Die Lehre L.s wurde von den Ffter Humanisten um
Hamman von Holzhausen schon früh gefördert und in der Stadt verbreitet. L.s Schriften wurden auf der Ffter Messe verkauft; ein Ffter Buchhändler soll bei der Messe von 1520 allein 1.400 Exemplare davon abgesetzt haben.
Auf seiner Reise von Wittenberg zum Reichstag in Worms kam L. am Sonntag, den 14.4.1521, nach Ffm. Er nahm Logis im Haus zum Strauß am Kornmarkt, Ecke Schüppengasse/Buchgasse (abgerissen beim Durchbruch der Bethmannstraße 1896). Zur Begrüßung sandte ihm Katharina von Holzhausen, geb. Frosch († 1521), die Witwe des Patriziers Gilbrecht von Holzhausen († 1494), zwei Maß Malvasierwein, besuchte ihn und küsste seine Hände: Ihre Eltern hätten oft vorausahnend gesagt, es werde einmal einer kommen und „des Papstes Gräuel vnd Menschentand“ widersprechen, und sie hoffe und wünsche, er möge es sein. (Zit. nach
Steitz: Die Melanchthons- und L.herbergen zu Fft. 1861, S. 18.) Die ihn verehrenden Ffter Patrizier, darunter wahrscheinlich
Arnold von Glauburg und
Hamman von Holzhausen sowie möglicherweise
Philipp Fürstenberger (der nach anderen Angaben allerdings schon zum Reichstag nach Worms abgereist gewesen sein könnte), bereiteten L. einen begeisterten Empfang und diskutierten mit ihm bis in die Nacht hinein über seine Lehre. Vor seiner Abreise am nächsten Tag besichtigte L. noch die „Junkerschule“, die neue Lateinschule unter der Leitung von
Wilhelm Nesen, die damals im Haus zum Goldstein am Kornmarkt, gleich gegenüber von L.s Quartier, untergebracht war. L. segnete die Schüler Hieronymus von Glauburg (1510-1574) und Christoph Stalburg (1510-1541, einen Sohn von
Claus Stalburg), wodurch er sich zwei weitere entschiedene Anhänger in Ffm. sicherte. L.s erbittertster Gegner in der Stadt war
Johannes Cochläus, der Dekan des Liebfrauenstifts, dem bei der Bewerbung um die Rektorenstelle an der Lateinschule 1520 der Erasmus-Schüler
Wilhelm Nesen vorgezogen worden war. Noch am Tag von L.s Ankunft in Ffm. hatte
Cochläus gegen den Reformator gepredigt und reiste ihm dann nach Worms nach, um ihn im direkten Disput zur Rede zu stellen (24.4.1521). Über den für
Cochläus eher demütigenden Verlauf der Auseinandersetzung schreibt
Wolfgang Königstein, Kanonikus am Liebfrauenstift, in seinem Tagebuch.
Vom Reichstag in Worms berichteten zwei Ffter Gesandte dem Rat der Stadt, u. a.
Philipp Fürstenberger, der sich von L.s Standhaftigkeit beeindruckt zeigte. Auf der Rückreise übernachtete L., nun durch das „Wormser Edikt“ des Kaisers für vogelfrei erklärt, am 27.4.1521 nochmals in Ffm., wiederum im Haus zum Strauß. In der Nacht zum Sonntag Cantate, den 28.4.1521, schrieb er hier einen Brief an seinen Freund Lucas Cranach (1472-1553) in Wittenberg, worin er über das Verhör auf dem Wormser Reichstag berichtet. Er bringt darin zum Ausdruck, dass er ungebrochen in die Zukunft blicke, auch wenn „ein klein Zeit geschwiegen und gelitten sein“ müsse: „ich lass mich einthun und verbergen, weiss selb noch nicht, wo.“ (Zit. nach
Steitz: Die Melanchthons- und L.herbergen zu Fft. 1861, S. 42.) Einige Tage darauf wurde L. auf die Wartburg „entführt“. Sein kurzer Besuch in Ffm. hatte hier nachhaltigen Eindruck auf die humanistisch gesinnten Patrizier gemacht. Mit ihrer Unterstützung und auf
Nesens Einladung kam knapp ein Jahr später der Prädikant und L.schüler
Hartmann Ibach in die Stadt, der am Sonntag Invocavit, den 9.3.1522, die erste evangelische Predigt in Ffm. hielt.
