Sohn des Steuerinspektors Georg R. (1840-1921) und dessen Ehefrau Marie, geb. Jacob (1845-1912). Der Vater war Finanzvorstand der Saline Friedrichshall in (Bad Friedrichshall-)Jagstfeld. Verheiratet (seit 1920) mit Katharina Elisabetha, gen.
Käthe, R., geb. Döll (1882-1956). Eine Tochter: Helge R. (* 1920).
R. besuchte von 1889 bis 1891 die Lateinschule in Freudenstadt und legte 1899 am Gymnasium Heilbronn die Reifeprüfung ab. Bis Herbst 1900 diente er als Einjährig-Freiwilliger in einem badischen Grenadierregiment in Heidelberg, wo er daneben an der Universität immatrikuliert war. Auf Wunsch der Mutter schlug R. zunächst eine juristische Laufbahn ein. Er studierte Rechts- und Staatswissenschaften, aber auch sein „Lieblingsfach“ Philosophie an den Universitäten München, Berlin und Freiburg. Im Dezember 1903 legte er in Karlsruhe die erste juristische Staatsprüfung ab und war anschließend bei verschiedenen staatlichen Behörden in Mannheim, Kehl, Durlach und Karlsruhe tätig. 1904 wurde er beim 3. Badischen Infanterie-Regiment Markgraf Ludwig Wilhelm Nr. 111 zum Leutnant der Reserve befördert. 1906 promovierte er an der Universität Heidelberg mit einer juristischen Dissertation („Der Anteil des Bundesrates an der Reichsgesetzgebung“). Nach der zweiten juristischen Staatsprüfung 1907 wurde er zum Gerichtsassessor ernannt. Wohl bereits 1908 schlug R., seinen Neigungen folgend, die Bibliothekslaufbahn ein und wurde als Volontär zunächst an der Universitätsbibliothek in Heidelberg, dann (ab 1909) an der Großherzoglichen Universitätsbibliothek in Gießen ausgebildet. Zum 1.7.1911 kam er als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter an die Senckenbergische Bibliothek in Ffm. 1913 wurde er in der Nachfolge von Gustav Wahl (1877-1947) zum Bibliothekar und Vorstand der Senckenbergischen Bibliothek ernannt. Ab August 1914 leistete R. Kriegsdienst, aus dem er als Hauptmann der Landwehr zum 31.12.1918 entlassen wurde. Während der „viereinhalbjährigen Abwesenheit im Felde“ wurde er in seinem Ffter Amt von dem Bibliothekar Wilhelm Weinreich (1889-1971) vertreten. Am 1.2.1919 übernahm R. die Bibliotheksleitung wieder in persona. Nachdem die Senckenbergische Bibliothek mit Eröffnung der Ffter Universität 1914 zur Universitätsbibliothek für die Medizinische und Naturwissenschaftliche Fakultät geworden war, war R. bereits 1916 der Titel „Direktor“ verliehen worden.
In den ersten Jahren seiner Dienstzeit an der Senckenbergischen Bibliothek vervollständigte R. zunächst den Standort- und den alphabetischen Katalog und baute anschließend einen systematischen Katalog und einen Schlagwortkatalog auf. Außerdem erstellte er ein laufendes Zeitschriftenverzeichnis. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit war zudem die Ausweitung des Tauschverkehrs wissenschaftlicher Zeitschriften (von 213 ausländischen Zeitschriften 1921 auf mehr als 400 im Jahr 1933), wodurch der Wissenschaftsstandort Ffm. in fast allen Ländern der Erde bekannt wurde. Der Bücherbestand insgesamt wurde unter R.s Leitung von 90.000 Bänden (1913) auf 310.000 Bände (1940) erweitert. Als im April 1923 die Senckenbergische Bibliothek in den Etat der Universität übernommen und damit dem preußischen Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung unterstellt wurde, wurde R. zum preußischen Staatsbeamten (ab 1925) und konnte nunmehr unabhängig über ein ausreichendes Bücheranschaffungskonto verfügen. Zwischen 1924 und 1926 konnte R. seinen Dienst länger nicht versehen, da er sich u. a. aufgrund einer diagnostizierten Depression mehrfach in der Städtischen und Universitätsklinik für Gemüts- und Nervenkranke in Behandlung von Karl Kleist (1879-1960) befand. Dem städtischen Bestreben, das zersplitterte Ffter Bibliothekswesen zusammenzuführen, um eine leistungsfähige zentrale Universitätsbibliothek zu schaffen, begegnete R., der die organisatorische Unabhängigkeit der Senckenbergischen Bibliothek befürwortete, stets mit Ablehnung. Diese Haltung nahm er schon während der 1920 diesbezüglich einsetzenden Verhandlungen zwischen dem Kulturamt und den privaten Stiftungsbibliotheken ein (vgl. R. in: 25.-26. Bericht der Senckenbergischen Bibliothek 1933, S. 34f.). Ab 1927 vertrat R. die Senckenbergische Bibliothek in den regelmäßig stattfindenden Direktorenkonferenzen unter
Richard Oehler als dem neuen Generaldirektor der Ffter wissenschaftlichen Bibliotheken.
