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Heerdt, Emma

Heerdt, Margarethe Friederike Emma. Malerin. Diese Angaben konnten anhand von Dokumenten zweifelsfrei bestätigt werden.* 14.11.1849 Ffm., † 7.8.1936 Heidenheim an der Brenz.
Tochter des Landschaftsmalers Johann Christian H. (1812-1878) und dessen Ehefrau Maria Dorothea Amalie, gen. Malchen, geb. Binding (1807-?). Zwei ältere Schwestern: Auguste H. (1846-1917), verheiratet (seit 1869) mit dem promovierten Chemiker Georg Philipp Anton Kühner (1839-1884), der eine Maschinenölfabrik in Ffm. betrieb; Susanna Clementine H. (1848-1937), verheiratet (seit 1870) mit dem Fabrikanten Georg Ludwig Victor Zöppritz (1839-1922) aus Darmstadt, der in (Heidenheim-)Mergelstetten an der Brenz ein noch heute existierendes Familienunternehmen führte. Ledig. Keine Kinder.
H. wuchs zunächst in der Bleichstraße 42 auf und zog um 1851 mit der Familie nach Bockenheim. Nach drei Jahren kehrte die Familie zurück nach Ffm., um den drei Töchtern den Besuch der weiblichen Erziehungsanstalt von Bertha Ryhiner (1812-1873) zu ermöglichen. Die Familie wohnte im Grüneburgweg 33 (ab Adr. 1857). H. verlebte „eine schöne Kinderzeit, immer in Gärten wohnend, meist mit freiem Blick“ (Emma Heerdt: Erinnerungen 1927, S. 6), und besuchte als Kind öfter ihre Tante Maria Dorothea, gen. Doris, Binding, geb. Binding (1808-1890), die mit dem Appellationsgerichtsrat und Stadtgerichtsdirektor Georg Christoph Binding (1807-1877) verheiratet war, in der Schönen Aussicht 2. Von ihrem Vater, der in der Familie die Musik pflegte, erhielt H. schon früh eine musikalische Ausbildung. Als Heranwachsende hatte sie Klavierunterricht bei Emma Zwerger (1832-1905), einer Tochter des Bildhauers Johann Nepomuk Zwerger. Die beiden Künstlerfamilien H. und Zwerger waren befreundet und trafen sich bis 1866, als die Zwergers nach Cannstatt zogen, regelmäßig zum Musizieren. Zwergers jüngster Sohn Rudolph Zwerger (1844-1891) blieb in Ffm. und lernte auf den Musikabenden im Hause H. seine spätere Ehefrau Sophie Morgenstern (1846-1882) kennen, eine Tochter des Malers Carl Morgenstern. Mit dem Paar verband H. eine lebenslange Freundschaft.
Am 28.6.1869 schrieb der Vater Johann Christian H. einen Brief an die Administration des Städelschen Kunstinstituts, in dem er um die Aufnahme seiner Tochter Emma H. als Schülerin nachsuchte. Johann Christian H. war einst selbst am Städelschen Kunstinstitut ausgebildet worden. Nachdem auch der Lehrer Georg Schultze (1821-1873) am 22.9.1869 schriftlich um Aufnahme seiner Tochter Marie Schultze (1852-1917) gebeten hatte, beschloss die Städeladministration am 4.11.1869, die beiden Frauen versuchsweise aufzunehmen. Das von den männlichen Ateliers getrennte „Südzimmer“, in dem bereits die Malerinnen Caroline Schierholz und Emilie Döring (1839/40-1907) arbeiteten, wurde wegen der beiden Neuzugänge „durch Pappwände in vier Räume geteilt“ (Emma Heerdt: Erinnerungen 1927, S. 14). Zugleich wurde seitens der Administration die Aufnahme weiterer Schülerinnen wegen Platzmangels vorläufig unterbunden.
H. und Marie Schultze, die enge Freundinnen wurden, wurden ab November 1869 gemeinsam am Städelschen Kunstinstitut ausgebildet und studierten dort beide bis 1878. Zu ihren Lehrern gehörten der Bildhauer Heinrich Petry, bei dem sie das Modellieren lernten, und insbesondere der Maler Heinrich Hasselhorst, der sein Atelier nebenan hatte und der „täglich zur Correktur und auch gar manchmal zum Plauderstündchen“ (ebd.) vorbeikam. Weitere Lehrer waren der schon erkrankte und 1872 verstorbene Jakob Becker, der sein Atelier auf dem gleichen Gang hatte, sowie Gustav Kaupert und Leopold Bode. 1875 stieß Josefine Schalk als Hasselhorsts Privatschülerin zu den studierenden Frauen am Städel. Auch mit ihr blieb H. lebenslang in freundschaftlichem Kontakt.
