ (Regie:
Arthur Hellmer, 28.1.1928) „eine Fratze von abgrundtiefer Gemeinheit“ (
Rudolf Geck) und bot „Erpressergelüste mit Schnauze und routinierter Gefühls-Ästhetik“ dar (
Ludwig Marcuse). L. spielte stets kalkuliert, setzte jede Geste, stilisierte bis an und über die Grenze zur Karikatur – was ihn bald zum Brecht-Darsteller prädestinieren sollte, später in seinen Filmrollen allerdings für „die Gefahren der routinierten Typisierung“ (Aurich/Jacobsen: Theo Lingen 2010, S. 62) anfällig werden ließ.
L.s bedeutendste Rolle am Neuen Theater war der Verbrecher Macheath („Mackie Messer“) in der Ffter Erstaufführung von Brecht/Weills „Dreigroschenoper“ (Regie: Renato Mordo, 20.10.1928).
Bernhard Diebold, der Kritiker der FZ, sah in L.s Mackie eine „elegante Schlange“, hinter deren Komik Unheimliches lauere, und
Ludwig Marcuse nannte ihn im FGA einen „Glanzpunkt“ der Inszenierung: L. verbinde in der Rolle „die leise, unfeierliche Sprödigkeit Adalberts mit dem Akrobatisch-Tänzerischen Bois’“, wobei der Vergleich mit den bewunderten Berliner Schauspielern Max Adalbert (1874-1933) und Curt Bois (1901-1991) einem Ritterschlag gleichkam. (Zit. nach: Aurich/Jacobsen: Theo Lingen 2010, S. 63f.) Tatsächlich fand L. als Mackie Messer überregionale Beachtung. Er sollte die Rolle auch als Gast in der Wiener Erstaufführung 1929 spielen, wofür ihn
Hellmer aber nicht freigab. Als daraufhin Harald Paulsen (1895-1954) nach Wien wechselte, übernahm von ihm L. – nun doch von
Hellmer beurlaubt – den Mackie Messer in der Uraufführungsinszenierung des Theaters am Schiffbauerdamm in Berlin (ab 1.4.1929).
Im weiteren Verlauf des Jahres 1929 wandte sich L. zunehmend nach Berlin, wo bald auch seine Karriere beim Film begann. Bei den Festtagen „Deutsche Kammermusik Baden-Baden“ im Sommer 1929 arbeitete er erstmals direkt mit Bertolt Brecht zusammen, als Herr Schmitt in der Uraufführung von „Das Badener Lehrstück vom Einverständnis“, wozu
Paul Hindemith die Musik komponiert hatte. Am 16.8.1929 meldete L. sich und seine Familie von Ffm. nach Berlin ab, wo er an dem Brecht’schen Theaterprojekt „Happy End“ mitarbeitete, das am 31.8.1929 zur Uraufführung kam. Doch etwa im Oktober 1929 kehrte L. nach Ffm. zurück, für die Wiederaufnahme der „Dreigroschenoper“ und für die Inszenierung von
Zuckmayers „Rivalen“ (Regie: Renato Mordo, 22.10.1929) am Neuen Theater. Bei einer Aufführung dieses Schauspiels eskalierte ein Bühnenkampf zwischen L. und seinem Partner Rudolf Basil zu einer echten tätlichen Auseinandersetzung, nachdem einer der beiden Kontrahenten versehentlich zu hart zugeschlagen hatte. L. meldete sich krank und reichte Klage gegen Direktor
Hellmer ein, der ihm eine Strafe von fünf Prozent der Monatsgage auferlegt hatte, obwohl die Schuldfrage, wer zuerst gewalttätig geworden war, nicht geklärt werden konnte. Möglicherweise wurde L. durch diesen Vorfall in seinem Entschluss bestärkt, Ffm. endgültig zu verlassen. So endete sein festes Engagement am Neuen Theater in Ffm. spätestens im Herbst 1929. Seine vorerst letzte Premiere dort spielte er am 9.11.1929. „Es ist ein Skandal, daß man diesen begabten Mann nicht mit allen Mitteln festhält!“, wetterte der Ffter Kritiker
Ludwig Marcuse. Schon wenige Monate später kam L. noch einmal nach Ffm., wo er von März bis Juni 1930 in insgesamt fünf Inszenierungen am Neuen Theater und am Schauspielhaus der Städtischen Bühnen mitwirkte.
Während seiner Ffter Jahre probierte sich L. auch in anderen (neuen) Medien aus. Insbesondere war er seit 1926 ein begeisterter Amateurfilmer. Seinen ersten Film drehte er mit sich selbst und seiner Familie als Darstellern in Ffm. Für diesen Streifen mit dem Titel „Das Paket“ soll er einen Preis des damals neu gegründeten Ffter Film-Amateur-Clubs, dem er spätestens seit Ende 1926 angehörte, erhalten haben. Mit seiner Ernemann Kinette, einer Handkurbelkamera für 35-mm-Film (Normalfilm), produzierte er seitdem zahlreiche kurze Spielfilme, etwa „Oh! Diese Dienstboten!“, den er im Frühjahr 1929 rund um die Wohnung der Familie im Lindenring 13 in Eschersheim aufnahm. Ein anderes Medium, das L. in Ffm. für sich entdeckte, war der Rundfunk. Am 18.4.1927 wirkte er erstmals in einer Sendung, einem Kabarett-Abend, der Südwestdeutschen Rundfunk AG (SWDR) mit. Bis 1930 trat er mehrfach im Radioprogramm des Ffter Senders auf, trug etwa Chansons vor oder gab „Schauspieler-Anekdoten“ zum Besten. Zusammen mit seinem Theaterkollegen Georg Lengbach (1883-1952) verfasste er die Radiogroteske „Die letzte Szene“, die unter der Regie von Ben Spanier (1887-1944) am 27.3.1930 vom SWDR gesendet wurde. Schon zuvor, um 1928, hatte L. gelegentlich eigene Texte in der FZ veröffentlicht. Auch trat er 1927/28 bei den bunten Hausfrauen-Nachmittagen der Ffter Gasgesellschaft im Palmengarten und ab Frühjahr 1928 in der neu eröffneten Gas-Passage in der Kaiserstraße auf, wo er den Teufel in einer von dem Ffter Journalisten Wilhelm Carlé verfassten Aufführungsserie über die Abenteuer des Teufels und seiner Großmutter spielte.
