Viertes von fünf Kindern und dritte Tochter des angesehenen und wohlhabenden Eisenacher Fabrikanten und Bankiers Johann Lorenz Streiber (1722/23-1796) und seiner aus Langensalza stammenden Ehefrau
Maria Sophia, geb. Schmidt (1731-1799). Die Mutter hatte einst die Liebe ihres Vetters, des Dichters Friedrich Gottlieb Klopstock (der sie in seinen Oden an „Fanny“ besang), nicht erwidert, bevor sie sich 1754 mit Streiber verheiratete. Der Vater, Sachsen-Weimarischer Kommerzienrat und Bürgermeister von Eisenach, hatte häufiger geschäftlich mit
Goethe zu tun, der bei seinen Aufenthalten als Weimarer Regierungsmitglied in Eisenach oft Gast im Hause Streiber war, etwa im Herbst 1777, als er Sophies Schwester Victoria Maria Augusta, gen.
Victore (seit 1784 verh. Catoir, 1757-1825), den Hof machte. Aus dem Besitz des Vaters erbte B. das Rittergut Ulrichshalben bei Weimar, das dadurch als Fideikommiss an die Familie B. kam; seitdem führten B. und ihre Nachkommen offiziell den Nachnamen „B.-Streiber“.
Verheiratet (seit 1781) mit dem Kaufmann Johann Matthias B. (1758-1802). Sieben Kinder: Maria (1784-1786),
Conrad Adolf (1788-1843),
August Christian (1792-1855; verh. seit 1815 mit
Maria Cleophea Schmid), Maria Johannetta, gen.
Jeannette (seit 1812 verh. Andreae, 1794-1813), Victoria Maria Augusta, gen.
Victore (seit 1819 verh. Meuricoffre, 1796-1866),
Maria Sophie (seit 1815 verh. Andreae, 1798-1854) und Sophia Friederike Antonie, gen.
Sophie (seit 1822 verh. Schmidt-Polex, 1802-1863).
Sophie B. „spielte als geistreiche und für alles Schöne empfängliche, zugleich vornehme Dame in der Familie und Gesellschaft eine große Rolle“ (
Alexander Dietz). Das junge Ehepaar B. wohnte zunächst im Saalhof, wo es sich mit einem Kreis von Freunden umgab, zu dem u. a. der Maler
Johann Georg Schütz aus dem
Goetheumfeld gehörte. Offenbar versuchte Sophie B. nach ihrer Verheiratung, an die freundschaftlichen Beziehungen ihrer Eltern zu
Goethe anzuknüpfen, indem sie die Verbindung zu dessen Familie und Freunden in Ffm. suchte und pflegte. So gewann sie
Catharina Elisabeth Goethe zur mütterlichen Freundin; auch ließ die
Frau Rat Goethe geschäftliche Angelegenheiten mit ihrem Sohn in Weimar über die Bankhäuser Streiber und „Bansa & Sohn“ abwickeln. Beim Verkauf des Hauses im Großen Hirschgraben 1795 verschenkte die Rätin das Puppentheater der Geschwister Goethe an Sophie B.; diese gab es 1833 an ihren ältesten Sohn
Conrad Adolf B. weiter, der es wiederum dem
Goethehaus vermachte (bis heute dort erhalten). Auch mit den Familien
Brentano und Willemer war B. eng befreundet. Insbesondere kümmerte sie sich um
Antonie Brentano, geb. von Birckenstock, als die 18-jährige Wienerin an der Seite ihres frisch angetrauten Ehemanns
Franz Brentano 1798 neu in die Stadt gekommen war, woraus sich eine herzliche Freundschaft zwischen den beiden Frauen entwickelte.
Die glücklichen Ehe- und Familienjahre endeten für Johann Matthias und Sophie B. mit dem Beginn der Koalitionskriege 1792. Zeitweise (um 1796) floh Sophie mit den Kindern in ihr Elternhaus nach Eisenach. Nach dem Tod des Schwiegervaters
Johann Conrad B. 1800 trat zunächst ihr Mann Johann Matthias B. die alleinige Leitung des Ffter Bank- und Handelshauses „Bansa & Sohn“ an, dessen Teilhaber er wohl spätestens seit der Heirat 1781 schon war, und die junge Familie übersiedelte in das Stamm- und Geschäftshaus zum Ochsen in der Fahrgasse 12. Als Johann Matthias B. nur zwei Jahre später (28.11.1802) starb, hatte seine Witwe Sophie sechs unmündige Kinder (im Alter von 14 Jahren bis zu wenigen Monaten) allein zu versorgen. Sie entschloss sich, die Leitung von „Bansa & Sohn“ selbst zu übernehmen, um die Firma für ihre beiden Söhne zu erhalten. Den älteren Sohn
Conrad gab B. zur Ausbildung bei dem Bankier Johann Friedrich Schmid (1751-1812), während der jüngere August Aufnahme im Haus des Bankiers
Johann Jakob Willemer fand, wo er zusammen mit dessen Sohn Abraham, gen. Brami, Willemer (1794-1818) erzogen wurde, u. a. durch den Hauslehrer und
Pestalozzischüler
Elias Mieg (1770-1842). Nach dem Abschluss ihrer Ausbildung traten die Söhne
Conrad und August B. 1810/12 bzw. 1815 als Teilhaber in die Firma „Bansa & Sohn“ ein. Unter ihrer Leitung konzentrierte sich das Geschäft ab 1818 allmählich und ab 1829 vollständig auf den Weinhandel. Erst 1837 trat Sophie B. als Seniorchefin endgültig aus der Firma aus.
