Uhl, Wilhelm, gen. Willo. Dr. phil. Journalist. Literaturhistoriker. Diese Angaben konnten anhand von Dokumenten zweifelsfrei bestätigt werden.* 3.1.1890 Ffm., Diese Angaben konnten anhand von Dokumenten zweifelsfrei bestätigt werden.† 20.8.1925 Oberursel/Taunus, begraben auf dem Ffter Hauptfriedhof.
Jüngerer Sohn des Metzgermeisters Adam U. (1860-1937) und dessen Ehefrau Christine, geb. Holdefer (1865-1931). Ein Bruder: Philipp
Ernst Adam U. (1886-1971). Verheiratet (seit 1914) mit der Pianistin
Charlotte Elisabeth, gen. Lotte oder Lottelo, U., geb. Erlenbach (1890-1967). Kinder: Wolfgang U. (1915-1978); Lilly U. (1919-?), Schauspielerin.
Geboren in der elterlichen Wohnung in der Schnurgasse 12. Zur Ausbildung von U. sind hauptsächlich einige eigene Angaben überliefert, die er später in eine Aufstellung für seine Personalakte bei der FZ eingetragen hat: „Reformgymnasium, Abiturium, Universitäten in München, Frankfurt, Marburg, Greifswald, Berlin, Heidelberg. (Schauspiel-Schulung.) Besondere Kenntnisse: Französisch (perfekt), Englisch, Italienisch (imperfekt). Viele
tote Sprachen philologenmäßig. (Latein, Griechisch, Altfranzösisch, Provencalisch usw.) – Maschinenschrift! – Stenogr. dreimal ohne Erfolg begonnen (...)“. (Zit. nach dem Nachruf in: FZ, Nr. 618, 20.8.1925, Abendblatt, S. 1.) Das Studium der mittelalterlichen und neueren Literaturwissenschaft schloss U. mit der Promotion in Greifswald ab; seine Dissertation „Beiträge zur stilistischen Kunst der ‚Theologia Deutsch’ (‚
der Franckforter’)“ erschien 1912 im Druck, und im selben Jahr gab er die „Theologia Deutsch“ des
Frankfurters in der Reihe „Kleine Texte für Vorlesungen und Übungen“ heraus (1912, Neuaufl. 1926, Reprint 2021). Seit etwa 1913 war U. als Redakteur der Ffter Zeitung in Ffm. angestellt. Er arbeitete vor allem im Feuilleton unter
Rudolf Geck, u. a. als Theater- und Tanzkritiker. Zudem präsentierte er als Sprecher die „Stunde der Ffter Zeitung“ seit deren Beginn bei der Südwestdeutschen Rundfunkdienst AG (SWR) im Juni 1924. Das Tätigkeitsfeld von U. bei der FZ wird in dem vermutlich von
Bernhard Diebold verfassten Nachruf des Blattes umrissen: „Die Redaktion verliert mit ihm ihr unersetzliches Faktotum: ihren Mann für alles, den Mann der Notizen, Miszellen und bunten Alltagsgeschichten; den Generalinspektor der ‚Akademischen Nachrichten’, den Cicerone der ‚Chronik der Künste’; den Detektiv der raschen Neuigkeiten; den Meister verzwickter Telephongespräche mit Theaterkanzleien, Dichtern und Verlegern; den steten Anreger zur humorigen Betrachtung wichtigtuerischer Dinge, die die pathetische Würdigung nicht verdienen; den Kritiker der leichten Musen: Thalia und Terpsichore. Er war (...) der echte Journalist des alten Stils, der durchaus mehr dem Tag als der Ewigkeit dienen wollte (...).“ (FZ, Nr. 618, 20.8.1925, Abendblatt, S. 1.)
