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Merton, Familie

Eigentl. Nachname: Moses.
Metallindustrielle und Stifter.
Die Familie lässt sich unter dem Namen Moses als zur Führungsschicht der Londoner jüdischen Gemeinde zählend bis ins 18. Jahrhundert zurückverfolgen. 1834 wanderte Raphael Lyon Moses (1817-1883) nach Ffm. aus. Er absolvierte seine Lehrzeit in der Bank und Metallhandelsagentur von Philipp Abraham Cohen (1790-1856), der durch Heirat mit der Ffter Bankiersfamilie Wertheimber verbunden war. Raphael Moses heiratete 1837 Sara Amelie Cohen (1818-1853), erhielt 1855 das Ffter Bürgerrecht und führte ab 1856 auf Wunsch seines Schwiegervaters das Unternehmen weiter. Im selben Jahr gestattete ihm der Ffter Rat, den Namen Ralph Merton anzunehmen, was die Assimilierung der Familie bekräftigte; zuvor hatte ein in London lebender Bruder diesen Familiennamen angenommen, der auf die Herkunft der Familie aus der heute zu London gehörenden Bezirk „Borough of Merton“ zurückgeht. Ralph M.s Nachkommen, besonders Wilhelm M. und dessen Sohn Richard M., führten die 1881 in die „Metallgesellschaft AG“ (MG) umgegründete Metallhandlung zum international operierenden Konzern empor und unternahmen zahlreiche Erweiterungsgründungen.
Die M. beeinflussten darüber hinaus als Wohltäter das Ffter soziale wissenschaftliche und künstlerische Leben. Ffm. verdankt ihren Initiativen seinen frühen Ruf als Stadt bedeutender sozialer Einrichtungen und seine Stellung im internationalen Metallhandel.
M.viertel mit Geschäfts- und Wohnhaus „Merton’s Passage“ [sic!] in Heddernheim. M.passage auf dem früheren Areal der Metallgesellschaft hinter der Alten Oper.

Artikel aus: Frankfurter Biographie 2 (1996), S. 40, verfasst von: Tobias Picard.
Dieser Artikel wurde noch nicht abschließend für das Frankfurter Personenlexikon überarbeitet.

Literatur:
                        
Wörner, Birgit: Ffter Bankiers, Kaufleute und Industrielle. Werte, Lebensstil und Lebenspraxis 1870 bis 1930. Wiesbaden/Ffm. [2011]. („Mäzene, Stifter, Stadtkultur“, Schriften der Ffter Bürgerstiftung und der Ernst Max von Grunelius-Stiftung, hg. v. Clemens Greve, Bd. 9).Wörner: Ffter Bankiers, Kaufleute u. Industrielle 2011.
Quellen: ISG, Dokumentationsmappe in der Sammlung S2 (mit Kleinschriften, Zeitungsausschnitten und Nekrologen zu einzelnen Personen und Familien).ISG, S2/933.

GND: 124209122 (Eintrag der Deutschen Nationalbibliothek).
3 herausragende Vertreter der Familie in Ffm.

