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Remszhardt, Godo

Godo Remszhardt (1920er Jahre)
Godo Remszhardt
Fotografie (1920er Jahre; in Privatbesitz).
© privat. Nähere Informationen auf Anfrage bei der Redaktion.
Godo Remszhardt (1964)
Godo Remszhardt
Fotografie von Wolfgang Kunz (1964).
© Wolfgang Kunz, Berlin.
Remszhardt (eigentl.: Remßhardt), Gotbald, gen. Godo. Psd.: Ulrich Wassermann. Signum: GR. Kunst-, Literatur-, Jazz- und Architekturkritiker. Übersetzer. Lektor. Kurator. * 26.1.1904 Stuttgart, † 1.12.1970 Ffm.
Aus einer seit 1697 in Giengen an der Brenz dokumentierten Familie. Der Vater war Kaufmann. Verheiratet (seit 1940) mit Helena R., geb. Lofink (1914-2007), späterer Mitarbeiterin und Gesellschafterin des Ffter Kunstkabinetts. Ein Sohn: Ulrich R. (* 1944).
R. besuchte zunächst die Realschule in Giengen. Durch seine Schwester lernte er Karl Gerold, den späteren Verleger, Herausgeber und Chefredakteur der Ffter Rundschau, kennen, dem er als älterer Freund wichtige Impulse für seine intellektuelle Entwicklung gab. Gerold sah in ihm schon damals einen „sinnierenden beginnenden Weisen“ (zit. nach: FR, 5.12.1970). Der Grundstein für R.s unbedingten Glauben an die Menschenwürde und seine stete Parteinahme für Minderheiten und Benachteiligte wurde gelegt, als sein Vater eine von der Gendarmerie attackierte Sintigruppe kurzerhand zu seinen „Gästen“ machte.
Nachdem R. ein Internat besucht hatte, begann er in Tübingen ein Studium der Theologie, Psychologie und Kunstgeschichte, das er später in Ffm. fortsetzte. (Dem elterlichen Wunsch, dass er Pfarrer werden solle, kam er nicht nach, da er eigene Pläne verfolgte.) In den 1920er Jahren begann die Freundschaft mit Felix Weil, dem Mitbegründer und Finanzier des Ffter Instituts für Sozialforschung. Bereits 1930 kontaktierte R. den Schriftsteller Langston Hughes (1901-1967) in New York wegen Übersetzungen von dessen Werken und wandte sich erneut an die „National Association for the Advancement of Colored People“ (NAACP), mit deren Repräsentanten er sich im Vorjahr in Ffm. wegen der Publikation einer Anthologie afroamerikanischer Literatur getroffen hatte. Trotz seines detailliert ausgearbeiteten Konzepts konnte das Projekt nicht realisiert werden.
1933 traf R. Gerold wieder, und das Thema nächtlicher Gespräche war der Kampf gegen den Nationalsozialismus. Mehrmals wurde R. in Ffm. von der Gestapo verhaftet und bedrohlichen Verhören unterzogen. Er unternahm verschiedene antifaschistische Aktivitäten wie Kurierfahrten, um ins Ausland geflüchteten Juden und Jüdinnen den Erlös für ihre Habe zukommen zu lassen. Der jüdische Künstler Georg Eisler (1928-1998), Präsident der Wiener Secession, nannte ihn später „einen der Gerechten“ (Kondolenzschreiben von Georg Eisler, 7.12.1970).
R. hatte Verbindungen zum Ffter Städel. Dessen Schule veröffentlichte 1936 seine Erzählung „Schwäbische Erinnerung“ in einer bibliophilen Ausgabe mit handkolorierten Illustrationen in wohl nur einigen wenigen Exemplaren. Vermutlich zu jener Zeit fertigte eine Schülerin (Monogramm RW) auch eine Porträtbüste aus Ton von ihm an (in Privatbesitz). Erste Beiträge von R. erschienen gelegentlich in der Ffter Zeitung.
Im Zweiten Weltkrieg wurde R. in Russland eingesetzt; er wurde verschüttet und geriet schließlich in Gefangenschaft. Da er neben elf anderen Sprachen auch des Russischen mächtig war, konnte er in dieser Zeit als Archivar arbeiten.
