Die weiteren Beiträge der Dezemberlieferung, die dieses Editorial mit und nach dem aktuellen Artikel des Monats vorstellt, kommen aus den Bereichen Pädagogik, Musik, Bildhauerkunst, in denen sie sich treffen oder trennen, zueinander konträr stehen oder sich ineinander fügen.
Mit der Entwicklung der Pädagogik von der Aufklärung zur Romantik beschäftigt sich die Ausstellung „Kindheit im Wandel“, die das Freie Deutsche Hochstift derzeit (noch bis zum 21. Januar 2024) im Deutschen Romantik-Museum in Frankfurt zeigt. Anlässlich dieser Ausstellung erscheint im Frankfurter Personenlexikon ein grundlegender Artikel über den bedeutenden Erzieher Elias Mieg, der seit 1790 Hauslehrer bei der Familie Willemer in Frankfurt war. Mieg begann schon früh, sich an Pestalozzi und dessen Lehrmethoden zu orientieren, und konnte bald andere Frankfurter Erzieher und Eltern dafür gewinnen. An Pestalozzis Erziehungsinstitut in Yverdon (Iferten) in der Schweiz, an das auch Mieg mit seinem Zögling Brami Willemer 1807 zog, gab es schließlich eine regelrechte „Frankfurter Kolonie“. Insgesamt 16 Frankfurter Familien, etwa die Lejeunes, Holzhausens und de Barys, gaben damals ihre Söhne zur Erziehung in Pestalozzis Institut.
Ein weiterer neuer Artikel in diesem Monat stellt den Rabbiner Isaak Emil Lichtigfeld vor, der 1966 die Schule der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt begründete, zunächst als Grundschule. Seit 1968 trägt die Schule, die heute alle Klassen bis zum Gymnasium umfasst, seinen Namen. Als Frankfurter Gemeinderabbiner und hessischer Landesrabbiner (seit 1954) sowie „gewissermaßen der nicht ernannte Großrabbiner der Bundesrepublik“ (Paul Arnsberg) spielte Lichtigfeld eine wichtige Rolle in der Frankfurter jüdischen Geschichte der Nachkriegszeit, und so erscheint der Artikel über ihn auch rechtzeitig zum 75. Jubiläum der Wiedergründung der Jüdischen Gemeinde Frankfurt in diesem Jahr. In der Ausstellung „Auf Leben. 75 Jahre Jüdische Gemeinde Frankfurt“, die in Kürze (am 20. Dezember 2023) im Ignatz Bubis-Gemeindezentrum eröffnet wird, geht es nicht nur um den Wiederaufbau des jüdischen Bildungswesens, sondern um den Neubeginn des gesamten jüdischen Lebens nach der Shoah in Frankfurt. Die Ausstellung ist bis zum 26. Mai 2024 zu sehen.
In der Reihe der Musikerbiographien, die in Kooperation mit dem Projekt „Musikstadt Frankfurt“ der Frankfurter Bürgerstiftung entsteht, erscheint diesmal ein Artikel über den Dirigenten Wilhelm Steinberg, der seit 1929 Musikalischer Leiter und Erster Kapellmeister am Frankfurter Opernhaus war. Bald nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 entlassen, baute er zunächst das Orchester des Jüdischen Kulturbunds in Frankfurt, dann ab 1936 „Palestine Symphony Orchestra“ in Tel Aviv auf. Nach seiner Emigration in die USA 1938 stieg Steinberg dort zu einem der international renommiertesten Dirigenten seiner Zeit auf.
Eine anderer Musikerartikel ist die Biographie des gebürtigen Frankfurters Philipp Reich, der im Mai 1946 das Amt des evangelischen Stadtkantors in Frankfurt übernahm. Reich, der seine eigene vielversprechende Karriere als Organist infolge einer schweren Kriegsverletzung hatte aufgeben müssen, stieg bald zum Leiter des Amts für Kirchenmusik mit Sitz in Frankfurt und zum ersten Kirchenmusikdirektor der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau auf. Außerdem leitete er die von ihm begründete Frankfurter Kirchenmusikschule und die Hessische Kantorei.
Schließlich beschäftigen sich zwei Artikel dieser Lieferung mit Bildhauerbiographien, und zwar von Richard Petraschke und von Max Esser. Zwei gegenübergestellte Eckdaten aus der jeweiligen Geschichte von deren Werken markieren augenfällig den Paradigmenwechsel, den das nationalsozialistische Regime auch in der bildenden Kunst mit sich brachte. Während des Novemberpogroms 1938 wurde das Tonmodell einer Schopenhauer-Büste von Richard Petraschke, das im Atrium des Schopenhauerhauses an der Schönen Aussicht 16 aufgestellt war, von NS-Schlägern zertrümmert. Wenige Wochen später, am 21. Dezember 1938, wurde das originalgroße Gipsmodell des „Handwerkerbrunnens“ von Max Esser in dessen Atelier für die Presse fotografiert. Der Brunnen war als neues Wahrzeichen für Frankfurt geplant, das die nach nationalsozialistischem Willen zur „Stadt des deutschen Handwerks“ umgedeutete Mainmetropole repräsentieren sollte. Diese Zeichen des Umbruchs wurden vor ziemlich genau 85 Jahren gesetzt, wahrhaftig kein großes Jubiläum, das aber nachdenklich stimmt.
Momentan stehen auch wieder ganz andere Jahrestage ins Haus.
Ob nun das kleine klingende Glöckchen aus dem eingangs erwähnten Weihnachtslied oder die mächtige Gloriosa des Doms im Frankfurter Stadtgeläute – traditionell läuten Glocken zum Frieden. Und Frieden, das ist in diesem Jahr wohl der größte Wunsch von allen Menschen auf Erden, ob sie nun Weihnachten feiern oder nicht.
So wünsche ich auch Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, friedvolle Tage und einen guten Rutsch in das Neue Jahr, in dem wir uns bald wiederlesen mögen.
Beste Wintergrüße – und bleiben Sie gesund!
Ihre Sabine Hock
Chefredakteurin des Frankfurter Personenlexikons
P. S. Die nächste Artikellieferung erscheint am 10. Januar 2024.