Merton, Adolf

Adolf Merton
Adolf Merton in der Uniform des 6. Dragoner-Regiments
Fotografie von T. H. Voigt (1914).
© Hessisches Wirtschaftsarchiv Darmstadt (Abt. 119, Nr. 3268).
Merton, Adolf Wilhelm August. Psd.: Adolf Wilhelmi. Dr. phil. Kunsthistoriker. Philosoph. Diese Angaben konnten anhand von Dokumenten zweifelsfrei bestätigt werden.* 24.12.1886 Ffm., ⚔ 30.10.1914 Le Quesnoy (Frankreich).
M. wurde als vierter Sohn von fünf Kindern geboren. Die Eltern, der Großindustrielle Wilhelm (eigentl.: William) M. (1848-1916) und dessen Ehefrau Henriette Caroline Emma, geb. Ladenburg (1859-1939), eine Bankierstochter, waren jüdischer Herkunft. M. und seine Geschwister Alfred M. (1878-1954), Walter Henry M. (1880-1967), Richard M. (1881-1960) und Gerta M. (später verh. von Bissing, 1894-1968) wurden nach der Geburt evangelisch getauft; die Eltern konvertierten 1898 zum protestantisch-reformierten Bekenntnis.
Besuch des Goethe-Gymnasiums bis zum Abitur 1905. Studium der Kunstgeschichte in Straßburg und Wien sowie der Philosophie in Halle/Saale, u. a. bei dem Kunsthistoriker Adolph Goldschmidt (1863-1944). Von 1906 bis 1907 unterbrach M. seine wissenschaftliche Ausbildung, um die einjährige militärische Dienstpflicht im deutschen Heer abzuleisten. Im Jahr 1910 wurde er in Halle mit der kunsthistorischen Arbeit „Die Buchmalerei des IX. Jahrhunderts in St. Gallen unter besonderer Berücksichtigung der Initial-Ornamentik“ promoviert; das Buch erschien 1911 und wurde in mehreren Auflagen publiziert. Laut Angaben seines Freundes, des späteren Schriftstellers, Kunsthistorikers, Juristen und Übersetzers Otto Freiherr von Taube (1879-1973), versammelte M. „auf seiner Studentenbude“ (Taube) in Halle regelmäßig einen Kreis von Kommilitonen, um philosophische Fragen zu diskutieren; dieses Ritual hätte M. an seinem letzten Wohnort Berlin fortgesetzt. Aus der intensiven Beschäftigung mit der Philosophie entstand die Schrift „Die Versöhnung der Gegensätze ohne ihre Aufhebung“, verlegt in Ffm. bei [Joseph] Baer (1913). Das Buch erschien unter dem Pseudonym Adolf Wilhelmi, was die Eltern zumindest begrüßten, wie aus der Korrespondenz mit dem Vater Wilhelm M. hervorgeht. Schließlich war M. das einzige Kind, das sich zum Leidwesen seines Vaters weder der Metallwirtschaft noch den sozialreformerischen Projekten, sondern den schöngeistigen Künsten verschrieben hatte. Gleichwohl war M. als Sohn des weltweit bekannten Hauses M. stolz auf die ökonomischen Erfolge und die sozialen Gründungen.
Schließlich schien M. doch eine Tätigkeit im Berliner Institut für Gemeinwohl in Betracht gezogen zu haben. Sogleich traf der Vater autoritär die Entscheidungen, nämlich dass M. täglich am Vor- oder Nachmittag, auf Wunsch auch von zu Hause, für das Sekretariat des Instituts arbeiten sollte; die Jahresvergütung von 6.000 Mark legte der Familienpatriarch ebenfalls fest. Aus der Überlieferung geht nicht hervor, ob M. die Stelle tatsächlich angetreten hat.
Gleich zu Beginn des Ersten Weltkriegs meldete sich M. als Freiwilliger und kam zunächst in der Funktion eines Leutnants zur Fuhrparkkolonne des Mainzer 6. Dragoner-Regiments. Doch M. wollte an der Front zu kämpfen: „Ich fasste den Entschluß, mich zur Infanterie zu melden, bei der ich nicht nur mit Freuden aufgenommen wurde, sondern sogar gleich eine Kompagnie zu führen bekam“, schrieb er Mitte Oktober 1914 an Taube aus dem nordfranzösischen Villers-lès-Roye. Bereits in den ersten Tagen beim 81. Infanterie-Regiment wurde M. mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. Auch für den Fronteinsatz schienen ihm Erkenntnisse aus dem Studium argumentativ nutzbar. Etwas dünkelhaft formulierte er: „An dem guten Zustand meiner Nerven ist aber – davon bin ich überzeugt – meine Philosophie zum großen Teile schuld. Die innere Sammlung, das Verständnis für die Forderung der Stunde, die Konsequenz des Verhaltens auf Grund des logischen Denkens heben den Gebildeten zweifellos aus der Masse heraus, die, zwischen Mut, Verzagtheit und unbegreiflichem Leichtsinn schwankend, die Nervenkraft ganz unwirtschaftlich vergeudet.“ (Zit. nach Otto von Taube: Vorwort, in: Merton: Gedanken über Grundprobleme d. Erkenntnistheorie 1916, S. VIII.) Am 30.10.1914 organisierte M. einen Angriff auf den Ort Le Quesnoy nahe der niederländischen Grenze und kam dabei im Alter von 27 Jahren ums Leben.
Familiengrab auf dem Ffter Hauptfriedhof (Gewann II GG 10-11) mit Gedenkinschrift für M.
Zum Andenken an ihren gefallenen Sohn stifteten Wilhelm und Emma M. 1916 das „Adolf Merton-Institut“ mit dem ordentlichen Lehrstuhl für Pädagogik an der Ffter Universität. Die Leitung übertrug das Ehepaar dem Ffter Pädagogen und Kommunalpolitiker Julius Ziehen. Im Jahr 1941 gliederten die Nationalsozialisten das Institut samt Vermögen zwangsweise der neu gegründeten Ffter Universitätsstiftung an.

Lexika: Bibliographie zur Geschichte der Ffter Juden 1781-1945. Hg. v. der Kommission zur Erforschung der Geschichte der Ffter Juden. Bearb. v. Hans-Otto Schembs mit Verwendung der Vorarbeiten von Ernst Loewy u. Rosel Andernacht. Ffm. 1978.Bibliogr. z. Gesch. d. Ffter Juden, S. 535. | Heuer, Renate (Bearb.): Bibliographia Judaica. Verzeichnis jüdischer Autoren deutscher Sprache. 4 Bde. Zunächst (für die Erstausgabe von Bd. 1) München, dann (für alle Bände) Ffm./New York 1981/82-96.Heuer: Bibliographia Judaica 2 (1984), S. 98. | Schiebler, Gerhard: Jüdische Stiftungen in Ffm. Stiftungen, Schenkungen, Organisationen und Vereine mit Kurzbiographien jüdischer Bürger (...). Hg. v. Arno Lustiger im Auftrag der M. J. Kirchheim’schen Stiftung in Ffm. Ffm. 1988, Nachdr. Sigmaringen 1994.Schiebler, S. 78, 85f.
Literatur:
                        