1946 kehrte R. nach Ffm. zurück. Er leitete für wenige Jahre (etwa von 1946 bis 1948) das Feuilleton der Ffter Rundschau. Anschließend schrieb er als freier Mitarbeiter für die FR (von 1953 bis 1958 gelegentlich unter dem Pseudonym Ulrich Wassermann), was seinem Naturell eher entsprach. Er setzte sich zunächst für „die Rehabilitierung der Maler, Literaten und Musiker, die nach 1933 verstummen mussten, ein“, indem er die Rolle des „aufklärenden Vermittlers“ übernahm (Peter Iden im Nachruf des HR, 9.12.1970) sowie Ausstellungen, vor allem in der Zimmergalerie Franck und dem Ffter Kunstkabinett, initiierte. 1949 erschien bei V. O. Stomps (1897-1970) in der Eremitenpresse in Ffm. R.s „Kleine Kunstgeschichte wegen Zigarren“ (mit der Verfasserangabe „von einem Liebhaber“), eine bibliophile Rarität in 55 Exemplaren mit handvergoldeten Zeichnungen nach Motiven originaler Tabakgrafiken aus der Sammlung des Verfassers. Auch in die sich in Ffm. etablierende Jazzszene um Olaf Hudtwalcker (1915-1984), Horst Lippmann und Carlo Bohländer war R. eingebunden, und er wurde schnell eine der das Ffter Kulturgeschehen prägenden Persönlichkeiten. Am 30.12.1952 erschien von R. die wohl erste Rezension der Ausstellung von vier sich „Neuexpressionisten“ nennenden Künstlern (die dann als „Quadriga“ berühmt wurden) in der Zimmergalerie Franck. Dort hatte einige Monate zuvor auch die erste Gedichtlesung von Paul Celan (1920-1970) in Deutschland stattgefunden. R.s Besprechung vom 9.6.1952 bewahrte Celan lebenslang auf.
Seit Anfang der 1950er Jahre stand R. in intensivem Austausch mit dem Maler Christian Schad (1894-1982), dessen Ausstellung 1956 im Ffter Kunstverein er kuratierte. Entscheidenden Anteil hatte R. an der Wiederaufnahme der „Schadografie“, einer von Schad ab 1919 entwickelten Technik von Fotogrammen, nachdem er Schad mit dem befreundeten Fotohistoriker Helmut Gernsheim (1913-1995) bei dessen Ausstellungseröffnung im Karmeliterkloster 1960 bekannt gemacht hatte. Für seine neue Serie von Schadografien ließ sich der Künstler vor allem durch die von R. empfohlene Lektüre des Prosapoems „Gaspard de la Nuit“ von Aloysius Bertrand (1807-1841) inspirieren.
Für die umfassende Ossip-Zadkine-Ausstellung der Galerie am Dom 1963 im Ffter Karmeliterkloster konzipierte R. den Katalog („Ossip Zadkine – Plastiken, Gouachen, Zeichnungen, Tapisserien“, 1963) und verfasste dafür sein „Aphoristisches Fragment zu Zadkine in Fft.“. 1964 konnte er eine Grafik-Ausstellung von Gisèle Celan-Lestrange (1927-1991) in der Galerie Loehr vermitteln und Paul Celan zu einer weiteren Lesung bewegen. Zur Eröffnung der neuen Stadt- und Universitätsbibliothek (Architekt: Ferdinand Kramer, 1959-65) und Enthüllung der dortigen Bronze „Prometheus“ von Ossip Zadkine am 29.4.1965 erschien die von R. gestaltete Festschrift mit dem titelgebenden Text „Wiederkehr des Prometheus“, einer Chronik der städtischen Büchersammlungen sowie den Biographien von Ossip Zadkine und Ferdinand Kramer, herausgegeben vom Amt für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung der Stadt Ffm. Im Mai 1965 widmete Ossip Zadkine ihm eine Folge von acht Zeichnungen „pour illustrer vos poèmes“ (Brief von Ossip Zadkine, 11.5.1965) in einer bibliophilen Ausgabe, die jedoch nicht mehr realisiert werden konnte.