R. war ab 1921 Mitglied der
Schopenhauer-Gesellschaft und ab 1930 häufig als Autor im
Schopenhauer-Jahrbuch vertreten, meist mit Beiträgen zu
Schopenhauers Genealogie und zu dessen Leben in Ffm., u. a. über „
Neubürgers Besuch bei
Schopenhauer“ (in: Schopenhauer-Jb., 1938). Ab 1933 gehörte R. dem Vorstand der
Schopenhauer-Gesellschaft an, zunächst als stellvertretender Archivar für den erkrankten
Carl Gebhardt und ab 1935 als Beisitzer. 1937 zählte R. zu den Unterstützern von
Arthur Hübscher beim Ausschluss der jüdischen Mitglieder, darunter der Ffter Justizrat
Leo Wurzmann, aus dem Vorstand. Ab 1938 war R. auch Mitglied der wissenschaftlichen Leitung der Gesellschaft; er behielt diese Funktion ebenso wie die Mitgliedschaft im Vorstand bis zu seinem Tod. Sein „Stammbaum
Arthur Schopenhauers“ wurde 1938 anlässlich der Danziger Reichsfeier zum 150. Geburtstag des Philosophen, die von der NSDAP und dem Amt Rosenberg ausgerichtet wurde, im offiziellen Festprogramm abgedruckt.
Trotz der Nähe seines Gedankenguts zur NS-Ideologie war R. kein Mitglied der NSDAP. Nach eigenen Angaben aus dem Jahr 1937 hatte er allerdings der SA angehört und war „förderndes Mitglied“ der SS (vgl. Universitätsarchiv Ffm., Best. 14 Nr. 376, Bl. 3). 1937 behauptete R. in einem Beschwerdebrief an die Gestapo, dass diese ihn überwache und „telepathische Ströme auf sein Bett gesandt würden“ (vgl. Aktenvermerk vom 7.12.1937 in: Universitätsarchiv Ffm., Best. 14 Nr. 376, Bl. 110). Daraufhin wurde ihm Schutzhaft angedroht, die aber in einem persönlichen Gespräch abgewendet wurde. Am 24.10.1941 organisierte R. eine rassekundliche Buchausstellung in der Senckenbergischen Bibliothek.
Im Oktober 1943 wurde R.s Wohnung in der Wöhlerstraße 20 im Westend im Luftkrieg zerstört. Er zog für längere Zeit nach Krumbach/Oberfranken und konnte einen Teil der besonders wertvollen Bücher aus der Senckenbergischen Bibliothek dorthin mitnehmen. Infolge seiner Abwesenheit wurden Verpackung und Verschickung der übrigen erheblichen Bestände der Senckenbergischen Bibliothek nach den Märzangriffen 1944 nicht von ihm als Direktor verantwortet und vorwiegend vom Personal der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft ausgeführt. Von Oktober bis November 1944 befand sich R. für einige Wochen dienstlich in Oberfranken, wohin auch die Bestände der Senckenbergischen Bibliothek ausgelagert worden waren. Noch 1945, nachdem
Friedrich Knorr, der stellvertretende Generaldirektor der Städtischen und Universitätsbibliotheken, in Oberfranken die dorthin verbrachten Ffter Bibliotheken organisatorisch zusammengeführt hatte, sprach sich R. gegen jegliche Vereinigung der Stadtbibliothek mit der Senckenbergischen Bibliothek aus. Ebenso äußerte er sich 1946, als
Hanns Wilhelm Eppelsheimer als neuer Direktor der Stadt- und Universitätsbibliothek diesen Kurs fortsetzte. (Vgl. R.s ablehnende Briefe vom 2.2.1945 und vom 8.3.1946 in: ISG, Dr. Senckenbergische Stiftung, V48/793.)