Achinger, Hans: Wilhelm Merton in seiner Zeit. Ffm. 1965.Achinger: Wilhelm Merton 1965, bes. S. 227-232, 332-334. | Merton, Adolf: Die Buchmalerei des IX. Jahrhunderts in St. Gallen unter besonderer Berücksichtigung der Initial-Ornamentik. Phil. Diss. Halle 1911.Merton, Adolf: Die Buchmalerei d. IX. Jahrhunderts in St. Gallen 1911. | Merton, Adolf: Gedanken über Grundprobleme der Erkenntnistheorie. Bruchstücke aus dem Nachlass. [Mit einem Vorwort von Otto Freiherr von Taube.] München 1916.Merton, Adolf: Gedanken über Grundprobleme d. Erkenntnistheorie 1916. | Roth, Ralf: Wilhelm Merton. Ein Weltbürger gründet eine Universität. Ffm. 2010. (Gründer, Gönner und Gelehrte, Biographienreihe der Goethe-Universität Ffm., hg. v. d. Goethe-Universität Ffm., [Bd. 1]).Roth: Wilhelm Merton 2010, S. 162f. | Wilhelmi, Adolf [d. i. Adolf Merton]: Die Versöhnung der Gegensätze ohne ihre Aufhebung. Philosophische Prolegomena. Ffm. 1913.Wilhelmi, Adolf [d. i. Adolf Merton]: Die Versöhnung d. Gegensätze ohne ihre Aufhebung 1913.
Quellen: Bayerische Staatsbibliothek (BSB), München.Bayerische Staatsbibliothek, Nachlass Otto von Taube, Sign. Taubeana X/1 u. X/4. | Hessisches Wirtschaftsarchiv, eine Einrichtung der hessischen Industrie- und Handelskammern und der Handwerkskammer Rhein-Main, Darmstadt.Hess. Wirtschaftsarchiv Darmstadt, Abt. 15 u. 119. | ISG, Magistratsakten (Best. A.02.01), Serien 1868-1930 und 1930-69.ISG, MA S 1.666 (Schenkung des Dr. Wilhelm Merton und seiner Frau Emma Merton zum Andenken an ihren Sohn Adolf Merton; Errichtung eines Lehrstuhls für Pädagogik, 1915-26). | ISG, Dokumentationsmappe in der Sammlung S2 (mit Kleinschriften, Zeitungsausschnitten und Nekrologen zu einzelnen Personen und Familien).ISG, S2/933 (Familie Merton). | ISG, Bestand von Akten u. a. der Stiftungsabteilung beim städtischen Rechtsamt (Best. A.30.02), 1875-2002.ISG, Stiftungsabt. 318 [Adolf-Merton-Stiftung, a) Schenkung der Merton’schen Erben zum Bau der Universität (Jügelhaus), b) Adolf-Merton-Institut, Stiftung von 1915/16 für den Lehrstuhl für Pädagogik an der Universität, 1915-38, 1954]. | Münchner Stadtbibliothek, München.Münchner Stadtbibliothek, Monacensia, Nachlass Otto von Taube, Sign. OvT B 1057. | Universitätsbibliothek Basel.UB Basel, Nachlass Adolph Goldschmidt, Sign. UBH NL 20:A 158.

Merton, Richard

Ehrenbürger der Stadt Ffm.
Merton, Richard Albert Eugen. Dr. rer. pol. h. c. Metallindustrieller. Stifter. * 1.12.1881 Ffm., † 6.1.1960 Ffm.
Sohn von Wilhelm M. und dessen Ehefrau Henriette Caroline Emma, geb. Ladenburg (1859-1939).
Jura- und Kameralistikstudium. 1902 Eintritt in die Berg- und Metallbank. Aufenthalte in den ausländischen Zweigbetrieben des Konzerns. Von 1907 bis 1911 Mitglied im Aufsichtsrat und im Vorstand der Metallgesellschaft (MG), 1913 Aufsichtsratsmitglied von MG und Metallurgischer Gesellschaft, 1917 Aufsichtsratsvorsitzender von MG und Metallbank. Im Ersten Weltkrieg Frontoffizier und Adjutant in Militärverwaltungsstellen. Befürwortete in Denkschriften die staatliche Ernährungszwangswirtschaft, die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften und die Reduzierung der unternehmerischen Kriegsgewinne. 1919 Mitglied der deutschen Friedensdelegation in Versailles. Publikationen zur Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Danach Rückzug aus der Reichspolitik. In seiner ausgedehnten internationalen Korrespondenz wies M. auf die Folgen des Versailler Vertrags für die wirtschaftliche Lage Deutschlands hin. Neuaufbau der MG zusammen mit dem Bruder Alfred M. (1878-1954), dem schon im Kriege die Hauptlast der Unternehmensleitung zugefallen war: Kompensation des Verlusts der ausländischen Niederlassungen durch verstärkte Tätigkeit im Inland. Vereinigung von MG, Metallbank und Metallurgischer Gesellschaft zur Metallgesellschaft (1928, Vorstandsvorsitzender), Vorstoß in die Metallverarbeitung durch Gewinnung der Mehrheitsanteile an den „Vereinigten Metallwerken“ mit Sitz in Ffm., die 1930 u. a. aus den zur MG gehörenden Heddernheimer Kupferwerken entstanden.
M. führte die sozialen und kulturellen Schöpfungen seines Vaters Wilhelm M. in vermindertem Umfang weiter. Über die „Centrale für private Fürsorge“ unterstützte er Opfer der Inflation und der Weltwirtschaftskrise und förderte einzelne künstlerische und wissenschaftliche Projekte. Seit 1914 Mitglied im Kuratorium der Ffter Universität. Mit einer Millionenspende löste M. die Verpflichtung des Instituts für Gemeinwohl (IfG) zur Subventionierung der Hochschule ab. Für seine reduzierten Mittelzuweisungen machte er später die „sehr sozialistische“ Einstellung der Stadtverwaltung, die der sozialen Tätigkeit im Stil seines Vaters den Boden entzogen habe, verantwortlich. Als Stadtverordneter (DVP) trat M. von 1928 bis 1933 gegen die Ausweitung städtischer Gesellschaften und das „System Landmann“ ein. Von November 1932 bis März 1933 Reichstagsabgeordneter (DVP).
Nach 1936 wurde M. aufgrund seiner jüdischen Herkunft aus allen Funktionen, auch in der MG, verdrängt. 1938 dreiwöchige Internierung im KZ Buchenwald. Vermögenskonfiskation. 1939 Flucht nach England. Dort publizistisches Eintreten für Deutschland und seine Entwicklungsmöglichkeiten nach dem Krieg.
1947 Rückkehr nach Ffm. und Wiedereintritt in seinen früheren Wirkungskreis. Zuvor von der britischen Besatzung als Wirtschaftsminister einer deutschen Regierung vorgesehen, was er abgelehnt hatte. 1948 Aufsichtsratsmitglied der MG (Vorsitzender 1950-55) und anderer Großbetriebe. Als Mitglied zahlreicher wirtschaftspolitischer Organisationen setzte er sich für neue Formen internationaler Zusammenarbeit ein. Von 1948 bis 1955 Präsident der deutschen Gruppe der internationalen Handelskammer. Auf M.s Anregung wurde nach früherem Vorbild 1949 der Stifterverband für die deutsche Wissenschaft gegründet (Vorsitzender 1949-53, danach Ehrenvorsitzender). Wie nach dem Ersten Weltkrieg, führte M. den Konzern durch Erschließung neuer Aufgaben zu Weltgeltung zurück, besonders durch den Industrieanlagenbau der Metallurgischen Gesellschaft, für die im Ffter Nordosten ein großes Versuchsgelände eingerichtet wurde. M. engagierte sich in der 1952 gegründeten Ffter Gesellschaft für Sozialpolitik, und auch das IfG nahm unter seiner Leitung die Arbeit wieder auf. 1956 stiftete er einen Lehrstuhl für Sozialpolitik an der Ffter Universität. M. galt als Mann von universaler Bildung mit großem Interesse an Wirtschaftspolitik, aber auch mit Bewusstsein für die Verantwortung des Unternehmers gegenüber der Gesellschaft. Wie sein Vater übte er Zurückhaltung und trat nur selten in der Öffentlichkeit hervor.
Verfasser einer Autobiographie unter dem Titel „Erinnernswertes aus meinem Leben, das über das Persönliche hinausgeht“ (Autobiographie, 1955).
Die Stadt Ffm. verlieh M. 1951 die Goetheplakette und 1956 die Ehrenbürgerwürde. Er war seit 1924 Ehrenbürger und seit 1951 Ehrensenator der Ffter Universität.
Die „Villa M.“, Am Leonhardsbrunn 12-14 (Architekt: Anton Eyssen, 1927) in Bockenheim, konnte M. selbst nur bis zu seiner Verhaftung 1938 bewohnen. Dann bemächtigte sich die Gestapo des Hauses, und seit 1945 nutzte die US-Armee das im Zweiten Weltkrieg teilzerstörte Gebäude zunächst als Offiziersheim, dann für den American Press Club. 1953 verkaufte M. die Villa mit der Maßgabe, sie zu einem Ort der Völkerverständigung zu machen, an die Stadt Ffm. Seit 1956 residiert dort der Union International Club, der die inzwischen sanierte und denkmalgeschützte Villa – ganz im Sinne M.s – als Stätte der internationalen Begegnung etabliert hat und pflegt.

