Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser,
erst in jüngerer Zeit sind viele Frankfurter bildende Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts mit ihrem Werk (wieder) in den Blick gerückt. Dazu gehört auch eine avantgardistische Malerin der 1920er Jahre, deren Leben und Schaffen im aktuellen Artikel des Monats im Frankfurter Personenlexikon vorgestellt wird.
Artikel des Monats Februar 2023:
Malerin „aus Sehnsucht nach Stil“
Sie war eine Frankfurter Künstlerin auf dem Weg in eine europäische Karriere, dem die Nationalsozialisten abrupt ein Ende setzten: Ruth Cahn. Aus Frankfurt war die jüdische Bankierstochter, die damals noch Amalie mit Vornamen hieß, im Alter von 30 Jahren nach München gegangen, um sich ab Herbst 1906 an der dortigen Damen-Akademie des Künstlerinnen-Vereins zur Malerin ausbilden zu lassen. Später gab sie sich den Künstlernamen Ruth Cahn und lebte bis zum Ende des Ersten Weltkriegs zumeist in Spanien, auch wenn sie immer wieder in ihre Geburtsstadt Frankfurt zurückkehrte. In den 1920er Jahren kam sie nach Paris, wo sie zu den Kreisen von Picasso und Matisse gehörte und Unterricht bei dem Maler Kees van Dongen nahm, dessen fauvistische Porträts sie in ihrem Schaffen inspirierten.
Ihre erste Einzelausstellung hatte Ruth Cahn 1924 in der „Galeries Dalmau“ in Barcelona, die auch Miró und Dalí herausbrachte. Daneben, seit 1919, präsentierte die Malerin ihre Werke regelmäßig in ihrer Heimatstadt, etwa in den Galerien Trittler und Schames oder in den Ausstellungen des Frankfurter Künstlerbunds im Kunstverein. Bei einem letzten Besuch in ihrem Atelier im Mai 1935 sah die Kunstkritikerin Sascha Schwabacher die „Sehnsucht nach Stil“ in den Bildern und eine „leise Wehmut“ im Wesen von Ruth Cahn. Aufgrund der Restriktionen des NS-Regimes durfte die knapp 60-Jährige ihren Beruf als Kunstmalerin nicht mehr ausüben. Zusammen mit ihrem ebenfalls alleinstehenden Bruder, dem Kaufmann Arthur Cahn, gelang ihr 1935 die Flucht nach Chile. Mit der Emigration gab sie die Kunst für immer auf. Ende der Fünfzigerjahre kehrte Ruth Cahn nach Frankfurt zurück, wo sie – wie sie sagte – „hingehöre“. Hier fand sie nach ihrem Tod im 91. Lebensjahr auch ihre letzte Ruhestätte.
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Der Artikel über Ruth Cahn ist der dritte in der Reihe über die vier vergessenen Frankfurter Künstlerinnen, die im Frankfurter Personenlexikon begleitend zur derzeitigen Ausstellung „Zurück ins Licht“ des Jüdischen Museums erscheint. Im Zusammenhang mit der Ausstellung, die gerade bis zum 29. Mai des Jahres verlängert wurde, hat das FP in den vergangenen Monaten bereits Beiträge über Amalie Seckbach und Rosy Lilienfeld gebracht.
Unabhängig davon erschienen in den vergangenen Lieferungen des Frankfurter Personenlexikons viele andere Artikel über Frankfurter bildende Künstlerinnen des ausgehenden 19. und des 20. Jahrhunderts, wie z. B. über Ottilie W. Roederstein, Julia Virginia Scheuermann, Mathilde Battenberg, Jenny Fleischhauer, Nini und Carry Hess, Maria Proelss, Hanna Bekker vom Rath, Elisabeth Hase, Christa von Schnitzler, Charlotte Posenenske und Renate Sautermeister, um einmal ein exemplarisches Dutzend – chronologisch nach den Geburtsjahren von 1859 bis 1937 – zu nennen. (Wie Sie sicher bemerkt haben, sind in der Aufzählung natürlich nicht nur Malerinnen und Zeichnerinnen, sondern auch Bildhauerinnen und Fotografinnen dabei.) Weitere Artikel über Frankfurter Künstlerinnen sind in Planung.
Die drei Herren in der vorliegenden Februarlieferung sind der Mediziner Gustav Spieß, der Bibliothekar Friedrich Knorr und der Politiker Ludwig Erhard. Der Artikel über Gustav Spieß erscheint als Nachklang zum 75. Todestag des Frankfurter Hals-Nasen-Arztes am 11. Januar des Jahres. Spieß, der überregional berühmt wurde, als er 1903 den deutschen Kaiser erfolgreich an den Stimmbändern operierte, war später der erste Direktor der Hals- und Nasenklinik an der neu gegründeten Frankfurter Universität. Als langjähriger Vorsitzender der Frankfurter Museums-Gesellschaft gewann der Rhino-Laryngologe auch prominente Dirigenten der Museumskonzerte wie Richard Strauss zu Freunden und Patienten.
Ein weitgehend unbekanntes Kapitel zur Frankfurter Bibliotheksgeschichte rekonstruiert der Artikel über Friedrich Knorr, der von 1941 bis 1945 als NS-konformer Direktor der Bibliothek für neuere Sprachen und Musik (wie die Freiherrlich Carl von Rothschild’sche Bibliothek im Zuge der „arisierenden“ Namensgebung bereits seit Ende 1933 hieß) amtierte. Angesichts der Luftangriffe auf die Stadt organisierte Knorr ab 1943 die Auslagerung der Bestände aller Frankfurter wissenschaftlichen Bibliotheken nach Oberfranken, wo die Bücher auf Geheiß des Oberbürgermeisters Friedrich Krebs für den Frankfurter Universitätsbetrieb im postalischen Leihverkehr benutzbar sein und daher entsprechend aufgestellt werden sollten. So entstand in oberfränkischen Schlössern und Gasthofsälen die Frankfurter „Stadt- und Universitätsbibliothek“, bevor sie eigentlich – im Oktober 1945 – gegründet wurde.
Ludwig Erhard verbrachte zwei zentrale Abschnitte seines Lebens in Frankfurt: Er promovierte 1925 an der hiesigen Universität zum Dr. rer. pol. und stellte zwischen 1947 und 1949 vom Rhein-Main-Gebiet aus die Weichen für die soziale Marktwirtschaft in der entstehenden Bundesrepublik Deutschland, deren erster Wirtschaftsminister er dann wurde. In dieser Funktion und später als Bundeskanzler kam Erhard zu zahlreichen öffentlichen Auftritten nach Frankfurt, zuletzt im Februar 1977, als er hier mit zwei Empfängen der CDU zu seinem 80. Geburtstag geehrt wurde.
Ich würde mich freuen, wenn Sie auch in diesem Monat immer wieder einmal reinschauen würden – ins Frankfurter Personenlexikon.
Beste Grüße und Wünsche
Sabine Hock
Chefredakteurin des Frankfurter Personenlexikons
P. S. Die nächste Artikellieferung erscheint am 10. März 2023.