Am 22.5.1946 wurde R. von der US-Militärregierung bescheinigt, dass gegen seine Weiterbeschäftigung bis auf Weiteres „keinerlei Bedenken“ bestünden (Universitätsarchiv Ffm., Best. 14 Nr. 376, Bl. 81). Nach R.s erneuter Erkrankung im Juni 1946 und Aufenthalt in einer Nervenklinik beantragte
August de Bary als Vorsitzender der Administration der Dr. Senckenbergischen Stiftung im November 1946 beim Minister für Kultus und Unterricht in Wiesbaden die vorzeitige Pensionierung R.s, der zum 31.3.1947 stattgegeben wurde.
Weitere Mitgliedschaften: Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft, Kant-Gesellschaft, Verein Deutscher Bibliothekare, Reichsbund der Deutschen Beamten.
R. verfasste die regelmäßigen Berichte der Senckenbergischen Bibliothek und veröffentlichte Aufsätze über deren Geschichte, u. a. „Die Senckenbergische Bibliothek. 25 Jahre öffentliche Bibliothek“ (in: Zentralblatt für Bibliothekswesen, 1932) und „Geschichte der Senckenbergischen Bibliothek“ (in: 25.⁠-⁠26. Bericht der Senckenbergischen Bibliothek, 1933). Außerhalb seiner fachbezogenen Tätigkeit als Bibliothekar trat R. mit zahlreichen Publikationen auf dem Gebiet der Philosophie und insbesondere der Genie-, Familien- und Rasseforschung hervor. Einzelbeiträge von ihm erschienen in Zeitungen und Fachzeitschriften wie „Hamburgischer Correspondent“, „Archiv für Geschichte der Philosophie“, „Xenien“, „Das freie Wort“, „Politisch-Anthropologische Monatsschrift“, „Hochland“, „Süddeutsche Monatshefte“, „Volk und Rasse“ u. a. Kleinere Abhandlungen publizierte R. teilweise im Selbstverlag. Zu seinen Buchveröffentlichungen gehören „Der kritische Idealismus und seine Widerlegung“ (1918), „Das philosophische Genie und seine Rasseabstammung“ (1922), „Die charakterologische und Rasse-Bedeutung der Adlernase“ (1922), „Der relativistische Positivismus“ (philosophische Aufsätze, 1923-27), „
Goethes Abstammung und Rassenmerkmale“ (1934), „Rassenmerkmale Beethovens und seiner nächsten Verwandten“ (1934), „
Richard Wagners Abstammung und Rassenmerkmale“( 1937), „Ahnentafel des Komponisten
Hans Pfitzner“ (1939), „Erb- und Rassenpsychologie schöpferischer Persönlichkeiten“ (1942), „Das Weltgesetz der Polarität“ (1951) u. a. Während der NS-Diktatur stießen R.s pseudowissenschaftliche Publikationen verstärkt auf positive Resonanz: „Seine Hauptarbeit gilt heute der Genieforschung, sowohl in genealogischer wie rassenkundlicher Hinsicht. (...) er gibt eine rassenseelische Analyse Beethovens, (...) die heute kaum noch angefochten werden dürfte. (...) Zum
Goethejahr 1932 legt er eine eingehende Untersuchung über die Genealogie unseres Dichterfürsten vor.“ (FZ, Stadtblatt, Nr. 160, 12.7.1940.)
Kriegsorden und Ehrenzeichen: Eisernes Kreuz II. Klasse (1916), Ritterkreuz des Ordens vom Zähringer Löwen [vermutlich II. Klasse] mit Eichenlaub und Schwertern (1917), Ehrenkreuz für Frontkämpfer (1935) und Treuedienst-Ehrenzeichen 2. Stufe für 25-jährige Tätigkeit im öffentlichen Dienst (1938).
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