In die Ffter Religionsstreitigkeiten der Reformationszeit schaltete sich L., obwohl er die Mainstadt später nie mehr besuchte, mehrmals direkt ein. 1525 sandte er seinen Vertrauten
Johann Agricola zur Neuordnung des Kirchenwesens nach Ffm., der jedoch die Stadt schon kurz darauf unverrichteter Dinge wieder verließ. Als sich in Ffm. nach dem Bekenntnis der Stadt zum Protestantismus auf dem Augsburger Reichstag 1530 der Kampf um die Durchsetzung der neuen Lehre zunehmend radikalisierte und zugleich der Konflikt zwischen Lutheranern und Zwinglianern immer mehr zuspitzte, meldete sich L. zu Jahresbeginn 1533 mit einem „brieff an die zu Franckfort am Meyn“ (im Druck 1533; erhalten im ISG und in der UB Ffm.) zu Wort, einem reichsweit verbreiteten Sendschreiben, in dem er Rat und Gemeinde von Ffm. wegen der teilweise tumultartigen Begleiterscheinungen der hiesigen kirchlichen Umwälzungen attackierte. Dieser Warnbrief war wahrscheinlich eine Reaktion auf die Vertreibung des lutherisch eingestellten Prädikanten
Johannes Cellarius, der nach Konflikten mit seinen zwinglianisch ausgerichteten Kollegen, vor allem mit
Melander, auf deren Veranlassung 1532 aus Ffm. gewiesen worden war und danach L. in Wittenberg über die Ffter Zustände berichtet haben wird. Ausdrücklich wandte sich L. daher gegen die Ffter radikalen Prediger, die der Zwingli’schen Abendmahlslehre anhingen. Der Straßburger Theologe
Martin Bucer antwortete ihm im Namen der Ffter Prädikanten mit einer Verteidigungsschrift vom 1.3.1533, die vermittelnd wirken sollte. Wenige Wochen später, im April 1533, verbot der Rat, abgesichert durch eine Bürgerabstimmung, den katholischen Kultus in Ffm., was wiederum zu massiven Konflikten mit Kurmainz führte, die die Stadt in ihrer Existenz bedrohten. 1535, auf dem Höhepunkt der Krise, wandte sich der Ffter Rat in einem Schreiben vom 27.10.1535 mit der Bitte um Rat und Hilfe an L. und
Melanchthon. In einem Brief an die Ffter Prädikanten vom 10.11.1535 gab L. zu verstehen, dass er sich nicht vorschnell als Schiedsrichter in die Ffter Streitigkeiten einmischen wolle, zumal er „die Hoffnung für mein Evangelium nicht auf Euer Fft. gesetzt“ habe („quia non posui spem evangelii mei in Francfordiam vestram“). Allzu lange hatte die Stadt politisch unentschieden zwischen Bekenntnis zur neuen Glaubenslehre und Treue zum (katholischen) Kaiser laviert, um ihre Stellung als Wahlstätte, Messe- und Handelszentrum nicht zu gefährden. Gerade über Ffm. als Handelsmetropole hatte sich der Reformator in seiner eher konservativen, kapitalfeindlichen Wirtschaftsgesinnung schon früher wiederholt abfällig geäußert, so in seiner Schrift „Von Kaufshandlung und Wucher“ (1524) über Ffm. als „das Silber- und Goldloch“, das insbesondere zu Messezeiten das „in deutschen Landen“ nötige Geld nach draußen abfließen lasse: „Franckfurt ist das sylber und gollt loch, da durch aus deutschem land fleusst, was nur quillet und wechst, gemuntzt odder geschlagen wird bey uns.“ Auf den Hilferuf des Rats antwortete L. schließlich am 23.11.1535, dass er erfolglos versucht habe,
Cellarius zur Rückkehr nach Ffm. zu bewegen. Er könne sonst keinen qualifizierten Prediger zur Ordnung der Religionsverhältnisse in der Stadt empfehlen, zumal ein junger, unreifer Theologe für eine solch große Gemeinde nicht von Nutzen sein könne. Das Original des Briefs ist erhalten und wird in der Privilegienkammer des ISG aufbewahrt. In seinen „Tischgesprächen“ richtete L. seine Aufmerksamkeit noch einmal 1539 anlässlich des Ffter Konvents auf die Stadt.
Kupferstichporträt im Habit des Augustinermönchs (von Lucas Cranach d. Ä., 1520) in der Graphischen Sammlung des Städelschen Kunstinstituts. Porträtgemälde (von Lucas Cranach d. J., 1559) als Erwerbung des Städelschen Museums-Vereins (2010) im Städel Museum.
Steinerne Gedenkplakette (vermutlich nach 1896) am Bethmannhof (Gebäude des Bankhauses Gebrüder Bethmann) in der Buchgasse 11/Ecke Bethmannstraße, ungefähr an der Stelle, wo bis zum Abriss 1896 das Haus zum Strauß stand, zur Erinnerung an L.s Aufenthalt auf der Durchreise zum Reichstag nach Worms 1521. Das Bild des Vogels Strauß, das der alten Herberge den Namen gab, wurde am Bethmannhof in der Bethmannstraße 9 wieder angebracht (1896-1944, erneuert 1973).
Die Martin-L.-Straße im Nordend führt auf den Martin-L.-Platz mit der L.kirche (errichtet aus den Mitteln eines zum 400. Geburtstag L.s 1883 gegründeten Kirchenbauvereins 1890-93, kriegszerstört 1943/44, wiederaufgebaut in veränderter Form unter Einbeziehung des beschädigten Kirchturms 1954-55, ausgebaut 2002-04). Haus L.eck (eigentl.: Kleiner Appenheimer; im Zweiten Weltkrieg zerstört) in der Kannengießergasse/Ecke Domplatz; dort steinernes Porträtrelief L.s an einer Konsole (wahrscheinlich erstmals 1530, erneuert 1577). L.linden in Praunheim, gepflanzt auf dem Gelände der Praunheimer Volksschule 1883 und vor dem Alten- und Pflegeheim Praunheim 1983. L.eichen in Nieder-Erlenbach, gepflanzt vor 1893, und am Philipp-Jakob-Spener-Haus in der Innenstadt, gepflanzt als Geschenk der L.stadt Wittenberg 1983. „L.weg 1521“ zwischen Eisenach und Worms für Pilger und Wanderer, die an der Reformation und ihren Wirkungen interessiert sind, seit 2016 mit Stationen in Ffm.
Frankfurter Biographie 1 (1994), S. 479f.,
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