Schlosser, Johann Georg. Markgräflich Badischer Wirklicher Geheimer Rat. Dr. jur. utr. Jurist. Schriftsteller und Übersetzer. Diese Angaben konnten anhand von Dokumenten zweifelsfrei bestätigt werden.* 7.12.1739 Ffm., † 17.10.1799 Ffm.
Sohn von
Erasmus Carl Sch. und dessen Ehefrau Susanna Maria, geb. Orth (1703-1789). Bruder von
Hieronymus Peter Sch. Onkel von
Johann Friedrich Heinrich, gen. Fritz, Sch.Schüler des Ffter Gymnasiums. Studium der Rechtswissenschaften in Gießen, Jena und Altdorf, abgeschlossen mit der Promotion zum Doktor beider Rechte (1762). In seiner Dissertation behandelte Sch. die Vormundschaft im Ffter Recht. Seit 1762 Advokat in Ffm. Von 1766 bis 1769 Geheimsekretär und Hauslehrer bei Prinz Friedrich Eugen von Württemberg in Treptow/Pommern. Auf der Reise dorthin hatte Sch.
Goethe in Leipzig besucht und führte seitdem mit diesem einen regelmäßigen Briefwechsel. In Treptow unternahm Sch. erste schriftstellerische Versuche, übersetzte aus Homer und Plato, schrieb einige Gedichte und verfasste in englischer Sprache das Traktat „Anti-Pope” gegen die Religionsauffassung des Dichters Alexander Pope (1766, im Druck 1776).
1769 nach Ffm. zurückgekehrt, wirkte Sch. hier zwar wiederum als Advokat, wurde aber zunehmend schriftstellerisch tätig. Sein „Katechismus der Sittenlehre für das Landvolk” (1771), der eine sittliche Erziehung der Landbevölkerung nach vernunftbegründeten Geboten propagierte, brachte ihn erstmals in Konflikte mit der Kirche, die das Werk wegen seiner Abkehr von der traditionellen religiösen Morallehre heftig kritisierte. Seit 1771 stand Sch. in engem persönlichem Kontakt mit
Goethe, der zu jener Zeit als Advokat in Ffm. Sch.s Berufskollege war. Neben Merck, Hoepfner, Herder und
Goethe gehörte Sch. 1772 zur Redaktion der „Ffter gelehrten Anzeigen”, die sich unter deren Leitung zu einem publizistischen Forum für den „Sturm und Drang” entwickelten. Aufgrund von einigen scharfzüngigen und spöttischen Rezensionen, an denen Sch. als einer der Hauptmitarbeiter des Blattes erheblichen Anteil hatte, kam es zu Konflikten mit dem Ffter lutherischen Predigerministerium, in deren Folge die Redaktionsleitung von Merck niedergelegt und von Sch. übernommen wurde. Unter Sch. wurden die Attacken des Blattes gegen die Geistlichkeit noch schärfer, und der Konflikt spitzte sich weiter zu, bis schließlich der Rat der Stadt Ffm. der Zeitschrift jede weitere unzensierte theologische Rezension untersagte. Daraufhin schieden Merck, Herder, Sch. und
Goethe Ende 1772 aus der Redaktion aus, wodurch die noch bis 1790 erschienenen „Ffter gelehrten Anzeigen” ihr Profil verloren.
Am 1.11.1773 heiratete Sch.
Goethes Schwester
Cornelia Friederica Christiana. Im selben Jahr war er als Hof- und Regierungsrat in den Dienst des Markgrafen Karl Friedrich von Baden getreten, und nach kurzer Tätigkeit in Karlsruhe wurde er Oberamtmann der Markgrafschaft Hochberg mit Wohnsitz in Emmendingen. In Emmendingen gebar ihm seine Frau zwei Töchter, Maria Anna
Louise (auch: Louisa), gen. Lulu (seit 1795 verh. Nicolovius, 1774-1811), und Elisabeth Catharina
Julia (auch: Julie), gen. Juliette (1777-1793). Einen Monat nach der Geburt des zweiten Kindes starb
Cornelia Sch. Der Witwer heiratete 1778 die aus der Familie Jacobi stammende, seit 1772 in Ffm. lebende und mit
Goethe befreundete Düsseldorferin
Johanna Catharina Sibylla Fahlmer (1744-1821), mit der er dann eine weitere Tochter, Cornelia
Henriette Francisca (seit 1809 verh. Hasenclever, 1781-1850), und den einzigen Sohn Eduard (1784-1807) hatte.
Goethe, der Sch. in „Dichtung und Wahrheit” als „edlen, den besten Willen hegenden Mann, der sich vollkommener Reinigkeit der Sitten befliß”, bezeichnete, besuchte seinen Schwager und dessen Familie zweimal in Emmendingen (1775 und 1778). Letztmals begegneten sich
Goethe und Sch. in Heidelberg während der Belagerung von Mainz 1793;
Goethes Briefe belegen, dass es dabei durchaus nicht das Missbehagen zwischen den beiden Schwägern gab, das der Dichter rückblickend in seiner Darstellung der Begegnung erwähnte.
Von 1787 bis 1794 wirkte Sch. im markgräflichen Dienst wieder in Karlsruhe, zunächst als Geheimer Hofrat beim Geheimen Staatsarchiv, dann beim Landeskollegium und schließlich seit 1790 als Wirklicher Geheimer Rat und Hofgerichtsdirektor. Nach seinem Ausscheiden aus dem markgräflichen Dienst (1794) lebte er als Schriftsteller und Übersetzer zunächst in Ansbach, dann (seit 1796) bei seiner Tochter Anna
Louise Marianne, gen. Lulu, verh. Nicolovius, in Eutin. Zuletzt befasste er sich mit einer Polemik gegen Kant und der Übersetzung von Aristoteles’ „Politik und Ökonomik”. 1798 wurde Sch. als Syndikus und Consulent nach Ffm. berufen. Besonders ehrenvoll war es für ihn, dass bei dieser Berufung auf einstimmigen Wunsch des Rats und des Ständigen Bürgerausschusses mit einer entsprechenden kaiserlichen Dispensation von der sonst bei solchen Ernennungen verfassungsmäßig vorgeschriebenen Kugelung abgesehen wurde. Schon im Jahr nach seinem Amtsantritt starb Sch. an einer Lungenentzündung, die er sich im kühlen Sitzungssaal des Römers zugezogen hatte. Sein Freund
Klinger betrauerte ihn als „den reinsten moralischen Menschen, der mir in einem Leben von beinahe 50 Jahren vorgekommen ist”.
Weitere Werke, u. a. „Kleine Schriften” (6 Bände, 1779-93).
Porträt (Farbstich von
Johann Gottlieb Prestel nach einer Zeichnung von Becker, 1788).
Lexika:
Allgemeine Deutsche Biographie. Hg. durch die Historische Commission bei der Königlichen Akademie der Wissenschaften. 56 Bde. München/Leipzig 1875-1912.Rudolf Jung in: ADB 31 (1890), S. 544-547. |
Heyden, Eduard: Gallerie berühmter und merkwürdiger Ffter. Ffm. 1861.Heyden, S. 585-590. |
Schrotzenberger, Robert: Francofurtensia. Aufzeichnungen zur Geschichte von Ffm. 2., vermehrte u. verbesserte Aufl. Ffm. 1884.Schrotzenberger, S. 220.
Quellen:
ISG, Dokumentationsmappe in der Sammlung S2 (mit Kleinschriften, Zeitungsausschnitten und Nekrologen zu einzelnen Personen und Familien).ISG, S2/1.222.