Lexika: Bermejo, Michael: Die Opfer der Diktatur. Ffter Stadtverordnete und Magistratsmitglieder als Verfolgte des NS-Staates. Ffm. [Copyright 2006]. (Geschichte der Ffter Stadtverordnetenversammlung, Bd. III; Veröffentlichungen der Ffter Historischen Kommission XXIII).Bermejo: Ffter Stadtverordnete u. Magistratsmitglieder als Verfolgte d. NS-Staates 2006, S. 252-262. | Heine, Jens Ulrich: Verstand und Schicksal. Die Männer der I. G. Farbenindustrie A. G. (1925-1945) in 161 Kurzbiographien. Weinheim/New York/Basel/Cambridge 1990.Heine: IG Farben, S. 275-278. | Neue Deutsche Biographie. Hg. v. d. Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Bisher 27 Bde. (bis Wettiner). Berlin 1953-2020.Ursula Ratz in: NDB 17 (1994), S. 187f. | Schumacher, Martin (Hg.): M. d. R. Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. Politische Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung 1933-1945. Eine biographische Dokumentation. Düsseldorf 1991. 3., erw. Aufl. Düsseldorf 1994. (Veröffentlichung der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien in Bonn).Schumacher: MdR 1994, S. 318f., Nr. 1012.
Literatur:
                        