L. war zusammen mit der Sängerin und Schauspielerin
Marianne Josephine Zoff (1893-1984) nach Ffm. gekommen, die er als Kollegin am Stadttheater Münster kennengelernt hatte und die dann ebenfalls ans Neue Theater wechselte. Am 1.10.1928 heirateten L. und Marianne Zoff in Ffm.-Eschersheim. Einer der Trauzeugen war der angehende Journalist und Schriftsteller
Eberhard Beckmann. „Die Hochzeit“, erinnerte sich L., „war trist, weil kein Geld da war. Sie wurde mit einem Losgewinn auf der Eschersheimer Kerb gefeiert, mit einer Flasche Wein. Der Wein war entsprechend.“ (Zit. nach Eser: Theo Lingen 1989, S. 53.) Marianne Zoff brachte aus geschiedener Ehe mit Bertolt Brecht die Tochter
Hanne Marianne Brecht (seit 1948 verh. Hiob, 1923-2009) mit. Die gemeinsame Tochter von Theo und Marianne L., Marianne
Ursula L. (seit 1952 verh. Meisel, 1929-2014), wurde am 9.2.1929 in Ffm. geboren. Ihr Taufpate war der von L. verehrte Kollege Alois Großmann (1877-1929) vom Neuen Theater. Beide Töchter wurden Schauspielerin.
Weitere Rollen von L. am Neuen Theater in Ffm.: Regisseur in Kaisers „Zweimal Oliver” (Regie:
Arthur Hellmer, 15.1.1927), Mosca in Stefan Zweigs „Volpone oder Der Tanz ums Geld“ nach Ben Jonson (Regie:
Max Ophüls, 26.2.1927), Sekretär in Molnars „Spiel im Schloss” (Regie:
Arthur Hellmer, 12.3.1927), Kellner George in
Hauptmanns „Fuhrmann Henschel“ (Regie: Willy Chmelnitzky, 14.5.1927; mit
Heinrich George in der Titelrolle), Literat Willmer in Strindbergs „Kameraden” (Regie: Ilja Motylev, 20.6.1927), Bliss in Wallaces „Der Hexer“ (Regie: Willy Chmelnitzky, 20.8.1927), Titelrolle in Nestroys „Lumpazivagabundus oder Das liederliche Kleeblatt“ (Regie:
Max Ophüls, 4.11.1927), Kriminalkommissar Raspe in Wedekinds „Der Marquis von Keith“ (Regie:
Max Ophüls, 27.3.1928), Roy Lane in Dunning/Abbotts „Broadway“ (Regie:
Arthur Hellmer, Choreografie: Theo L./Rosel Bergmann, 9.5.1928), Tanzmeister in Sardous „Madame Sans-Gêne“ (Regie: Alois Großmann, 25.5.1928; mit Käthe Dorsch), Stadthauptmann in der Uraufführung von Kaisers „Lederköpfe“ (Regie:
Arthur Hellmer, 24.11.1928), Gustav Tunichtgut in Bruckners „Die Verbrecher“ (Regie: Renato Mordo, 26.1.1929), Percy Bubbles in Berstls „Scribbys Suppen sind die besten“ (Regie: Ernst Held, 8.3.1930), Jean in Kaiser/Spolianskys „Zwei Krawatten“ (Regie:
Arthur Hellmer, musikalische Leitung: Mátyás Seiber, 22.3.1930), Dauphin, später Karl VII. in Shaws „Die heilige Johanna“ (Regie: Robin Robert, 5.4.1930) u. v. a.
Rollen von L. am Schauspielhaus der Städtischen Bühnen: Raoul de Gardefeu in Offenbachs „Pariser Leben“ (Regie:
Richard Weichert, 10.7.1929), Dritter Mann in Antoines „Die liebe Feindin“ (Regie: Fritz Peter Buch, 30.5.1930) und Hildy Johnson in Hecht/MacArthurs „Reporter“ (Regie: Eugen Felber, 14.6.1930).
Spätere Gastspiele von L. in Ffm.: als Mitwirkender bei einem Bunten Abend (1938), als Regisseur und in der Rolle als Stefan in dem von ihm mitverfassten Lustspiel „Theophanes“ (Städtische Bühnen, Schauspiel, 1948), in der Rolle als Heinrich Krull in Sternheims „Die Kassette“ (Städtische Bühnen, Großes Haus, 1960), als Regisseur und in der Rolle als Marcel/Robert Carruche in Roussins „Die Schule der Ehe“ (Kleines Theater im Zoo, 1967), als Regisseur und in der Rolle als Philip in Ayckbourns „Halbe Wahrheiten“ (Kleines Theater im Zoo, 1968) sowie zu einer Signierstunde mit Lesung aus seinem Buch „Ich bewundere...“ (Buchhandlung Blazek und Bergmann, 1969).
Autobiographische Schriften: „Ich über mich“ (1963), „Ich bewundere...“ (1969) und „Das kann doch nicht wahr sein“ (1974).
Nachlass im Archiv der Akademie der Künste in Berlin.
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Frankfurter Biographie 1 (1994), S. 461,
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