Als Seelsorger und Berater in Erziehungsfragen hatte B. der Theologe und Schulreformer
Wilhelm Friedrich Hufnagel gedient, der ihre Kinder auch konfirmierte. Im Gegenzug unterstützte sie dessen reformpädagogische Bestrebungen, insbesondere die Gründung der Musterschule (1803), der sie, entgegen den gesellschaftlichen Konventionen ihrer Kreise, zeitweise auch ihre eigenen Kinder anvertraute. Weitgehend ließ sie ihre vier Töchter jedoch von einer Gouvernante, einer „Demoiselle Horte“ [d. i. wahrscheinlich Catharina Horte (?-1832) aus Metz], betreuen und unterrichten. B.s Grundsätze in der Mädchenerziehung umreißt der Familienchronist Otto B. so: „Die Töchter wurden angehalten den Haushalt gründlich kennen zu lernen, aber auch zugleich sich gründlich in Sprachen und Wissensgegenständen auszubilden. Für ganz selbstverständlich galt es, die französische Sprache ebenso fliessend zu beherrschen, wie die Muttersprache. Naturwissenschaft trieben auch die Töchter; in einem Brief heisst es, dass sie einen Kursus in Kosmographie, Geographie, Genealogie, Chronologie und Astronomie bekommen hätten. Dafür war ihnen aber zur Befriedigung ihrer Leselust jede Romanlektüre untersagt, ehe sie selbstständig das Leben beurteilen konnten. Ueberhaupt hatte sie [d. i. Sophie B.] den Grundsatz, dass eine Tochter lieber zurückgezogen leben sollte, als sich an Promenaden und Vergnügungen, an Gesellschaften und Bällen zu beteiligen.“ (Bansa: Chronik der Familie Bansa 1912, S. 38f.) Trotz ihrer Strenge in der Erziehung sei B. eine „intime Freundin und Vertraute“ ihrer Töchter gewesen.
Geliebt von ihren Kindern, war B. stets der Mittelpunkt der Familie. Bis ins hohe Alter (als ein Beinbruch 1838 sie künftig zum Gebrauch von Krücken zwang) war sie rastlos in Haus und Geschäft tätig. Während sie im Winter in ihrem Geschäftshaus zum Ochsen in der Fahrgasse 12 lebte, zog sie im Sommer ins Grüne, anfangs meist auf die seit 1766 im Familienbesitz befindliche Isenburger Mühle, später (seit etwa 1830) in das Gartenhaus ihres Sohnes
Conrad Adolf B. im Wendelsweg am Fuß des Mühlbergs in Sachsenhausen. Dort oder auch im Garten ihres Schwiegersohns Johann
Carl Andreae (1789-1843) am Schaumainkai feierte die Familie alljährlich zu B.s Ehren den „Sophientag“, deren Namenstag am 15. Mai. Während einem ihrer üblichen Kuraufenthalte in Wiesbaden sah Sophie B. im September 1815
Goethe wieder. Am 3.7.1815 unternahm sie mit ihm einen Ausflug zur Nonnenmühle (heute: Klostermühle) in Klarenthal, um ihn dort mit der schönen Müllerstochter als einem „Gegenstück zu seiner Dorothea“ (in seinem Idyll von „Hermann und Dorothea“) bekanntzumachen. Als
Goethe ein paar Wochen später als Gast von
Johann Jakob und Marianne Willemer in Ffm. weilte, traf B. ihn auf der Gerbermühle wieder, etwa bei einem kleinen Fest am 6.9.1815, zu dem die Familien
Städel,
Schlosser,
Andreae und B. eingeladen waren; zwei Tage später (8.9.1815) machte
Goethe einen Gegenbesuch bei der Familie B. in der Fahrgasse. Mit Marianne (von) Willemer blieb B. bis zu ihrem Tod befreundet.
Bestattet in der Familiengrabstätte auf dem Ffter Hauptfriedhof (Gewann D an der Mauer 204).
Im Garten des Landguts Engelbach-B. auf dem Sachsenhäuser Mühlberg, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Willemerhäuschen am Hühnerweg, wurde um 1830 ein Goethetempel errichtet. Dieser spätklassizistische Freundschaftstempel soll angeblich an die Begegnungen von Sophie B. mit
Goethe in Ffm. 1815 erinnern, die sich allerdings – entgegen der Legende – nicht an dieser Stelle zutrugen. Der erhaltene Goethetempel steht in dem Park, der seit 2008 zu der Seniorenwohnanlage „SchlossResidence Mühlberg“ (am Standort des früheren Mühlbergkrankenhauses) gehört.
Das Stammbuch von B. befindet sich im Besitz des HMF.
.
Frankfurter Biographie 1 (1994), S. 38,
.