H. wohnte in der Zeit ihrer Ausbildung bei ihren Eltern auf dem Kies 2 in Bockenheim. Nachdem der Vater 1878 gestorben war und die Mutter 1881 zu ihrer mittleren Tochter Clementine Zöppritz in Mergelstetten an der Brenz gezogen war, lebte H. in einem eigenen Haushalt in der Senckenbergstraße (heute: Stephanstraße) 1 nahe der Brönnerstraße (ab Adr. 1883; Haus nicht erhalten, an dessen Stelle heute das städtische Kassen- und Steueramt in der Stephanstraße 15). Wirtschaftlich auf eigenen Beinen stehend, bestritt sie ihren Unterhalt mit der Malerei und begann eine ausgeprägte Reisetätigkeit. In Begleitung von Marie Schultze reiste H. 1886 drei Monate lang durch Italien, wo sie Rom, Florenz, Neapel und Mailand besuchte und an der Amalfiküste Landschaftsbilder anfertigte. Mit ihrer Nichte Else Kühner reiste sie später ein zweites Mal durch Italien und besuchte erneut Florenz sowie Siena, Ravenna, Verona und Venedig. Weitere Ziele, die H. oft auch mit Besuchen bei ihrer weitläufigen Verwandtschaft verband, waren das Hochgebirge, Berchtesgaden, die Dolomiten und das Engadin sowie Fidaz bei Flims in den Schweizer Bergen, wo eine Nichte ein Kinderheim betrieb. Mit dem Bankdirektor Hermann Andreae, der ebenfalls malte, und dessen Ehefrau Antonie, geb. Andreae (1848-1927), einer Freundin aus der Schulzeit, unternahm H. Studienreisen in die Vogesen, zum Mont Pèlerin und in das Rhonetal. Zudem verbrachte sie alljährlich längere Zeit bei dem befreundeten Ehepaar in dessen Villa in Kronberg im Taunus. H. besuchte außerdem die wichtigen Kunstgalerien in Kassel, Dresden, Leipzig, Berlin, München und Wien und bereiste mit ihrer Schwester Clementine und ihrem Schwager Victor Zöppritz den Bodensee und den Rigi in der Zentralschweiz. Hinzu kamen Kuraufenthalte, denen sich H. aufgrund ihrer schwachen Gesundheit unterzog. Sie war zweimal in Karlsbad sowie an der See und in Bad Reichenhall zur Kur.
1890 wurde H. von ihrem Arzt das Turnen als Ausgleich zu ihrer sitzenden Lebensweise verordnet. Daraufhin gründete sie zusammen mit einer Reihe gleichgesinnter Frauen 1893 den Frauenverein für Gymnastik, dem sie 30 Jahre lang als Vorsitzende vorstand. Der Verein, der sich zudem für die Förderung des Mädchenturnens einsetzte, hatte großen Zulauf und erreichte beim Magistrat der Stadt Ffm., dass ihm für seine Vereinsaktivitäten erstmalig die städtischen Schulturnhallen zur Verfügung gestellt wurden. Die Frauen und Mädchen turnten zunächst in der Katharinenschule, später in der Viktoriaschule und schließlich auch in der Humboldtschule.
1906 zog H. in die Wolfsgangstraße 113, wo sie bis 1923 gemeldet war. Am 3.11.1910 beteiligte sie sich an einer Frauenkundgebung im Großen Saal des Saalbaus, die sich gegen das Ffter „Unwesen der Animierkneipen und Bars“ (FZ, Nr. 295, 25.10.1910, Drittes Morgenblatt, S. 6) wandte. Im Ersten Weltkrieg betätigte sich H. im Kriegshilfeverein. Außerdem war sie Mitglied im Verein für Sanitätshunde. Im fortgeschrittenen Alter litt H. an Grünem Star, der ihr das Malen zunehmend erschwerte und letztlich unmöglich machte. 1917 ließ sie sich an beiden Augen operieren, was dazu führte, dass sie auf einem Auge fast erblindete. An dem vom Grünen Star geheilten rechten Auge erkrankte sie später an Grauem Star. Im Frühjahr 1923 zog H. zu ihrer verwitweten Schwester Clementine Zöppritz in Mergelstetten an der Brenz. Zuvor hatte sie ihre eigenen Bilder und die Bilder aus dem Erbe ihres Vaters für mehrere Millionen Mark verkauft, wovon ihr, als die Inflation vorüber war, nur wenige Hundert Mark blieben.