Von 1966 bis 1968 hielt R. sich zwecks Sichtung und Inventarisierung des künstlerischen Bestandes des „Blauen Hauses“ in Hofheim auf. In dem Buch „Deutsche Expressionisten in der Privatsammlung Hanna Bekker vom Rath“ (gewidmet „der Malerin, Sammlerin und Händlerin Hanna Bekker vom Rath zum 75. Geburtstag von ihren Freunden“, 1968) zeugt das Kürzel I. T. F. (in tormentis fecit = er machte es unter Qualen) von den Widrigkeiten bei der Erarbeitung.
R. starb nach langem Leiden am 1.12.1970. Bei der Beisetzung im kleinsten Kreis sprach Hanna Bekker vom Rath einige Abschiedsworte. Die Grabstätte, für die Hans Steinbrenner eine Skulptur aus Basaltlava geschaffen hat, befindet sich auf dem Friedhof in Ffm.-Heddernheim. Karl Gerold betitelte seinen Nachruf „Ein Weiser ging dahin“ (in: FR, 5.12.1970), und Heinrich Heym bezeichnete R. als „Hyronymus im Gehäus“: „Der Liebhaber von Kunst und Musik ging auf Taubenfüßen durch unsere Welt und hat sie so leise auch verlassen.“ (Nachruf von Heinrich Heym in: FAZ, 5.12.1970.) Christian Schad beschrieb ihn: „Er war ganz Geist, umhüllt von Zigarettenrauch und Kaffeeduft.“ (Telefonat d. Verf. mit Bettina Schad, um 2000.) Der Darmstädter Schriftsteller Heinz Winfried Sabais (1922-1981) fasste seine Eindrücke zusammen: „Godo war ein Mensch, wie ihn nur Dichter erfinden können.“ (Kondolenzschreiben von Heinz Winfried Sabais, 5.12.1970.) Der Flamenco-Gitarrist Carlos Montoya (1903-1993) und seine Frau schrieben aus New York: „We considered him a friend and a wonderful intellectual.“ (Kondolenzschreiben von Carlos Montoya und Frau, 17.2.1971.) Der Architekt Ferdinand Kramer erinnerte an seinen „Freund Godo, mit dem ich entscheidende Kämpfe meines Lebens – für die Universität – gemeinsam durchgefochten habe“. (Brief von Ferdinand Kramer an Helena Remszhardt, 31.1.1978.) Immer wieder hervorgehoben wurde auch seine beeindruckende Kollegialität bei gleichzeitig äußerster Zurückhaltung, z. B. von Heinrich Heym („echte kollegiale Hilfsbereitschaft“, „ein Geben ohne jedes Aufheben“, so in: FAZ, 5.12.1970).
Alle Texte von R. waren – unter Berücksichtigung historischer, literarischer und philosophischer Aspekte basierend auf seiner universellen Bildung – geprägt von großer Sensibilität und außergewöhnlichem Ausdrucksvermögen.
Weitere Publikationen (in Auswahl): „Pablo Picasso“ (1952), „Vincent van Gogh“ (1952), „Marc Chagall“ (1953), „Maurice Utrillo“ (1953), „Paul Gauguin“ (1954), „Edvard Munch: Sommernacht“ (1954), „Aristide Maillol: Gefilde der Liebe. Holzschnitte aus ‚Daphnis und Chloe‘“ (1954), „Christian Schad – Bilder, Grafik“ (Katalog zur Ausstellung im Aschaffenburger Schloss, 1955), „Christian Schad – Bilder und Blätter“ (Katalog zur Ausstellung im Ffter Kunstverein, 1959), „Fauser“ (Faltblätter des „Ffter Kunstkabinetts Hanna Bekker vom Rath“ und des Kunstvereins Tübingen, 1959), „Benno Walldorf“ (Katalog der Galerie am Dom, 1962), „Zeichen des Herbstes. Geburtstagsgruß für Ferdinand Kramer“ (mit einem Farbholzschnitt von HAP Grieshaber, 1963), „S. Sebba – Ölbilder 1944-1963“ (Katalog des „Ffter Kunstkabinetts Hanna Bekker vom Rath“, 1963), „Was da ist. Kunst und Literatur in Fft.