Der Nachruf nennt U. ein Ffter „Original“, eine „seltsame Mischung von Künstlerseele und konkretem Altstadtbürger“ (ebd.). Zum engeren Ffter Freundes- und Kollegenkreis von U. gehörten der Bildhauer
Benno Elkan, der Maler und Schriftsteller
Fried Stern, der Kabarettist Hellmuth Krüger (1890-1955) sowie die Schriftsteller und Journalisten
Bernhard Diebold,
Alfons Paquet und
Hermann Wendel. In ihrer Wohnung, zunächst in der Fichardstraße 29, dann (ab Adr. 1919) in der Eschersheimer Landstraße 89, führten U. und seine Frau Charlotte, gen. Lottelo, ein gastfreundliches Haus. Zu ihren prominenten Gästen aus der Literaturszene zählten etwa Arno Holz (1914),
Hans Reimann (ab 1919) und Joachim Ringelnatz (spätestens ab 1921). Ringelnatz wohnte als „reisender Artist“ während seiner Auftrittserien in Ffter Kabaretts zu Beginn der 1920er Jahre öfter bei der Familie U., erstmals wohl bei seinem Gastspiel in der „Weinklause“ im August 1921, als er im leerstehenden Dienstmädchenzimmer in der Mansarde der U.’schen Wohnung in der Eschersheimer Landstraße übernachtete. Sein Gedicht „Nachtgalle“ (erschienen in „Turngedichte“, 1923) ist in der ersten Fassung im Gästebuch des Ehepaars U. überliefert und laut der dortigen Notiz des Autors in einer Nacht im August 1921 auf dem Weg von der „Weinklause“ entstanden. Mit der darin erwähnten „Zeitungsfrau“, die ihn liebe, dürfte Lottelo U. gemeint sein, der R. einige Gedichte und Zeichnungen widmete. Als Geschenke von R. wurden etwa ein signiertes Exemplar von „Nervosipopel“ („Den Uhlen beim Eschenheimer Turm gewidmet“, 1924) sowie zwei Aquarelle („Schiefe Kirche“, 1924, und „Kaktusse in gewissen Töpfen“, o. J.) in der Familie U. überliefert.
Nach längerer Krankheit starb U. im Sommer 1925, erst 35 Jahre alt, in der Ffter Kuranstalt Hohemark. Der Kabarettist und Schriftsteller
Hans Reimann, den Lottelo U. rückblickend den „liebsten Freund“ ihres Mannes nannte, brachte in seinen Erinnerungen eine zwar vielleicht nicht ganz realistische, aber doch atmosphärisch dichte Schilderung von U.s Ende: „Der Dienst an der Zeitung hatte ihn umgebracht. Denn Heinz Simon [d. i.
Heinrich Simon; Anm. d. Verf.], das Oberhaupt, hielt jeden Tag (mit Ausnahme der Sonntage) in aller Herrgottsfrühe eine Lagebesprechung, an der teilzunehmen jedermann verpflichtet war. Das ruinierte Willo, der (nicht nur beruflich) außerstande war, vor Mitternacht schlafen zu gehen. Das quälende Bewußtsein, sich wie ein Schulbub früh um sechs erheben zu müssen, ließ ihn nicht einschlafen. So holte er sich die nötige Bettschwere. Aus dem einen Glas wurden ihrer etliche und dann eine Buddel. Willo litt an Schlaflosigkeit, Kopfweh und Kirschwasser. Der anmutige Götterliebling schwoll wie ein Gummiballon, war kaum wiederzuerkennen. Mußte in eine Heilanstalt im Taunus. Als er eines Morgens für immer entschlief, flatterte ein Uhu gegen die vergitterten Fensterscheiben seiner Zelle. Gespenstisch.“ (Reimann: Mein blaues Wunder 1959, S. 233.)
Mitglied im Reichsverband der deutschen Presse.
Bestattet in der Familiengrabstätte mit einem Grabmal nach dem Entwurf von
Friedrich Hausmann (1926) auf dem Ffter Hauptfriedhof (Gewann II 218).
Die Tochter Lilly U. (1919-?) bekam früh Ballettunterricht und tanzte im Kinderballett des Opernhauses unter der Leitung von Ilse Petersen. Als Kinderdarstellerin entwickelte sich Lilly U. ab etwa 1925 zu einem kleinen Star an Fft.s Bühnen, u. a. als Anneliese an der Seite von
Liesel Christ als Peterchen in dem Weihnachtsmärchen „Peterchens Mondfahrt“ (1926) und als Franzl in der Oper „Intermezzo“ in Anwesenheit des Komponisten
Richard Strauss (wahrscheinlich 1927) am Opernhaus sowie in einer Hauptrolle (Mops) in dem Kinderstück „Kakadu – Kakada“ von
Carl Zuckmayer (1930) am Schauspielhaus. Später absolvierte Lilly U. eine Ausbildung zur Schauspielerin und hatte auch erste Engagements, u. a. am Stadttheater Gelsenkirchen, gab jedoch nach ihrer Heirat 1942 den Beruf auf.
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