Achinger, Hans: Richard Merton. Ffm. 1970.Achinger: Richard Merton 1970. | Archiv für Fft.s Geschichte und Kunst. Bisher 78 Bde. Ffm. 1839-2019.Oliver M. Piecha in: AFGK 75 (2016): Akteure des Neuen Fft., S. 151. | Fleckner, Uwe/Hollein, Max (Hg.): Museum im Widerspruch. Das Städel und der Nationalsozialismus. Berlin 2011. (Schriften der Forschungsstelle „Entartete Kunst“ 6).Kurzbiographie in: Fleckner/Hollein (Hg.): Museum im Widerspruch 2011, S. 353; vgl. auch S. 171-173 u. ö. | Hammerstein, Notker: Die Johann Wolfgang Goethe-Universität Ffm. Von der Stiftungsuniversität zur staatlichen Hochschule. Bd. I: 1914 bis 1950. Neuwied/Ffm. 1989.Hammerstein: JWGU I 1989. | Hoffmann, Hilmar: Die großen Ffter. Ehrenwürdige Bürger und Ehrenbürger [von Karl dem Großen bis Friedrich von Metzler]. 4., durchges. Aufl. Ffm. 2012.Hoffmann: Die großen Ffter 2012, S. 154f. | Maly, Karl: Das Regiment der Parteien. Geschichte der Ffter Stadtverordnetenversammlung, Bd. II: 1901-1933. Ffm. 1995. (Veröffentlichungen der Ffter Historischen Kommission, Bd. XVIII/2).Maly: Stvv. II 1995. | Reichel, Clemens: Vom Verbund zum Konzern. Die Metallgesellschaft AG 1945-1975. Darmstadt 2008. (Schriften zur hessischen Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte 8).Reichel: Vom Verbund zum Konzern 2008. | Schembs, Hans-Otto: Jüdische Mäzene und Stifter in Ffm. Hg. v. d. Moses Jachiel Kirchheim’schen Stiftung. Mit einer Einführung von Hilmar Hoffmann. Ffm. [Copyright 2007].Schembs: Jüd. Mäzene u. Stifter 2007, S. 96f. | Stemmler, Gunter: Die Vermessung der Ehre. Zur Geschichte der Ehrenbürger, Ehrensenatoren sowie Ehrenmitglieder an deutschen Hochschulen und an der Universität Ffm. Ffm. [u. a.] 2012.Stemmler: Ehrenbürger u. Ehrensenatoren an der Univ. Ffm. 2012, S. 159 u. 164.
Quellen: ISG, Dokumentationsmappe in der Sammlung S2 (mit Kleinschriften, Zeitungsausschnitten und Nekrologen zu einzelnen Personen und Familien).ISG, S2/3.039. | ISG, Dokumentationsmappe in der Sammlung S2 (mit Kleinschriften, Zeitungsausschnitten und Nekrologen zu einzelnen Personen und Familien).ISG, S2/933 (Familie Merton).

