Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser,
in diesem Mai stehen wichtige Gedenktage an. Den Reigen eröffnet der 175. Geburtstag des Frankfurter Weltbürgers, Metallmagnaten und Universitätsgründers Wilhelm Merton – ein guter und willkommener Anlass, um den Artikel über Merton im Frankfurter Personenlexikon in neuer und ergänzter Fassung herauszubringen.
Artikel des Monats Mai 2023:
Wegweisender Wirtschafts- und Sozialunternehmer
Er organisierte sein soziales Engagement wie sein Wirtschaftsunternehmen: Wilhelm Merton. Der aus einer jüdischen Familie englischer Herkunft stammende Kaufmann war zunächst in die väterliche Frankfurter Metallhandlung „Philipp A. Cohen“ eingestiegen, die er 1881 zur „Metallgesellschaft AG“ umgründete. Innerhalb weniger Jahre entwickelte er die neue Firma zu einem Weltkonzern, der sich mit Metallhandel, Bergbau, Erzverhüttung, Metallraffination, Bau industrieller Anlagen sowie Entwicklung und Vertrieb technischer Neuerungen auf diesen Gebieten befasste. Zugleich stellte sich der erfolgreiche Unternehmer schon früh der gesellschaftlichen Verantwortung. An die Spitze seiner sozialreformerischen Initiativen setzte er ab 1890 das „Institut für Gemeinwohl“, das ein ausgedehntes Netzwerk sozialer Hilfs- und Forschungseinrichtungen in Frankfurt und darüber hinaus organisierte und finanzierte. Mit dem Institut für Gemeinwohl förderte Merton auch maßgeblich die Gründung der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften, die im Herbst 1901 in Frankfurt den Lehrbetrieb aufnahm. Aus der Akademie ging schließlich die Frankfurter Universität hervor, entstanden in enger Zusammenarbeit von Oberbürgermeister Adickes und Wilhelm Merton. Dank Merton, der die Universitätsgründung mit eigenen Mitteln in Millionenhöhe unterstützte, bekam die 1914 eröffnete Frankfurter Alma Mater erstmals in Deutschland eine Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät.
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Am 14. Mai, genau am 175. Geburtstag von Wilhelm Merton, wird die Ausstellung „Metall & Gesellschaft. #WilhelmMerton“ im Jüdischen Museum Frankfurt eröffnet. Begleitend zur Ausstellung, die bis zum 7. Januar nächsten Jahres zu sehen sein wird, wird das Frankfurter Personenlexikon in den kommenden Monaten einige Artikel über Personen aus dem Umfeld von Wilhelm Merton präsentieren. Den Anfang macht in dieser Lieferung ein Beitrag über Adolf Merton, der als einziger der vier Söhne von Wilhelm Merton keinen Bezug zu Metallhandel und -industrie hatte. Der studierte Kunsthistoriker und Philosoph fiel im Alter von 27 Jahren im Ersten Weltkrieg. Zu seinem Gedenken gründeten die Eltern Wilhelm und Emma Merton 1916 eine Stiftung, die den ersten Lehrstuhl für Pädagogik an der Frankfurter Universität finanzierte.
In jenen Tagen, als Wilhelm Merton geboren wurde, blickte die deutsche Öffentlichkeit nach Frankfurt, wo ein großes Ereignis stattfinden sollte: Am 18. Mai 1848 wurde die Deutsche Nationalversammlung in der Paulskirche eröffnet. Als das erste freigewählte und gesamtdeutsche Parlament schuf die Versammlung in nur einjähriger Arbeit eine demokratische Verfassung für einen deutschen Nationalstaat in Einheit und Freiheit. Seitdem steht die Paulskirche wie kein anderer Ort symbolisch für die Tradition der Demokratie in Deutschland. Der 175. Jahrestag des Zusammentretens der Nationalversammlung in der Paulskirche wird mit einem großen Bürgerfest vom 18. bis 21. Mai gefeiert. Schon jetzt bietet das Frankfurter Personenlexikon eine ganze Reihe von Artikeln über Personen, die eine Rolle bei den Ereignissen von 1848/49 in Frankfurt spielten. Wichtige Protagonisten des Paulskirchenparlaments – mit dem ersten Präsidenten Heinrich von Gagern an der Spitze – sind im FP ebenso vertreten wie Repräsentanten der provisorischen Regierung, z. B. Erzherzog Johann von Österreich. Natürlich dürfen auch die Revolutionärinnen und Revolutionäre nicht fehlen, wofür etwa Henriette Zobel steht, deren Lebensgeschichte seinerzeit für das FP grundlegend an den Quellen erforscht wurde.