“ (als Mitverf., 1963), „Picasso – Frühe Bilder“ (1964), „Vincent van Gogh – Gemälde“ (1964), „Ella Fitzgerald“ (Begleitheft zur Europatournee für die Agentur „Lippmann + Rau“, 1964), „Duke Ellington – Großfürst des Jazz“ (Begleitheft zur Europatournee für die Agentur „Lippmann + Rau“, 1965), „Franz Cestnik“ (Katalog des „Ffter Kunstkabinetts Hanna Bekker vom Rath“, 1965), „Christoph Meckel“ (Katalog der Neuen Münchner Galerie, 1965), „HAP Grieshaber: Totentanz“ (1966), „Gerhard Hintschich – Bilder, Zeichnungen, Druckgraphik“ (Katalog des „Ffter Kunstkabinetts Hanna Bekker vom Rath“, 1967), „Valentine Prax: Musik vom Meer her“ (Katalog des „Ffter Kunstkabinetts Hanna Bekker vom Rath“, 1967), „Yuko Ikewada“ (Katalog der Galerie Sydow, Ffm., 1968), „Karl Gerold – Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen“ (Katalog zur Ausstellung „Zeitungsmacher malen Bilder“ in Riehen/Basel, zusammen mit Otto Goldschadt, 1969), „Wifredo Lam – Ölbilder, Zeichnungen, Druckgraphik“ (Katalog des „Ffter Kunstkabinetts Hanna Bekker vom Rath“, 1969), „Alexander von Humboldt“ (Beitrag in der Festschrift der Deutsch-Ibero-Amerikanischen Gesellschaft zum 200. Geburtstag von Alexander von Humboldt und zum 15-jährigen Bestehen der Deutsch-Ibero-Amerikanischen Gesellschaft, 1969), „Frans Masereel“ (Beitrag zum Katalog der Ausstellung in der Wandelhalle der Paulskirche, 1970) sowie Artikel in Zeitschriften wie den „Ffter Heften“ und „Bauwelt“ (darin: „Universität Fft. – Problem und Modell“, 1963, u. a.).
Ölporträt (von Hanna Bekker vom Rath, 1961) in Privatbesitz.
Das komplette Godo-R.-Archiv der Ffter Rundschau (in Kopie) wurde 1994 vom Ffter Museum für Moderne Kunst in dessen Bestände übernommen.
Posthum erschienen Beiträge von R. in kunsthistorischen Publikationen (u. a. zu Hanna Bekker vom Rath) und in Ausstellungskatalogen. Die FR druckte 1973 einen Text von R. ab, in dem er nachdrücklich (aber vergeblich) für die Übernahme des berühmten Felix-Weil-Porträts (1926) von George Grosz (1893-1959) durch ein Ffter Museum warb. In der Ausstellung „Doppelleben – Literarische Szenen aus Nachkriegsdeutschland“ der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung 2009 im Ffter Literaturhaus wurde auf einer Tafel mit R.s Text „Paul Celan liest“ an Celans Lesung 1952 in der Zimmergalerie Franck in Ffm. erinnert.

Artikel aus: Frankfurter Personenlexikon, verfasst von Ulrich Remszhardt.

Literatur:
                        
Barboza, Amalia/Dauss, Markus (Hg.): Konzept Campus. Transformationen des universitären Feldes. Heidelberg 2022.Barr, Helen: Positionsbestimmungen. Die Ffter Universitätsbauten in der Architekturkritik 1950 bis 1964. In: Barboza,/Dauss (Hg.): Konzept Campus 2022, S. 97-109, hier S. 105f.
Quellen: ISG, Dokumentationsmappe in der Sammlung S2 (mit Kleinschriften, Zeitungsausschnitten und Nekrologen zu einzelnen Personen und Familien).ISG, S2/7.086. | Nachlass. Nachlass in Privatbesitz.

GND: 116437367 (Eintrag der Deutschen Nationalbibliothek).
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Empfohlene Zitierweise: Remszhardt, Ulrich: Remszhardt, Godo. In: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe), https://frankfurter-personenlexikon.de/node/7616

Stand des Artikels: 27.5.2025
Erstmals erschienen in Monatslieferung: 06.2025.