Merton, Wilhelm

Mitbegründer der Metallgesellschaft AG. Mitbegründer der Ffter Universität.
Wilhelm Merton
Wilhelm Merton
Fotografie von Heinrich Junior (im Besitz des HMF, Inv.-Nr. C21616).
© CC BY-SA 4.0, Historisches Museum Frankfurt, Reproduktion: Horst Ziegenfusz.
Merton, Wilhelm. Eigentl. Name (bis 1856): William Moses; dann (bis 1899): William Merton. Dr. phil. h. c. Dr.-Ing. E. h. Metallindustrieller. Sozialreformer. Stifter. Diese Angaben konnten anhand von Dokumenten zweifelsfrei bestätigt werden.* 14.5.1848 Ffm., † 15.12.1916 Berlin, begraben in Ffm.
Achtes von neun Kindern des 1834 von England nach Ffm. eingewanderten Kaufmanns Raphael Lyon, gen. Ralph, Moses (Nachname seit 1856: Merton; 1817-1883) und dessen Ehefrau Sara Amalie, geb. Cohen (1818-1851). Verheiratet (seit 1877) mit Henriette Caroline Emma M., geb. Ladenburg (1859-1939), Tochter des Ffter Bankiers Emil Ladenburg (1822-1902). Fünf Kinder: Alfred Emil Ralf M. (1878-1954), Industrieller, seit 1906/07 im Vorstand der Berg- und Metallbank; Walter Henry M. (1879-1975), Industrieller, seit 1906 im Vorstand der Metallgesellschaft und seit 1910 im Aufsichtsrat der Metallurgischen Gesellschaft sowie ebenfalls seit 1910 Inhaber der Berliner Handels-Gesellschaft; Richard Albert Eugen M. (1881-1960), Industrieller, seit 1913 im Aufsichtsrat der Metallbank; Adolf Wilhelm August M. (1886-1914), Kunsthistoriker; Eugenie Amalie Effie Gertrud, gen. Gerta, M. (später verh. Freifrau von Bissing, 1894-1968), Sozialfürsorgerin. Nachdem sie die Kinder wohl schon früher hatten taufen lassen, traten M. und seine Frau Emma 1899 vom jüdischen zum evangelisch-reformierten Bekenntnis über. Ebenfalls 1899 nahm M. die deutsche statt der bisherigen englischen Staatsbürgerschaft an.
Nach der Schulzeit am Ffter städtischen Gymnasium, dem Besuch akademischer Vorlesungen in München und einem kurzen Volontariat bei der Deutschen Bank in Berlin sammelte M. berufliche Erfahrungen in der väterlichen Metallhandlung „Philipp A. Cohen“, die von seinem Großvater Philipp Abraham Cohen (1790-1856) in Ffm. gegründet worden war, und im Londoner Handelshaus des Bruders Henry M. (1838-1872). Erstmals zeigte M. seine unternehmerische Begabung bei der Reorganisation der Ffter Firma nach dem „Bankenkrach“ 1872/73. Im Jahr 1876 Teilhaberschaft bei „Philipp A. Cohen“ und endgültige Niederlassung in Ffm.
1881 gründete M. in Ffm. die „Metallgesellschaft AG“, die mit Geschäften, Organisation und Guthaben der in ihr aufgehenden Cohen-M.’schen Handlung ausgestattet wurde. Das Gründungskapital der Aktiengesellschaft betrug zwei Millionen Mark, wobei zwei Drittel der Aktien an Ralph und William M., ein Drittel an Leo Ellinger (1852-1916), einen Großneffen von Philipp Abraham Cohen, gingen. Den ersten Aufsichtsrat bildeten William M., Leo Ellinger und Carl Hamburger. Zum ersten Vorstand wurde Zachary Hochschild (1854-1912) bestimmt, der bisherige Prokurist von „Philipp A. Cohen“, der mit Ellinger verschwägert war. Unter Konzentration der Unternehmensleitung in seiner Person entwickelte M. die Firma in kurzer Zeit zu einem auf dem Metallmarkt weltweit führenden Konzern, der nach und nach Handel, Hüttenindustrie, Bergbau und Metallverarbeitung sowie technische Innovationen auf diesen Gebieten umfasste. Die Metallgesellschaft trieb unter M. die Erschließung überseeischer Erzvorräte voran und reagierte auf die zunehmende Nachfrage nach Nichteisenmetallen durch die Elektroindustrie. Zur Verwertung der Erzvorräte kam es zur Errichtung eines Netzes von Handelsvertretungen und Kapitalbeteiligungen sowie zu Neugründungen von Verwertungsgesellschaften in Nordamerika, Mexiko, Australien und Frankreich. Dem überseeischen Einkauf stellte M. Beteiligungen an metallverarbeitenden Unternehmen und langfristige Absatzverträge im Inland an die Seite. M. setzte wissenschaftliche Methoden zur Entwicklung technischer Verfahren sowie effektiverer Arbeits- und Organisationsformen ein. Deren Ergebnisse sowie Markt- und Konjunkturanalysen ließ er seinen Geschäftspartnern in der Zeitschrift „Metallstatistik“ zukommen. Während in der Metallgesellschaft das Handelsgeschäft konzentriert war, wurden Bergbau, Erzverhüttung, Metallraffination, Bau industrieller Anlagen sowie Entwicklung und Vertrieb technischer Neuerungen 1897 unter Gründung der „Metallurgischen Gesellschaft AG“, kurz „Lurgi“, ausgegliedert. M. fungierte als Aufsichtsratsvorsitzender und Generaldirektor der Neugründung. Zur separaten Abwicklung von Finanzgeschäften und als Finanzierungsinstrumente des Gesamtkonzerns wurden 1906 die „Berg- und Metallbank AG“ (Fusion mit der Metallurgischen Gesellschaft 1910) und 1910 die „Schweizerische Gesellschaft für Metallwerte“ gegründet. In der Hand dieser Gesellschaft lag auch die einheitliche Leitung aller Konzerngesellschaften M.s, die organisatorisch den gesamten Erdkreis umfassten. Bis zu seinem plötzlichen Tod 1916 suchte M. „als unbestritten letzte Autorität“ die Geschäfte selbst zu leiten.
Zu den Verdiensten M.s gehören weiterhin seine zahlreichen sozialreformerischen Initiativen. Er stellte dafür den überwiegenden Teil seiner unternehmerischen Einkünfte bereit und engagierte sich in den Aufsichtsgremien. M. setzte hier die Traditionen des Ffter Stiftungswesens fort und trat für sozialen Fortschritt abseits des Parteienbetriebs ein. Den organisatorischen Rahmen und die finanzielle Basis des von ihm ins Werk gesetzten Netzes sozialer Hilfs- und Forschungseinrichtungen bildete das „Institut für Gemeinwohl“ (IfG; Namensgebung 1892). Das IfG, das M. zusammen mit dem Bankier und Philanthropen Charles Hallgarten verwirklichte, entstand ab 1890 aus einem Büro zur Nachprüfung von Bittschriften und wurde 1896 in eine GmbH überführt. M. wollte mit dieser Gründung die Regellosigkeit der privaten Wohlfahrtspflege durch die Etablierung eines neben den Gewerk- und