Für die nächsten Monate plant das Frankfurter Personenlexikon zudem eine Reihe von neuen Artikeln, die Personen aus der Geschichte der Paulskirche, aus der Zeit von 1848/49 oder mit Bezug zu deren späterer Rezeption vorstellen. Gerade den Beiträgen zur Rezeptionsgeschichte kann in der aktuellen Diskussion um die Neugestaltung der Paulskirche als „Demokratieort“ ein wichtiger Stellenwert zukommen. So ist im Artikel über Oberbürgermeister Walter Kolb nachzulesen, wie dieser mit dem Wiederaufbau der kriegszerstörten Paulskirche zur Hundertjahrfeier der Nationalversammlung 1948 ein wichtiges Zeichen für den demokratischen Neubeginn in Deutschland setzte. Die Wiedererrichtung der Paulskirche als „das Haus aller Deutschen“ (so Kolb) verantwortete damals eine Architektengemeinschaft, die „Planungsgemeinschaft Paulskirche“, zu der u. a. Rudolf Schwarz und Johannes Krahn gehörten. Dem Architekten Johannes Krahn, der federführender Projektleiter beim Wiederaufbau der Paulskirche war, ist ein grundlegend neu bearbeiteter Artikel in dieser Mailieferung gewidmet, der erste in unserer neuen Paulskirchenreihe.
Auch ansonsten ist in der diesmaligen Artikellieferung allerhand los. Bei der Lektüre können Sie den Komponisten und Diplomaten Agostino Steffani kennenlernen, der 1728 auf der Durchreise in Frankfurt starb und fast 300 Jahre später von der beliebten Krimiautorin Donna Leon zur Romanfigur gemacht wurde. Vielleicht erwischen Sie auch den populären Humoristen Wilhelm Busch, der ab 1867/68 immer wieder nach Frankfurt kam und doch nicht bleiben konnte, aber ein umfangreiches Konvolut seiner Werke in der Stadt ließ. Oder Sie treffen die Feministin Johanna Elberskirchen, die sich um 1900 in der Schweiz für die Rechte einer Frau in einem Scheidungsprozess einsetzte, daraufhin angezeigt wurde und nach Frankfurt floh, wo sie Unterstützung bei der kurz zuvor gegründeten Rechtsschutzstelle für Frauen fand. Auch dem Geiger Licco Amar können Sie begegnen, der mit dem nach ihm benannten Streichquartett die Neue Musik der 1920er Jahre förderte und zahlreiche Werke von Paul Hindemith uraufführte, bis er nach dem nationalsozialistischen Machtantritt in die Türkei emigrieren musste. Schließlich könnten Sie sich noch mit Muhammad Ali an dessen WM-Kampf im Boxen am 10. September 1966 im Frankfurter Waldstadion erinnern, als Ali seinen Weltmeistertitel im Schwergewicht gegen den Herausforderer Karl Mildenberger erfolgreich verteidigte.
Sie sehen: Mit dem Frankfurter Personenlexikon kann die Zeit bis zum Juni nicht lang werden. Dann kommen wieder neue Artikel heraus.
Einstweilen beste Grüße und Wünsche – und bleiben Sie gesund!
Sabine Hock
Chefredakteurin des Frankfurter Personenlexikons
P. S. Die nächste Artikellieferung erscheint am 10. Juni 2023.