H. fertigte viele Porträts an, darunter ein Ölporträt von Hannah Louise von Rothschild und ein Pastell von dem Pianisten Wilhelm Hill und seiner deutschamerikanischen Ehefrau Mary (auch: Maria) Hill, geb. Möhring (1843-1914). Mit dem Paar, das schon mit ihrem Vater befreundet war, verband auch H. eine lebenslange Freundschaft. Ihre Auftraggeber für Porträts kamen oft nicht aus Ffm., sondern von außerhalb. Zudem malte H. Genrebilder, Blumenstillleben und auf Reisen Landschaften. Sie beteiligte sich regelmäßig an den Ausstellungen des Ffter Kunstvereins und an den Jahresausstellungen der Ffter Künstler.
Die meisten Werke von H. dürften sich in Privatbesitz befinden. Zwei Porträtzeichnungen („Bildnis des Fräulein Irma Müller-Krämer“ und „Bildnis einer jungen Frau“, beide 1898) besitzt die Graphische Sammlung im Städel. Gelegentlich werden Gemälde von H. auf Kunstauktionen angeboten.
Verfasserin von „Erinnerungen“ (Manuskript, Juli 1927; überliefert im ISG, Sign. S5/239).

Artikel aus: Frankfurter Personenlexikon, verfasst von Gudrun Jäger.

Lexika: Allgemeines Künstlerlexikon (AKL). Die Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker. 119 Bde. (zuzüglich Index-, Register- und Nachtragsbände). Leipzig u. a. 1983/92-2023.AKL 71 (2011), S. 40f. | Dessoff, Albert: Kunst und Künstler in Ffm. im 19. Jahrhundert. 2. Bd.: Biographisches Lexikon der Ffter Künstler im 19. Jahrhundert. Ffm. 1909.Dessoff, S. 55. | Allgemeines Künstler-Lexicon. [Späterer Titel: Allgemeines Künstler-Lexikon.] Leben und Werke der berühmtesten bildenden Künstler. 3., umgearbeitete und bis auf die neueste Zeit ergänzte Aufl. Vorbereitet v. Hermann Alexander Müller. Hg. v. Hans Wolfgang Singer. 6 Bde. Ffm. 1895-1901/22.Müller/Singer: Allg. Künstler-Lex. 5 (1901), Nachträge u. Berichtigungen (1905), S. 131. | Schmidt-Liebich, Jochen: Lexikon der Künstlerinnen 1700-1900. Deutschland, Österreich, Schweiz. München 2005. Schmidt-Liebich: Lex. d. Künstlerinnen 2005, S. 185. | Thieme, Ulrich/Becker, Felix: Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. 37 Bde. Leipzig 1907-50.Thieme/Becker 16 (1923), S. 232.
Literatur:
                        
Eiling, Alexander/Höllerer, Eva-Maria/Schamschula, Aude-Line (Hg.): Städel / Frauen. Künstlerinnen zwischen Fft. und Paris um 1900. München 2024. Schamschula, Aude-Line: „Ohne Unterschied des Geschlechts“? Die Künstlerinnenausbildung am Städel vor 1923. In: Eiling u. a. (Hg.): Städel / Frauen 2024, S. 86-107. | Ffter Leben. Wochenschrift für das gesellschaftliche Leben Fft.s. Organ für Theater, Musik, Kunst, Literatur und Sport. Ffm. 1906-14.Zur 8. Jahresausstellung Ffter Künstler: Bildende Kunst. In: Ffter Leben, Nr. 33, 11.11.1906, o. S. | Mendelssohn, Gabriele: Der Ffter Maler Johann Heinrich Hasselhorst 1825-1904. Phil. Diss. Mainz 1986.Mendelssohn: Johann Heinrich Hasselhorst 1986, S. 191.