Genossenschaften bestehenden dauerhaften Systems sozialer Selbstverwaltung überwinden; es sollte von volkswirtschaftlich und sozialpolitisch geschulten und sich in der Praxis weiterbildenden „Berufsbeamten“ geleitet werden sowie Tochtergründungen in Gestalt weiterer dem Gemeinwohl dienender Einrichtungen in die Wege leiten. Diese richtungweisende Haltung führte M. an die Seite der zeitgenössischen Sozialreformer und ließ ihn seine sozialen Unternehmungen nach dem Muster seiner geschäftlichen Betriebe organisieren. Das IfG entwickelte sich zu einer anerkannten Forschungsstätte über Ursachen und Verhütung sozialer Missstände, leistete individuelle Hilfen und wirkte weit über Ffm. hinaus, u. a. mit einer bald (1898) eingerichteten Außenstelle in Berlin. M. besaß den Hauptanteil aller Stammeinlagen des mit 500.000 Reichsmark ausgestatteten IfG. Später streute er, um dem IfG Dauerhaftigkeit zu verleihen, kleinere Beteiligungen unter seinen Geschäftsfreunden aus und bezog auch die Stadt Ffm. ein, die schließlich 30 Prozent der Anteile hielt.
Die Reihe der vom IfG materiell ermöglichten Projekte eröffnete 1891 die ursprünglich zur Bekämpfung von Alkoholmissbrauch begründete „Gesellschaft für Wohlfahrtseinrichtungen AG“, die in Ffm. Kantinen und Volksküchen betrieb. Es folgten 1895 die „Auskunftstelle für Arbeiterangelegenheiten“, 1897 der „Verein zur Förderung des Arbeiterwohnungswesens“ (unter Mitwirkung der Ffter Wohnungsbaugesellschaften), 1899 die „Centrale für private Fürsorge“ (aufgelöst 1937, neugegründet 1946, umbenannt 1974: Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik, seit 2005: Bürgerinstitut) sowie 1902 das „Soziale Museum“, meist in Zusammenarbeit mit und mit Unterstützung von Charles Hallgarten. Kritik an der mangelnden Vertrautheit vieler alter Ffter Stiftungen mit dem Gegenstand ihrer Unternehmungen hatte M. bereits 1892 im Vorwort einer Publikation des IfG über Fürsorge in Ffm. formuliert. Wissenschaftliche Untersuchungen im engeren Sinne leisteten die Zentrale für Bergwesen (1902) sowie die Institute für Gewerbehygiene (1908) und Arbeitsphysiologie (1913). M. wirkte ferner an der Bildung der „Gesellschaft für Soziale Reform“ (GfSR) ab 1896 in Berlin mit. Das ebenfalls in Berlin errichtete „Büro für Sozialpolitik“ (1904) vertrat die Interessen von IfG und GfSR. Es verband M.s soziale Unternehmungen in Ffm. mit den entsprechenden Einrichtungen in Berlin und war eine der wenigen Kontaktstellen zwischen bürgerlichen Sozialreformverbänden sowie christlichen und sozialdemokratischen Arbeiterorganisationen.
Die sich zu einem Sozialkonzern zusammenfügenden Unternehmungen M.s waren in ihrer Breite ohne Parallele in der Geschichte der Privatwohltätigkeit und waren der öffentlichen Fürsorge zunächst überlegen. Während M. anfangs die Auffassung vertrat, dass auf dem Gebiet der Wohlfahrtspflege wesentlich weniger von einem Staats- und Gemeindesozialismus als von der freien Tätigkeit wohlhabender Individuen zu erwarten sei, kamen er und seine Mitarbeiter unter dem Eindruck sozialpolitischer Beschlüsse des Reichstags (z. B. Angestelltenversicherung, 1911) zu der von den mit ihnen verbundenen Sozialreformern vertretenen Ansicht, dass die private Wohlfahrt die öffentliche Fürsorge ergänzen und vorwegnehmen solle, da sie neue Hilfsbereiche flexibler erschließen könne. M. setzte sich zwar nicht dezidiert für politische Rechte der wirtschaftlich Abhängigen ein, doch seine sozialen Reformvorstellungen, die über die patriarchalische Betriebsverfassung hinausgingen und auch die Fixierung „konstitutioneller Garantien“ umfassten (Schutz der Arbeitskraft, Tarifverträge, Schlichtungsinstanzen), fanden sich schließlich in den sozialen Errungenschaften der Weimarer Republik wieder. M., der in seinen Unternehmungen gerne „radikal gesinnte, aber fleißige“ junge Akademiker förderte, beteiligte sich auch an der Gründung besonderer Aus- und Weiterbildungseinrichtungen. Er misstraute der auf den herkömmlichen Universitäten einseitig juristisch geprägten Führungsschicht und entwickelte ein neuartiges Bildungsideal: Betriebsdirektoren und leitende Angestellte sollten mit sozialen Ideen und Tatsachen, besonders den Lebensverhältnissen der Arbeiter und Arbeiterinnen, bekannt gemacht werden, während künftige Verwaltungsbeamte und -beamtinnen wirtschaftliche Tatsachen und Wirklichkeitssinn lernen sollten. Über das Medium des IfG inaugurierte M. die „Gesellschaft für wirtschaftliche Ausbildung“ (1902) und wirkte maßgeblich bei der Einrichtung der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften 1901 mit. Das IfG war wesentlicher Träger der Akademie. Zudem stiftete M. im Namen des IfG etwa einen „Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre und Finanzwissenschaft mit besonderer Berücksichtigung der Sozialpolitik, der technischen Ökonomik, des Verkehrswesens und der Verkehrspolitik“ und stellte das Haus Kettenhofweg 27 als Gästehaus für die Akademie zur Verfügung. Seine Vorbehalte gegen die Erweiterung der Akademie zur Universität – M. befürchtete eine Minderung seines Bildungsideals und konzeptionellen Einflusses – gab er schließlich auf. Sein Werbefeldzug für die Hochschule, um den ihn Oberbürgermeister Adickes immer wieder gebeten hatte, und der Einsatz eigener Mittel (2,3 Millionen Reichsmark) führten zum Zustandekommen des erforderlichen Stiftungsbetrags. M. setzte sich für das Fortleben der Akademie als Handelshochschule innerhalb einer in der deutschen Universitätsgeschichte neuartigen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät ein. Zur Erinnerung an ihren gefallenen Sohn, den Kunsthistoriker Adolf M., errichteten M. und seine Ehefrau 1916 die Stiftung „Adolf Merton, Institut und Lehrstuhl für Pädagogik“ an der Universität; die Leitung mit der Professur übertrug M. an Julius Ziehen.
Vertraute und Mitarbeiter rühmten M. für seinen Bürgersinn, den Weitblick in Wirtschafts- und sozialen Fragen sowie seinen „Idealismus der Tat“. Sie beschrieben ihn als geheimnisvolle Persönlichkeit, die außerhalb der Familie wenig von sich mitteilte, als Talentsucher mit wohlwollend-tyrannischem Einschlag, der sich „junge Doktoren halte wie andere Rennpferde“, aber auch als Gentleman Londoner Prägung, der in ausgedehnter Korrespondenz und Gastlichkeit seine Projekte vorantrieb. Bewunderung wie Kritik fand seine Distanz zu öffentlicher Betätigung und Parteiinteressen, die ihn unauffällig liberale wie sozialdemokratische Initiativen (z. B. Max Quarck in Ffm.) finanzieren ließ und durch Diskretion seine Handlungsfreiheit bewahren sollte. Im Ersten Weltkrieg geriet M. durch die Einbindung seiner Unternehmungen in Kriegswirtschaft und -wohlfahrtspflege zunehmend in politisches Fahrwasser. Er sprach sich gegen Kriegsgewinne aus und trat für ständige Gespräche von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens unter Einbeziehung von führenden Vertretern der Gewerkschaften und der Sozialdemokratie ein. Darüber hinaus beteiligte er sich an politischen Klubs im häufig aufgesuchten Berlin. Dort starb M. inmitten weitreichender Pläne für neue Initiativen am 15.12.1916 an einem Herzschlag. Am 2.1.1917 widmete ihm die Stadt Ffm. eine Gedächtnisfeier im Bürgersaal des Rathauses.
Stellvertretender Vorsitzender im Großen Rat und Kuratorium der Ffter Universität seit deren Eröffnung 1914. Mitglied im Präsidium der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer. Mitglied im Beirat der Zentralstelle für Volkswohlfahrt. Mitglied des Deutschen Vereins für Armenpflege und Wohltätigkeit. Mitglied der Casino-Gesellschaft, des Renn-Klubs Ffm., der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft, des Physikalischen Vereins, des Freien Deutschen Hochstifts, des Vereins für Geschichte und Altertumskunde, des Städelschen Museums-Vereins (seit dessen Gründung 1899) sowie weiterer Kunst- und Museumsvereine. Mitarbeit im Ausschuss der Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung von 1891 und im Ausschuss für Volksvorlesungen. Stifter von Exponaten für das Senckenbergmuseum, mindestens einem Gemälde für das Städel und Autographen für das Ffter Goethe-Museum.
1901 Wilhelm-Orden. Ehrendoktor der Philosophischen Fakultät der Universität Marburg (1906) und der TH Aachen (1913). Ehrenmitgliedschaften: Deutscher Verband für kaufmännisches Unterrichtswesen (seit 1901), Verein für Kinderhorte in Ffm. u. a.
Porträtgemälde (von Julius Hülsen), Original früher vermutlich im Besitz der Metallgesellschaft, Reproduktion (von Heinz Saalig, 1954) im UAF. Marmorbüste (von Fritz Klimsch, 1917) im Jügelhaus der Universität (von den Nationalsozialisten entfernt 1936). Bronzebüste (Abguss der Marmorbüste von Fritz Klimsch, 1917, als Geschenk von Richard M. an die Universität, 1948) im UAF.
Die Familie M. wohnte in einer eigenen Villa in der Guiollettstraße 24 im Westend (ab Adr. 1882) und besaß ein Ferienhaus in Tremezzo am Comer See (seit 1900). Wilhelm M. ist in der Familiengrabstätte auf dem Ffter Hauptfriedhof (Gewann II GG 9-12) bestattet.
Zum 175. Geburtstag 2023/24 Ausstellung „Metall & Gesellschaft. #WilhelmMerton“ im Jüdischen Museum Fft.
M.viertel auf dem Areal der VDM (vormals: Heddernheimer Kupferwerke) in Heddernheim; dort Geschäfts- und Wohnhaus „Merton’s Passage“ [sic!]. M.straße in Bockenheim. Von 1917 bis zur Schließung 1930 M.-Realschule, eine städtische „Handelsrealschule mit Höherer Handelsschule“, in der Junghofstraße 16 in der Innenstadt. Seit 1986 Wilhelm-M.-Schule, eine berufliche Schule für Wirtschaft, Verwaltung, Hauswirtschaft, Ernährung und Gastronomie (bis 1986: Kaufmännische Berufsschule 7), in Bornheim. Wilhelm-M.-Zentrum für Europäische Integration und Internationale Wirtschaftsordnung an der Ffter Universität (seit 2005). Wilhelm-M.-Stiftung, errichtet von der Metallgesellschaft 1982 als unselbstständige Stiftung zur Unterstützung wirtschaftswissenschaftlicher Vorhaben in Forschung und Lehre an der Ffter Universität; die Stiftung initiierte „Merton-Lesungen“ zur Wirtschafts- und Sozialwissenschaft (von Nicholas Kaldor, 1982, und von Kurt Schmidt, 1985, ursprünglich gedacht als Beginn einer Reihe), finanzierte ab 1991 eine nach M. benannte Professur für Betriebswirtschaftslehre, deren Trägerschaft 1996 vom Land Hessen übernommen wurde, und vergibt den Wilhelm-M.-Preis für hervorragende Dissertationen auf dem Gebiet der Wirtschaftswissenschaften. Wilhelm-M.-Preis für europäische Übersetzungen, verliehen seit 2001 alle drei Jahre von der Gontard & MetallBank-Stiftung gemeinsam mit der Stadt Ffm.
Gedenktafel und Porträtbüste (Abguss der von Fritz Klimsch 1917 geschaffenen Büste von Edwin Hüller, 2001) in „Merton’s Passage“ [sic!] in Heddernheim.

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Internet: Hessische Biografie, ein Kooperationsprojekt des Instituts für Personengeschichte in Bensheim und des Hessischen Landesamts für geschichtliche Landeskunde in Marburg zur Erstellung einer umfassenden personengeschichtlichen Dokumentation des Landes Hessen. https://www.lagis-hessen.de/pnd/119228386Hess. Biografie, 9.5.2023. | Kunst im öffentlichen Raum Fft., ein Internetportal des Fachbereichs Bildende Kunst im Kulturamt der Stadt Ffm. https://www.kunst-im-oeffentlichen-raum-frankfurt.de/de/page166.html?id=467
Hinweis: Heike Drummer: Porträtbüste und Gedenktafel für Wilhelm Merton, 2022.
Kunst im öffentl. Raum Fft., 8.5.2023.
| Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_MertonWikipedia, 9.5.2023.

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Empfohlene Zitierweise: Picard, Tobias: Merton, Familie. In: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe), https://frankfurter-personenlexikon.de/node/506
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Stand des Artikels: 7.4.1995