Quellen: Adressbuch der Stadt Ffm., 1832-2003.Adr. 1857, S. 134; 1882, S. 190; 1883, S. 191. | Ffter Nachrichten. Ffm. 1855-1934. [Zunächst als Nachrichtenbeilage des Intelligenzblatts, dann ab 1910 als Zeitung unter dem Titel „Ffter Nachrichten und Intelligenzblatt“ erschienen.]Sport-Nachrichten. Der Frauenverein für Gymnastik feierte gestern (...) sein 25jähriges Bestehen. In: FN, Nr. 159, 10.6.1918, Morgen-Ausgabe, S. 3. | Ffter Zeitung und Handelsblatt. (Ffter Handelszeitung.) / (Neue Ffter Zeitung.) Ffm. 1866-1943.Zur Ausstellung eines Kinderporträts von Emma Heerdt im Städel: FZ, Nr. 260, 16.9.1880, Morgenblatt, S. 3. | Ffter Zeitung und Handelsblatt. (Ffter Handelszeitung.) / (Neue Ffter Zeitung.) Ffm. 1866-1943.Rezension einer Ausstellung im Ffter Kunstverein mit zwei Stillleben von Emma Heerdt: F. R.: Ffter Kunstverein. In: FZ, Nr. 229, 17.8.1887, Zweites Morgenblatt, S. 1. | Ffter Zeitung und Handelsblatt. (Ffter Handelszeitung.) / (Neue Ffter Zeitung.) Ffm. 1866-1943.Zur Einrichtung des Mädchenturnens durch den Ffter Damen-Turnverein: FZ, Nr. 276, 3.10.1891, Erstes Morgenblatt, S. 2. | Ffter Zeitung und Handelsblatt. (Ffter Handelszeitung.) / (Neue Ffter Zeitung.) Ffm. 1866-1943.Zum Engagement für das Mädchenturnen beim Ffter Damen-Turnverein: FZ, Nr. 94, 3.4.1892, Zweites Morgenblatt, S. 2. | Ffter Zeitung und Handelsblatt. (Ffter Handelszeitung.) / (Neue Ffter Zeitung.) Ffm. 1866-1943.Zur Ausstellung des Ffter Kunstvereins: Aus dem Ffter Kunstleben. In: FZ, Nr. 79, 20.3.1894, Abendblatt, S. 1. | Ffter Zeitung und Handelsblatt. (Ffter Handelszeitung.) / (Neue Ffter Zeitung.) Ffm. 1866-1943.Aufruf an die Frauen Frankfurts (...) zum Besuche einer großen öffentlichen Kundgebung (...) gegen das Unwesen der Animierkneipen und Bars. In: FZ, Nr. 295, 25.10.1910, Drittes Morgenblatt, S. 6. | Ffter Zeitung und Handelsblatt. (Ffter Handelszeitung.) / (Neue Ffter Zeitung.) Ffm. 1866-1943.Sammlung der Ffter Geschäftsstelle für den deutschen Verein für Sanitätshunde (...). In: FZ, Nr. 84, 25.3.1915, Zweites Morgenblatt, S. 6. | Ffter Zeitung und Handelsblatt. (Ffter Handelszeitung.) / (Neue Ffter Zeitung.) Ffm. 1866-1943.Dr. K. S.: Altfrankfurter Künstlerleben. Aus den Erinnerungen der Malerin Emma Heerdt (1849-1936). In: FZ, Stadtblatt, 29.9.1936, S. 3. | ISG, Bestand Chroniken mit chronikalischen Schriften aller Art (Zeugenschrifttum wie Annalen, Tagebücher, Erlebnisberichte, Memoiren, Denkschriften), 1034-heute; erschlossen über Archivdatenbank.Heerdt, Emma: Erinnerungen. Manuskript, 1927 (mit einem maschinenschriftlichen Personenindex von Karl Demeter, 1949). ISG, Chroniken, S5/239. | ISG, Dokumentationsmappe in der Sammlung S2 (mit Kleinschriften, Zeitungsausschnitten und Nekrologen zu einzelnen Personen und Familien).ISG, S2/7.295.
Internet: Hessische Biografie, Kooperationsprojekt des Instituts für Personengeschichte in Bensheim und des Hessischen Instituts für Landesgeschichte in Marburg zur Erstellung einer umfassenden personengeschichtlichen Dokumentation des Landes Hessen. https://lagis.hessen.de/de/personen/hessische-biografie/alle-eintraege/23450_heerdt-emmaHess. Biografie, 5.12.2025. | Proveana, Datenbank Provenienzforschung, Hg.: Stiftung Deut­sches Zen­trum Kul­tur­gut­ver­lus­te, Magdeburg. https://www.proveana.de/de/person/heerdt-emmaProveana, 5.12.2025. | Städel Museum / Städelsches Kunstinstitut und Städtische Galerie, Ffm. https://sammlung.staedelmuseum.de/de/person/heerdt-emma
Hinweis: Eintrag zu Emma Heerdt in der digitalen Sammlung.
Städel, 5.12.2025.


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Empfohlene Zitierweise: Jäger, Gudrun: Heerdt, Emma. In: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe), https://frankfurter-personenlexikon.de/node/14336

Stand des Artikels: 7.12.2025
Erstmals erschienen in Monatslieferung: 12.2025.